Wie wird ein Spiel ausgehen, in welchem die eine Mannschaft nach ganz anderen Regeln spielt als die andere?
Vielleicht denken Sie bei dieser Frage auch an The Dark Knight aus Nolans Batman-Trilogie:
Joker: Du hast all diese Regeln und meinst, sie werden dich retten.
Gordon: [Batman schlägt Jokers Kopf auf] Er hat die Kontrolle.
Batman: Ich habe eine Regel.
Joker: Dann ist das die Regel, die du brechen musst um die Wahrheit zu erkennen.
Batman: Welche was ist?
Joker: Die einzig sinnvolle Art, in dieser Welt zu leben, ist ohne Regeln. Und heute wirst du deine eine Regel brechen.
– The Dark Knight (meine Übersetzung)
Etwas später dann:
Joker: Du hast nichts, womit du mich bedrohen kannst. Nichts, was du mit all deiner Kraft anstellen könntest.
– The Dark Knight (meine Übersetzung)
Europäische Staaten sind zumeist darauf ausgerichtet, mit Menschen umzugehen, von denen der größte Teil bestimmte Verhaltensweisen verinnerlicht hat. Themen wie „Gewalt gegen Rettungskräfte“ waren bis vor kurzem jenseits meiner Vorstellungskraft.
Sicher, einzelne Spinner gab es immer, und es wird sie immer geben – als verbreitetes, ja alltägliches Phänomen ist es neu und schrecklich. Polizisten und Rettungskräfte opfern für peinlich wenig Geld ihre Wochenenden und riskieren ihr Leben, um unser Leben zu schützen. Welche innere Konstitution hat ein Mensch, der einen Retter angreift? Ich verstehe es nicht und es ist mir fremd.
Die „Aktionen“ beim G20-Gipfel in Hamburg, 2017, trugen Titel wie „Welcome to Hell“ und auch sie sprengten einiges, was ich und die meisten in meinem Umfeld als auch nur vorstellbares menschliches Verhalten betrachten würden – vom akzeptablen und entschuldbaren Verhalten ganz zu schweigen. Die Bilder der Gewalt, der Brandstiftungen und der Plünderungen gingen von Hamburg aus um die Welt. Immerhin wurde diesmal im Nachhinein nach den vermutlichen Tätern gefahndet. Ich habe das Gefühl, dass dem Fahndungsenthusiasmus ein wenig von der BILD-Zeitung nachgeholfen wurde. Und immerhin gab es im Nachlauf des G20 sogar Verurteilungen – ein Hoffnungsschimmer, dass der Rechtsstaat doch nicht nur GEZ-Verweigerer und Autofahrer zur Rechenschaft zieht.
Schließlich, die Abschiebungen. Ach, die Abschiebungen.
Ich weiß noch, wie mir das erste Mal eine Lehrerin vom ausländischen Mädchen berichtete, dessen Eltern alles taten, damit sich ihr Töchterlein gut integrierte. Sie war bald im oberen Drittel ihrer Klasse, jeden Tag sauber angezogen und fein gekämmt, nie ein freches Wort – und dann, mitten in der Woche, fehlte sie plötzlich. Abgeschoben, egal wie viel man sich bemühte. Wir lesen vom deutschen Arzt, dessen Ehefrau (!) nach Thailand abgeschoben wurde um dort das Visum zu beantragen. (Zynische Frage: Hätte es fürs Bleiberecht nicht genügt, wenn sie ihren Pass weggeworfen hätte?) – Dem Gegenüber lesen wir vom „Blutigen Abschiebedrama in NRW“, wo ein Abschiebeversuch zum Blutbad wird. „Millenial-Journalisten“ veröffentlichen Anleitungen, wie sich Abschiebungen verhindern lassen. Abgeschoben werden die braven Asylbewerber. „Renitenz der Ausreisepflichtigen“ dagegen lässt die Abschiebung regelmäßig platzen. Das ist der Batman-vs-Joker-Effekt: Man kann nicht gewinnen gegen einen Gegner, wenn man sich an Regeln hält, die der Gegner verachtet, auslacht, ignoriert. Wir lasen jüngst von einer versuchten Abschiebung, wie 80 Menschen in ihr Heimatland zurückgebracht werden sollten, aber am Ende nur 19 an Bord saßen.
Zynische Leute sagen, Erfolg in der Politik sei eigentlich schon Beleg mangelnder moralischer Qualifikation zur Politik. – Realistische Leute sagen, wer sich erfolgreich abschieben lässt, beweise darin eigentlich schon seine Integration. Ein Satz, den man wieder und wieder hört, nicht nur von „bösen Rechtspopulisten“, sondern von den Leuten vor Ort: „Wir schieben die Falschen ab.“
In Merkels Postdemokratie wird die Teilnahme am Rechtsstaat allmählich zum Akt der Freiwilligkeit. Während die einen beim Finanzamt auch ihre letzten Nebeneinkünfte brav versteuern und ihren Müll sortieren, verachten andere die Ordnung der Gesellschaft, die ihnen gratis Unterkunft und Auskommen bereitstellt.
Deutschland und Teile von Europa haben ein Batman-vs-Joker-Problem. Sie werden darüber eher nicht von (auf mich zumindest) fanatisiert wirkenden Mitarbeitern des Staatsfunks hören. Sie hören es aber täglich von Lehrern, von Sozialarbeitern und von Polizisten. Oft hören Sie es hinter vorgehaltener Hand. Die Angst, fürs Benennen gefährlicher Absurditäten als „rechts“ tituliert und in seiner Existenz gefährdet zu werden ist nach wie vor groß.
Es geht gar nicht darum, dass Batman alle Techniken und Tricks des Jokers übernimmt – er muss nicht einen einzigen „übernehmen“. Batman muss „nur“ Methoden im Arsenal haben, die stärker sind als Jokers fiesester Trick.
Deutschland hat ein Batman-vs-Joker-Problem. Wie kämpft man gegen einen Gegner, der sich nicht an die „Kampfregeln“ hält? Der Westen sollte seine eigenen Regeln keinesfalls aufgeben, aber dringend an die Realität anpassen! Batman muss dringend seine Taktik anpassen, wenn wir nicht bald in Gotham City leben wollen.