Dushan-Wegner

14.03.2024

Polizei in der Schule

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten
Polizei sucht Schülerin in Schule auf, nachdem die 16-Jährige ein AfD-positives Scherzlein gepostet hatte – mit blauen (!) Schlümpfen! Für »Demokratie« passieren in Deutschland zu schräge Dinge, für »Diktatur« fehlt der Stil. Wie nennen wir das Land aber dann?
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Wenn du ein Bild der Zukunft haben willst, so schrieb Orwell, dann stelle dir einen Stiefel vor, der in das Gesicht eines Menschen tritt – für immer.

Es ist als warnende, dystopische Metapher gedacht, ich weiß. Doch seit wir die Bilder sahen, wie deutsche Polizisten auf Grundrechte-Demonstranten einschlugen, schmerzt die Metapher etwas mehr, fühlt sich etwas zu realistisch an.

Doch Zukunft ist Zukunft. Was nicht ist, muss nicht zwingend so werden – es könnte schlimmer werden, sicher, aber eben auch besser oder ganz anders.

Lasst uns also von der Gegenwart reden!

Stiefel 2024

Laut einem Bericht der »Jungen Freiheit« kam es an einem Gymnasium in Mecklenburg-Vorpommern zu Szenen, die man eher in Dokumentationen über die NS-Zeit oder den Sozialismus vermutet oder eben in dystopischen Zukunftsvisionen.

Die Zeitung rekonstruiert (jungefreiheit.de, 14.3.2024) die Geschehnisse des 27. Februar 2024.

Ein 16-jähriges Mädchen sitzt im Unterricht und lernt – nichts Böses ahnend.

Gegen 9:45 Uhr ruft der Direktor die Polizei an. Eine seiner Schülerinnen habe etwas getan, was einen »möglicherweise strafrechtlichen Sachverhalt« darstelle. So sagt es zumindest der Polizeisprecher.

Es lägen Hinweise vor, wonach die Schülerin »mutmaßlich verfassungsfeindliche Inhalte in sozialen Netzwerken verbreitet haben könnte«.

»Möglicherweise mutmaßlich« reicht

Eine verbotene Meinung online gepostet zu haben, so etwas nimmt die Polizei im besten Deutschland aller Zeiten natürlich maximal ernst.

Man sandte einen Funkwagen zur Schule, gleich mit drei Polizisten besetzt.

Und die standen dann plötzlich im Chemieraum und holten die Schülerin aus dem Unterricht.

Die Schülerin wird von den Polizisten aus dem Unterrichtsraum eskortiert. Einmal durch die ganze Schule, zum Lehrerzimmer.

(Nachtrag: Laut späterer Darstellung der Polizei stand sie nicht direkt im Raum, sondern wartete draußen vor der Tür, als die Schülerin herausgeholt wurde. Bewertet selbst, wem ihr glaubt — und inwiefern das einen großen Unterschied in der Gesamtdeutung ausmacht.)

Was aber war das »Verbrechen«, welche die öffentliche Demütigung und Einschüchterung durch die Polizei rechtfertigte?

Blaue Schlümpfe, deutsche Heimat

Die Schülerin hatte vor Monaten ein Video gepostet, in welchem es hieß, alle Schlümpfe seien blau und Deutschland auch. Es war eine humorvolle AfD-Werbung.

Außerdem habe sie online behauptet, dass Deutschland nicht bloß ein »Ort«, sondern »Heimat« sei.

Klar, da muss der Direktor die Schülerin bei der Polizei verpfeifen. Da muss die Schülerin im demütigenden »Gang der Schande« durch die Schule eskortiert werden. Wehret den Anfängen, nicht, dass Deutschland noch zur Diktatur wird!

Doch die Polizei sagte auch zwei Dinge, welche erhellend sind bei der Suche nach der Antwort auf die Frage, ob Deutschland eine Diktatur ist.

Kein bisschen illegal

Erstens: Nichts von dem, was sie gepostet und weshalb der Direktor die Polizei gerufen hatte, sei auch nur entfernt illegal.

Und dennoch wurde mit der Schülerin offenbar – nicht offiziell, aber in der Form – eine Art von »Gefährderansprache« gehalten, sprich: eine Einschüchterung durch die Polizei zum Zweck der Verhaltenskorrektur. Ohne Anwalt oder Eltern, wie in lupenreinen Demokratien wohl üblich. (Es ist nicht einfach, in dieser Angelegenheit nicht in Sarkasmus zu verfallen.)

Zweitens aber: Die Mutter sagt, die Polizei habe die Tochter ermahnt, sie solle »zu ihrem eigenen Schutz« bitte solche Meinungsäußerung in Zukunft »unterlassen«.

Das ist der Zustand des deutschen Rechtsstaats und der Demokratie: Klar kannst du deine Meinung äußern, doch »zu deinem eigenen Schutz« sollte deine Meinung lieber nicht allzu sehr von der Meinung der Hundertfünfzigprozentigen abweichen – sonst: Polizei, öffentliche Demütigung, Einschüchterung, Spießrutenlauf!

Selbstdenker leben gefährlich

Was die »erzieherische Hausdurchsuchung« als wenig rechtsstaatliche »Strafe ohne Verfahren« für erwachsene Regierungskritiker ist, das ist für jugendliche Selbstdenker in der glorreichen deutschen Demokratie offenbar die Demütigung in der Schule durch die Polizei.

Willst du ein Bild von der Zukunft haben, schreibt Orwell, so stelle dir einen Stiefel vor, der unaufhörlich in ein Menschengesicht tritt.

Willst du aber ein Bild von der deutschen Gegenwart haben, stell dir drei Polizisten vor, die eine Schülerin aus dem Klassenzimmer eskortieren, weil sie in einem Internet-Scherzlein die Opposition gelobt hatte.

Wie nennt man ein Land, in welchem die Dinge passieren, die heute in Deutschland passieren?

Wie denn dann?

Man tut sich täglich schwerer, Deutschland eine »Demokratie« und einen »Rechtsstaat« in voller Bedeutung der Begriffe zu nennen. Und für »Diktatur« fehlt mindestens der Stil.

Wie aber nennen wir Deutschland dann? Nennt mir eure kreativen Vorschläge, als Kommentar bei YouTube!

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