Dushan-Wegner

24.03.2022

Der Hund apportiert das Falsche (ist aber fröhlich)

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten, Foto von Finn Mund
Krankenkassenbeiträge gehen rauf. Regierung nimmt viel, und schenkt dann etwas zurück. Fridays for Future spinnt – der Rest der Welt aber eigentlich auch. Nachrichten wie aus einem erschöpften Irrenhaus.
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Das Wort »Blog« ist die Verkürzung von »Web-Log«, und es wird traditionell mit Internettagebuch ins Deutsche übersetzt (siehe dict.leo.org).

Wissen Sie, was ich schon lange nicht mehr gelesen habe? Einen Blogbeitrag, der sein Medium tatsächlich als Logbuch oder Tagebuch nutzt. Warum führt keiner mehr »Online-Tagebuch«?

Große wie auch kleinere, freie Medien dokumentieren und vervielfachen täglich den großen wie auch kleinen Wahnsinn. Wer aber protokolliert, dass es auch so etwas wie Normalität gibt?

Hmm. Wer, wenn nicht ich? Und wenn nicht heute, wann dann?

Heute also, liebe Leser, will ich hier etwas Zeilenplatz schaffen für meinen »inneren Leopoldo Pisanello« (zu dieser fiktiven Personalie steht mehr im Essay »In Ruhe mein Toast essen« vom 17.1.2022).

Der Trick beim Schnitzel

Ich wachte heute gegen sechs Uhr auf, wie immer ohne Wecker. Ich schlurfte nach unten, in die Küche, und bereitete mir einen Kaffee (aus der Kapsel von der Machart, wie sie jener Hollywoodhübschling bewirbt, der für das Zitat bekannt ist »there is not gonna be a president Donald Trump«; siehe YouTube).

Die Kinder wurden langsam wach, und wie es inzwischen bei uns üblich ist, starteten sie in den Tag mit etwas Mathelernen. Heute war dann Leo an der Reihe, mit dem Hund die erste Morgenrunde zu drehen. Sein Gemecker war erfrischend kurz – was daran liegen könnte, dass es danach etwas Süßes zu essen geben würde.

Ich bereitete derweil das süße Frühstück. Mein Trick ist, Schoko-Knusper-Müsli mit Joghurt und Milch zu servieren, aber einen ganzen Apfel hineinzuschneiden.

Obwohl die Kinder mittags das Schulessen haben könnten, bestehen sie darauf, dass wir ihnen daheim etwas vorbereiten und es mitgeben. Um offen zu sein, verstehe ich das nicht, denn zu Hause lässt sich nicht jeden Tag eine vollständige Kombination aus Vorspeise, Hauptspeise und Nachspeise vorbereiten, einpacken und mitgeben – aber gut, einige derer »coolen« Freunde pflegen das auch so, dann warum nicht wir.

Ich bereite Hühnerschnitzel mit Reis. Der Trick beim Schnitzel ist es, nicht ungeduldig zu sein und den Herd zu heiß zu stellen (dann verbrennt die Panade), aber auch nicht zu trödeln, indem man nicht heiß genug stellt (dann wird die Panade ölig).

Zum Schnitzel mit Reis schneide ich ein Stück Gurke und gebe einige Cherrytomaten dazu. Wir haben uns in der Vergangenheit an komplizierteren Salatkonstruktionen versucht, doch Gurke mit Cherrytomaten »funktioniert einfach«, auch laut explizitem Feedback der Kinder.

Leo will sein Essen in der mehrstufigen Thermoskanne mitnehmen. Gestern hatte ich die Deckel der inneren Behälter wohl etwas zu eng gedreht, was dazu führte, dass er erst einen Erwachsenen holen musste, um ihm das zu öffnen. Heute testeten wir vorab, ob es nicht zu fest ist.

Elli hat Kleidung für die Kinder vorbereitet, und so können die wunderbaren Blagen irgendwann dann auch wirklich das Haus verlassen – um einen neuen, spannenden Donnerstag in der Schule zu verbringen.

Ich wende mich den Nachrichten zu, und ich gönne mir mal wieder 20 Minuten auf dem Heimtrainer, während ich Nachrichten schaue. Ich behalte meinen Puls im Blick, damit ich im gesunden Korridor bleibe (wie beim Hühnerschnitzel: nicht zu viel Energie, aber auch nicht zu wenig). Dann nehme ich eine Dusche und ziehe mich für den Tag an.

Es ist an der Zeit für eine zweite, ausgiebigere Runde mit dem Hund, diesmal auf dem Feld. Der Hund liebt noch immer das Apportier-Spiel, bringt aber praktisch immer etwas anderes zurück, als man warf. (Darin findet sich gewiss noch eine philosophische Metapher!)

Der Hund und ich verbringen eine halbe Stunde draußen. Er läuft hin und her – und ich habe Zeit fürs professionelle Grübeln.

Seufz, bestimmt!

Der gewiss hochmoralisch und vollständig normale Herr Lauterbach will die Krankenkassenbeiträge anheben (welt.de, 24.3.2022). Das hat bestimmt nichts damit zu tun, dass die Covid-Panik-Industrie sich gesundstößt (siehe etwa Essay vom 16.2.2022) – oder mit dem »Mitgliederrekord durch Migranten« (welt.de, 29.12.2017) – und wer nachfragt, womit es etwas zu tun hat, der ist gewiss ein Rechtsverschwörernazi, denn heute hat weiterhin nichts mit nichts zu tun.

Seufz, Deutschland. Wir schaffen das, bestimmt!

Drei Groschen Pauschale

Ich erfuhr, dass die »Ampel« eine »Energiepreispauschale« von 300 Euro plant (welt.de, 24.12.2022; das Standbild zum Artikel ist auch so `ne Sache, ich sage aber nicht, was für eine…).

Im Deutschen kennen wir ja die Redensart »linke Tasche, rechte Tasche«. Das heißt, dass man dir auf der einen Seite etwas nimmt, und es dir dann auf der anderen Seite wiedergibt, und netto kommst du plusminus Null heraus.

Heute wäre vielleicht passender: »Gib erstmal alles aus allen Taschen her, Uhren, Schmuck und Zahngold sowieso, und dann heben wir alle Preise, und dann gibt es drei Groschen zurück« (von den drei Groschen kannst du ja in die Oper gehen).

Alles Weitere

Aus den internationalen Nachrichten erfahre ich, dass Madeleine Albright gestorben ist. Im Essay »Nichts ist wichtiger als das Leben« vom 13.4.2018 schrieb ich von ihrem eiskalten Auswurf, dass das Leben von vielen Tausend irakischen Kindern als »Preis« gerechtfertigt gewesen sei.

Über Tote soll man bekanntlich nichts als Gutes sagen. Okay. Ich habe aber wenig mehr als Ekel für Gestalten wie die aktuelle Peinlichkeit im Außenministerium, wenn sie sich selbst preist, auf den Schultern der Gestorbenen zu stehen (@ABaerbock, 23.3.2022).

Auch einige deutsche Staatsfunker bejubeln das Leben der Toten; ich möchte sie nicht einmal verlinken oder auch nur namentlich nennen. – Ich formuliere es so: Wer heute noch für den deutschen Staatsfunk arbeitet, der hat ja allein dadurch entsprechenden »Charakter« bewiesen, und ihn betreffend erübrigt sich alles Weitere. 

Elvis canceln

Ach, ich ärgere mich ja nicht immer nur, nicht einmal über Ärgerliches!

Ich lese aktuell von einer Dreadlock-Sängerin, die nicht bei »Fridays for Future« auftreten darf, da sie »Dreadlocks« trägt (nzz.ch, 24.3.2022).

Zur Erinnerung: Die hier vorliegenden »Dreadlocks« sind lange Haare, welche die Trägerin augenscheinlich so lange nicht wusch, kämmte oder anders pflegte, bis ihre Haare verklebten und zu verfilzten, halbsteifen Strähnen wurden. Diese »Dreadlocks« aber gelten mindestens laut »Fridays for Future« als typisch für »schwarze Menschen« »in den Zeiten von Sklaverei«, und wenn Weiße so etwas tragen, dann sei das »kulturelle Aneignung« und total unmoralisch. Jetzt wissen Sie es.

Ich will es positiv formulieren: Es ist doch schön, wenn es in der Zeit von Kriegen und weltweiten Umbrüchen noch übersatte, weltfremde und womöglich auch wohlstandsverwahrloste Kräfte gibt, die in Moralpanik geraten, wenn eine weiße Künstlerin den Rasta-Stil aufgreift. (Charmant ist auch, dass dieselben ach-so-progressiven Moralisten mit wörtlich derselben Argumentation etwa einen Elvis Presley gecancelt hätten: Auch Elvis betrieb »kulturelle Aneignung«, und das mit weit mehr als nur einer verfilzten Schmutzfrisur.)

Halbkopfgroßer Stein

Soweit einige der Gedanken, die mir im Kopf umhergehen, während ich den Hund hin und her treibe, ihn immer wieder Dinge apportieren lasse, die er zuverlässig nicht findet. Einmal kommt er mit einem Stein zurück, der halb so groß wie sein Kopf ist – ich hatte diesen Stein sicher nicht zuvor geworfen.

Derart grübelnd legte ich diesen Text in meinem Kopf zurecht, inklusive der Idee, dass ich meinen Morgen einmal tatsächlich protokollieren will. Dies ist meine Normalität.

Ziemlich genau zur gleichen Zeit, in welcher meine Grübelei sich zu Artikelform kristallisiert, hat auch der Hund genug vom Hin- und Herlaufen. Er setzt sich hin, um angeleint zu werden (für Details hierzu wiederum empfehle ich den Essay »Hund an der Leine« vom 14.9.2021).

Der Hund und ich gehen heimwärts. Daheim trinkt er Wasser aus seiner Schale. Ich gebe ihm noch einen Hundekeks, dann legt er sich aufs Sofa.

Bevor ich diese Zeilen aufschreibe, mache ich mir noch einen Kaffee, jetzt aus der Espressomaschine. Die Kinder haben letztens kleine Kekse geholt, die wie Knöpfe aussehen. Ich trinke Kaffee, esse Knöpfe und schreibe diesen Tagebucheintrag.

Sogar ein Öko

Ich bin ein Linker, ja ich bin sogar ein Öko, doch mit »Linker« meine ich »für den kleinen Mann« (nicht: »was die Propaganda von Staatsfunk & Konzernmedien gerade verkündet«), und mit »Öko« meine ich »möglichst im Einklang mit der Natur, auch und besonders mit meiner eigenen, menschlichen Natur« (nicht: »für den Profit von zynischen Fake-Öko-Abzockern«). Insofern schäme ich mich genau gar nicht, wenn ich ein altes, von Claudia Roth populär gemachtes Motto anwende und zu dem meinen erkläre: Das Private ist politisch.

Egal was die großen Nachrichten, Moralpaniken und Propaganda-Messages des Tages verkünden: Meine erste Verantwortung ist es, meine Kreise zu ordnen, nach meinem besten Verstand und Gewissen. Das ist mein Privates, und das ist die Perspektive meines Politischen.

1., 2., 3.

Du wirst in der letzten Stunde von deinem Gewissen nicht danach befragt werden, ob du dich genug über Dinge echauffiert hast, an denen du nichts ändern konntest. Deine letzte und damit einzige wirklich bedeutsame moralische Frage wird sein: Hast du die Strukturen gestützt, die dir wirklich wichtig waren?

Meine relevanten Strukturen sind erstens meine Familie, zweitens Sie, meine geschätzten Leser, und dann drittens der Rest der Welt, von innen nach außen geordnet.

Ich hoffe, dass ich Ihnen, meiner zweitrelevantesten Struktur, mit diesen Zeilen zumindest ein Lächeln beschert habe.

Weiterschreiben, Wegner!

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