Ich las heute eine Schlagzeile, die ließ in meinem Kopf geradezu ein Feuerwerk an Assoziationen und Protestraketen explodieren. Hier ist sie:
Wer Grüne und Nazis gleichsetzt, begeht laut dem Bayerischen Obersten Landesgericht Volksverhetzung (deutschlandfunk.de, 14.10.2024). Anderswo wird erklärt: Das Bayerische Oberste Landesgericht wertet eine Gleichsetzung von Grünen und Nationalsozialisten als aufwieglerisch. Eine entsprechende Grafik wirke in einer aufgeheizten politischen Situation mit „verschiedenen aggressiven Aktionen“ gegen Grünen-Vertreter als „geistige Brandbeschleunigung“. (welt.de, 12.10.2024) Bei der Erklärung des Gerichts musste ich die Luft anhalten, um nicht vor inneren Schmerzen ob dieser institutionellen Blindheit zu brüllen. Der Angeklagte suggeriere in seinem Posting, durch die Grünen erfolge eine Unrechtsherrschaft. Damit aber würde »die Bevölkerung aggressiv emotionalisiert und eine Handlungsbereitschaft zu einem Kampf gegen die Partei geweckt«. Denn solches Unrecht würde »dazu motivieren, gegen den Verursacher der Verbrechen vorzugehen«.
Es ist so unglaublich, so entlarvend, es wirkt wie ein derart krasses Symptom eines Verlogenheitsstaats, das Urteil des Landesgerichts in München, und eigentlich war das Verfahren die Revision eines Urteils des Kulmbacher Amtsgerichts. Dessen Urteilsbegründung ließen die Münchner unwidersprochen.
Lasst uns die Worte des Gerichts von Kulmbach wörtlich erleben:
Der Bürger könnte sich dabei legitimiert sehen, auch gewaltsam gegen die Parteimitglieder vorzugehen. Durch diese Emotionalisierung soll denjenigen, die ebenfalls die Partei ablehnen, eine Argumentation an die Hand gegeben werden, sich als legitime »Widerstandskämpfer« gegen einen vermeintlich zutiefst gefährlichen Verbrecher zu fühlen, und dadurch auch die Hemmschwelle bezüglich Gewaltakten gesenkt werden. Hierbei soll eine bereits aufgeheizte politische Situation ausgenutzt werden. (Kulmbacher Amtsgericht 2024, zitiert nach welt.de, 12.10.2024.) Es ist in Deutschland nun richterlich bestätigt, dass den politischen Gegner als »Nazi« zu bezeichnen zur Gewalt gegen ebendiesen aufstacheln kann.
Aha.
Ich schrieb mal:
Der Begriff »Nazi« bedeutet 2017 weitgehend nicht einmal mehr Rechtsextreme. »Nazi« wurde zum Kampfbegriff gegen alle, die von der Leitmeinung in ARD und ZDF abweichen. (Essay vom 18.1.2017) Es ist einigen Altparteien und den heutigen »Guten« alltäglich, Opposition und Andersdenkende als »Nazis« und »Faschisten« zu verunglimpfen. Tatsächlich ist die AfD besonders häufiges Ziel politischer Gewalt von links. Das gab letztens sogar der BKA-Chef zu (siehe dazu den Essay »Straftaten auch von links«).
Dennoch (oder: gerade deshalb?) werden bei Aktionen gegen politische Gewalt explizit die häufigsten Opfer außen vor gelassen (siehe dazu den Essay »Vor allem AfD-Politiker unter den Opfern«). Manche politische Gewalt ist offenbar gerechtfertigter als andere. Wozu sonst soll es führen, wenn in Berlin auf Pro-Regierungs-Aufmärschen »Ganz Berlin hasst die AfD« gebrüllt wird? Wenn Linke vom »Nazis klatschen« fantasieren? Wenn, wie ich 2019 schrieb, »die Guten via Baseballschläger argumentieren«?
Sollte Frau Weidel ihre Angelegenheit noch einmal angehen? (Jene Angelegenheit ist so vulgär, die will ich hier nicht wiederholen. Niemand sollte auf das Niveau deutscher Staatsfunker sinken, nicht einmal zitierend.)
Sollte jeder, der jemals von den lupenreinen Demokraten der Altparteien oder irgendwelchen aufgehetzten Propaganda-Opfern als »Nazi« beschimpft wurde, vors Kulmbacher Amtsgericht ziehen?
Nicht so schnell, ihr Demokraten, die ihr einfach nur »Demokratie« und dazu »dem deutschen Volke« sagt, statt »unsere Demokratie« und »Haltung«. Nicht so schnell.
Im Mai letzten Jahres schrieb ich:
Die »Guten« nennen ihre Gegner wörtlich »Nazis«, doch wenn man auf die Nazi-Parallelen der »Guten« hinweist, rufen sie: »Verharmlosung! Wir sind keine Diktatur, und wer das sagt, beleidigt Politiker, und das ist in Deutschland strafbar!« (dushanwegner.com, 29.5.2023) Ich fürchte, es gilt weiterhin: Die dürfen das über dich sagen, du aber nicht über die.
Im besten Deutschland aller Zeiten sind alle Bürger gleich, doch die Grünen sind gleicher (und die Grünen wären über dieses Fazit richtig sauer, wenn Grüne lesen würden).