Dushan-Wegner

30.07.2023

Zeit, Gefallen und andere Aphorismen

von Dushan Wegner, Lesezeit 2 Minuten, Bild: »Was kriecht denn da?«
Die großen Streitthemen sind heute meist simpel strukturiert: »Leugner« gegen Lügner. (neue Aphorismen)
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Ich sah am Strand eine Gruppe Kinder zusammenstehen, und sie steckten die Köpfe zusammen, beobachteten etwas interessiert.

Ich dachte bei mir: oh nein, jetzt sind sie schon am Strand, und starren doch auf ein Smartphone.

Dann sah ich: Die gucken gar nicht auf ihr Smartphone, die begutachten zusammen eine kleine Krabbe!

Es gibt noch Hoffnung.


Ich hörte früher häufiger als heute, oder zumindest von durchaus anderen Leuten, eine Aufforderung, die ich den »modernistischen Imperativ« nennen möchte, ein elftes Gebot der Moderne, und zwar: Du musst mit der Zeit gehen!

Du wirst nicht falsch Zeugnis geben. Du wirst nicht begehren die Kuh deines Nachbarn. Du wirst nicht nicht mit der Zeit gehen.

Man hört es heute weit seltener als eben noch, vor zwei oder drei Jahrzehnten. Wer heute mit der Zeit geht, ist in keiner guten Gesellschaft unterwegs.


Im Bus saß ein Mensch mit Tourette-Syndrom hinter mir. Er stieß regelmäßig die bekannten Flüche aus.

Nach etwa dem fünften üblen Fluch drehte ich mich unwillkürlich um. (Ich weiß nicht, was ich mir davon erhoffte.)

Dann sah ich das Leiden in seinem Gesicht. Er litt, ich litt, und er litt, fürchte ich, auch weil ich litt.

(Etwas an ihm erinnerte mich an den Job des Essayisten in diesen Zeiten.)

Ich drehte mich um, notierte die Begebenheit, und wechselte die Gedanken, so wie just da der Busfahrer die Spur wechselte.


Die großen Streitthemen sind heute meist simpel strukturiert: »Leugner« gegen Lügner. (Klimaleugner gegen Klimalügner, Covidleugner gegen Covidlügner und so weiter. – Manche sagen: Lieber »Leugner« als Lügner!)


Zeige mir einen Lügner, und ich zeige dir einen Dieb!
(George Herbert: Jacula Pridentum, 1651)


In Japan stehen Steine, die davor warnen, zu nah am Meer zu bauen (Link), aber wer hört heute noch auf Steine?


Bezüglich einer Frage, die mir letztens gestellt wurde: Auch in den Gegenwind lässt sich sein Fähnchen hängen, was besonders bei ohnehin drehendem Wind empfehlenswert ist.


Bin ich aus der Zeit gefallen? Die Zeiten sind es, die gefallen sind – und es gefällt mir nicht! (K. Lauer)


Einfache Übung im Loslassen: Stelle dir alles vor, womit dein Leben zusammenhängt, ob Mensch, Ding oder Aufgabe. Stelle dir nun vor, dass eines nach dem anderen verschwindet, als hätte es nie existiert. Wärest du jeweils glücklicher, weniger glücklich oder unverändert? Wie würdest du dich arrangieren? (Mögliche Übungsdauer: 1 Minute oder 1 Leben.)


Übung zur Hausaufgabe: Erkläre, warum deine Mitmenschen nicht viel wütender sind! Bonus-Aufgabe: Erkläre, warum du nicht (noch viel) wütender bist.


Zu den mutigsten Handlungen gehört heute, das Offensichtliche zu denken. Das Offensichtliche aber auch noch auszusprechen, grenzt an Wahnsinn, wenn auch an notwendigen Wahnsinn.

Mehr Mut also, Freunde, und mehr notwendigen Wahnsinn!

Weiterschreiben, Wegner!

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