Dushan-Wegner

26.05.2024

Pendel nun bei »Ausländer raus«

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten, Bild: »Wurst im Badeurlaub«
Sylter Prosecco-Crew ruft »Ausländer raus« – und der deutsche Propaganda-Apparat dreht frei! Nein, es ist nicht richtig, das zu rufen, doch zur Wahrheit gehört: Auf gewisse Weise schlägt das Pendel von »alle Ausländer rein« ins andere Extrem aus.
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Lasst es mich gleich sagen: »Ausländer raus« und »Deutschland den Deutschen« zu brüllen ist falsch, und es ist falsch, zu tun, was falsch ist.

Erstaunlicherweise ist gar nicht sicher, dass »Ausländer raus« zu sagen in Deutschland verboten ist. Hadmut Danisch verweist aktuell auf ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts (danisch.de, 26.6.2024).

Ich spreche hier von – ihr ahnt es – den jüngsten Fällen, als junge Deutsche, von Schaumwein und Zusammensein beseelt, solche Dinge brüllten.

Ja, es ist passiert, und es war falsch. Es passierte jüngst – ungewollt öffentlich – auf Sylt.

Nützlich im »ewigen Wahlkampf«

Deutschland ist ein Propagandastaat, und »Propagandastaat« bedeutet, dass der Bürger bei Tag und bei Nacht in Propagandabotschaften eingehüllt ist.

»Propagandastaat« bedeutet auch, dass der viele Milliarden Euro teure, schwere Propaganda-Apparat beim Ausscheren aus dem zugelassenen Meinungskorridor ein öffentliches Exempel statuieren wird.

Und wenn eine Abweichung sowohl unmoralisch ist als auch im »ewigen Wahlkampf« nützlich sein kann, dreht die Propagandamaschine den Lautstärkeregler auf Maximum … und legt noch mal eine Schippe drauf.

Auf Sylt, dem Ballermann der Besserbetuchten, haben ein paar Leute aus jener sozialen Schicht, die auch in der Freizeit freiwillig ein Hemd trägt, böse Dinge gegrölt. Solche Dinge, wie ich sie eingangs erwähnte. (Für nähere Informationen empfehle ich etwa focus.de vom 26.5.2024.)

Skandal im Skandal

Aber ach, der eigentliche Skandal im Skandal ist doch, zu welchem Riesenskandal die deutsche Propagandamaschine das saublöde Video von einem Sylter Besäufnis aufbläst.

Der deutsche Staatsfunk entblödete sich nicht, in der 20-Uhr-Propaganda gleich zweimal, am 24. Mai und am 25. Mai, vom Skandal-Video zu »berichten«.

Im deutschen Propagandastaat interessieren tägliche Morde, Vergewaltigungen und Messerstechereien den Staatsfunk allesamt eher gar nicht, sprich: sie haben »nur regionale Bedeutung«, wenn bestimmte Eigenschaften von Täter und Opfer dem Propaganda-Narrativ widersprechen.

Wenn aber ein paar besoffene reiche Leute auf Sylt etwas Böses grölen, ist es eine Meldung des Tages, an gleich zwei Tagen!

Zehn und mehr

Ich bin nicht sicher, wie viele Artikel und Videos aktuell auf tagesschau.de zu diesem einen Vorfall gepostet sind, ich habe bei 10 aufgehört zu zählen. (Hier die Links: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10)

Die Zehnte der hier verlinkten Meldungen (br.de, 25.5.2024) handelt nur am Rande von dem Sylter Ereignis; es geht tatsächlich um einen ähnlich gelagerten Vorfall in Erlangen.

Die übrigen Meldungen zitieren Experten. Auch die Politik gibt sich empört, klar. Empörung, Entsetzen, moralische Panik. (Ich empfehle hierzu den Essay »Kampf gegen Rechts ist ›Moralische Panik‹«.)

Stunde der Empörungsprofis

Ob die Geschehnisse auf Sylt falscher sind als die vielen Ereignisse, die abends in der Tagesschau nicht stattfinden, sei dahingestellt. Doch ich schreibe und spreche hier als einer, gegen den sich diese Sprüche vorgeblich wenden.

Ich kaufe Politikern und anderen Empörungsprofis ihre Sorge nicht ab, dass in Deutschland arme Ausländer wie ich verfolgt werden.

Der »Kampf gegen Rechts« ist eine politische Waffe, oft von Deutschen gegen Deutsche angewandt. Doch ich muss gestehen, dass mich diese Art von Heuchelei und Instrumentalisierung nicht mehr schockt (und noch weniger überrascht).

Ich halte allerdings eine Theorie zu diesen neuen Meldungen parat. Es ist die Metapher vom Pendel, das in die andere Richtung schlägt.

Differenzierung als goldener Mittelweg

Auch in Teilen der Bevölkerungen, die längst nicht »sozial verloren« sind, bildet sich ein Gegenmomentum zum suizidalen Deutschlandhass, wie ihn etwa die Grünen leben – und damit eine gefühlte Mehrheit der Propagandaschaffenden.

Ich bin wahrlich kein Freund eines magischerweise richtigen Mittelwegs, der »goldenen Mitte« (siehe dazu etwa den Essay vom 28.4.2018: »Nichts ist golden in der Mitte zwischen richtig und falsch«). Doch in diesem Fall trifft es tatsächlich zu: Zwischen »Ausländer (alle) raus« und »Ausländer (alle) rein« muss ein Mittelweg liegen: »Ausländer nach bestimmten Kriterien rein – und die anderen Ausländer eben raus, und zwar konsequent«.

Teure Vorspeise – unbezahlbares Hauptgericht?

Ich weiß nicht, wem Deutschland gehören sollte, wenn nicht den Deutschen. Den US-Investoren? Den Chinesen?

Ich ahne aber, dass wir Pendelbewegungen erleben. Im Essay »Trümmerfrauen nach dem Merkelsturz« träumte ich 2018 davon, dass es eine Zeit des Aufbruchs nach der antideutschen Merkel-Regentschaft geben würde – damit war ich leider viel zu optimistisch. Doch ich sah in jenem Text auch voraus, dass »das Pendel von einer Seite auf die andere Seite schwingt, und immer ein paar Grad zu weit«.

Wenn das stimmt – und ich habe wenig Zweifel daran –, dann war die In-Prosecco-Veritas-Clique von Sylt bloß ein Aperitif, eine Vorspeise, ein viel zu teures Häppchen vorab.

Das Hauptgericht kommt erst noch, und es wird … teuer, auch und gerade für die, die in der Freizeit »nur« T-Shirt und Kapuzenpulli tragen.

Weiterschreiben, Wegner!

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