Dushan-Wegner

23.04.2024

Affe und Philosoph

von Dushan Wegner, Lesezeit 3 Minuten, Bild: »Hmmmmm.«
Der Mensch ist ein Affe, der magischerweise in der Lage ist, über sich selbst nachzudenken. Wir sind quasi »Affe« und »Philosoph« zugleich. Das Problem ist, dass mal der eine und mal der andere die Kontrolle übernimmt. (Zu oft der »Affe«?)
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Dies ist der zweite Essay meiner »Zwischenstandswoche«. In sieben Texten notiere ich, was mir an diesem Punkt nach fünf Lebensjahrzehnten als die sieben wichtigsten Lektionen erscheint. Ein alltagsphilosophischer Zwischenstand, eine Woche lang.

Der erste Text heißt »Jeder Wirkung eine Ursache«. Darin schimpfe ich darüber, dass so viele Menschen das simple Prinzip von Ursache und Wirkung ignorieren. Warum aber ist das der Fall? – Es könnte mit einer Zerrissenheit zu tun haben, die ich die »Dualität von Affe und Philosoph« nenne.

Du, beides

Wir wissen bis heute nicht sicher, warum der Mensch ein Bewusstsein hat, warum wir »ich« sagen können. Wir wissen aber, dass der Mensch biologisch ein Tier ist, das zusätzlich zur reinen Funktionalität die Fähigkeit entwickelt hat, über sich selbst nachzudenken, über die eigene Existenz und über die eigenen Handlungen.

Bei diesem »Nachdenken« machen wir auf abstrakte Weise uns selbst, aber auch die übrigen Dinge und Menschen zum »Gegenstand«. Ja, nicht nur die reale Welt kann Gegenstand unserer inneren Betrachtungen sein. Nachdenken wird genau dann interessant, wenn wir zukünftige und alternative Möglichkeiten in Gedanken prüfen – wenn wir über Ursache und Wirkung nachdenken.

Doch seien wir ehrlich: Wann haben wir das letzte Mal wirklich über einen nennenswerten Zeitraum hinweg nachgedacht? Wirklich konzentriert und ungestört nachgedacht? Ohne Smartphone auf dem Tisch, ohne nörgelnde Kinder, ganz ohne Ablenkung?

Ach, viel zu oft sprudelten unsere Emotionen, unsere Instinkte handelten einfach drauflos und wir kamen gar nicht erst zum Nachdenken – und später fragten wir uns dann, was uns da denn bitte geritten hatte.

Ich beschreibe diese Zerrissenheit mit der Metapher »Affe und Philosoph«. Der Mensch ist nicht Affe oder Philosoph, der Mensch ist beides, Affe und Philosoph.

Barbar am Steuer

Das letzte Mal, als du mehr gegessen hast, als dir guttat – was du später bereutest. Das letzte Mal, als du wütend etwas gesagt hast, das du später bereutest. Das Mal, als der verheiratete Kollege mit der neuen Sekretärin … na, ihr wisst schon … und es später bereute. Ein guter Teil der Momente, in denen wir in Handlungen stolperten, die wir später bereuten, war es der »Affe« in uns, der die Kontrolle übernommen hatte und uns handeln ließ, bevor unser prüfender Verstand – der »Philosoph« – übernahm.

Was also wäre die »Lektion«, die wir daraus lernen? Dass wir niemals den Affen entscheiden lassen sollten, sondern immer nur den Philosophen? – Um Himmel willen, nein!

Zum Menschsein gehört das Äffische dazu – und wie! Die verrückten Partys mit deinen Freunden. Die Liebe zu deinen Kindern. Dein Wunsch, auch diesen Tag lebendig abzuschließen, wie sehr du dich auch als neuer Sisyphus fühlen magst. All das sind sehr äffische und zugleich zweifellos gute Ereignisse.

Die Lehre

Die eine Hälfte des Leids, das die Menschen sich selbst und einander antun, wurzelt im Versagen, sich des Prinzips von Ursache und Wirkung bewusst zu sein. Die andere Hälfte des Leids stammt aus der mangelnden Abstimmung des Affen und des Philosophen.

Propaganda, Manipulation und Verführung operieren damit, einen der beiden – meist den Affen – einzeln anzusprechen und ihn die Kontrolle über den gesamten Menschen übernehmen zu lassen.

Probiert es einmal aus: Denkt an eure größten Fehler im Leben zurück. Ich bin recht sicher, dass es euch leichtfällt, genau zu sagen, wie der Affe und/oder der Philosoph in euch jeweils versagten.

Und wenn ihr einmal zu vergleichen begonnen habt, dann vergleicht auch: Welche Partei bedient den »Affen im Wähler« gezielter als jede andere? (Hinweis: Es könnte die »wie ein Affe mit Maschinengewehr« sein.)

Doch, und auch das habe ich gelernt, nicht nur unsere schlimmsten Misserfolge, auch unsere schönsten Erfolge sichern wir dadurch, dass wir den Affen und den Philosophen eine brauchbare Lösung aushandeln lassen.

Grämt euch also nicht allzu sehr, wenn der »Affe« wieder mal mit euch durchgegangen ist. Vergebt euch, wenn der »Philosoph« mal wieder die Kontrolle übernahm und man euch dafür einen »Spaßverderber« nannte. Hört auf sie beide, denn: Vollständig sind wir nur, wenn Affe und Philosoph beide zu Wort kommen.

Weiterschreiben, Wegner!

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