Dushan-Wegner

18.05.2021

Brillante Dummheit

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Foto von Kristine Cinate
»Haha«, lachen wir, »die Grünen sind so dumm!« – Dieses Lachen ist unklug. Wir sollten verstehen, wann (und wodurch) die Dummheit im Vorteil ist. Die Kraft der Dummheit nicht zu verstehen, das wäre gefährlich »dumm« von denen, die sich für »klug« halten.
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»Siehe, das sind die Frevler, die sind glücklich für immer und werden reich«, so klagt Psalm 74:12, und Jeremia 12:1b stimmt mit ein: »Warum geht’s doch den Gottlosen so gut, und die Abtrünnigen haben alles in Fülle?«

»Warum geht es den Bösen so gut?«, solche Fragen quälten die Menschen schon zu biblischen Zeiten, und eine Antwort könnte darin liegen, dass sowohl »die Bösen« als auch »gut gehen« von Deutung und Perspektive abhängen (sprich von »Relevanten Strukturen«).

Jedoch, nicht nur mich quält heute eine weitere, gewissermaßen benachbarte Frage: Warum sind die Dummen so erfolgreich?

Dummheit kein Hindernis

Die Damen und Herren von der Propaganda können einem ja auch fast schon leid tun: Da will man einerseits die lieben Grünen so häufig und so positiv zu Wort kommen lassen wie die übrigen Parteien zusammen nicht, um die Grünen als »die neue CDU« und Frau Baerbock als »die nächste Merkel« zu etablieren, doch wenn man sie reden lässt, dann reden sie sehr regelmäßig sehr dummes Zeug.

Die Wissenslücken der Grünen sind ja bereits »Memes« geworden, selbstständige »Kulturphänomene« und »Bewusstseinsinhalte« (wie Wikipedia »Meme« so sperrig wir präzise erklärt), sei es Habecks meinungsstarke Ahnungslosigkeit zur Pendlerpauschale (spiegel.de, 23.11.2019), oder Frau Baerbocks Aussetzer wie ihr Fabulieren vom »Netz als Speicher« (heise.de, 31.1.2018).

Dank sozialer Medien kursieren immer wieder neue lustige Video-Schnipsel mit den grünen Aussetzern (so charmant wie schmerzhaft etwa bei @Birgit_Kelle, 17.5.2021 oder @Hallaschka_HH, 15.5.2021). Die dokumentierte Inkompetenz der Grünen bleibt zugleich nur einem kleinen Teil der Bürger sichtbar. Weite Teile der Bevölkerung erhalten ein idealisiertes Bild der Grünen vorgestellt, gezeichnet von einer Presse, welche selbst auf Mainstream-Beobachter wie die »Pressestelle der Grünen« wirkt (so meedia.de, 4.5.2021). (Es ist übrigens nicht ganz richtig: Die tatsächliche Pressestelle der Grünen kann gar nicht so aggressiv für die »Völkerrechtlerin« Baerbock streiten wie etwa der Stern – siehe deren Baerbock-Texte; anders als eine Redaktion muss eine Partei-Pressestelle ja viele Interessen aus der Partei heraus, aber auch gegenüber »Parteifreunden« berücksichtigen und sich nach vielen Seiten rechtfertigen, kann also nicht ganz so aggressiv propagandistisch wie ein Mainstream-Medium vorgehen.)

Die Geschichte hat wiederholt gezeigt, dass scheinbare Dummheit und Lächerlichkeit kein Hindernis auf dem Weg zur Macht sein müssen. (Mit »Dummheit« meine ich, wie schon 2016, »das fahrlässige Ignorieren von Zusammenhängen«.)

Wir jedoch, die wir jeden Tag gern weniger dumm als am Tag zuvor wären, wir könnten etwas Wichtiges übersehen, weil wir es uns vielleicht überhaupt nicht vorstellen können: Dummheit kann nützlich sein.

Was ich lernte

Ich kann mich noch gut an meinen Schock erinnern, als ich, der »kleine, naive Bücherleser«, vor Jahrzehnten zum ersten Mal mit großen, wichtigen und teils berühmten Menschen zusammentraf. Ich hatte erwartet, dass diese Großen alle Details zu allen möglichen Dingen wissen und diese auch referieren können, also wie ich sind, nur sehr viel belesener – doch tatsächlich erlebte ich überraschend oft etwas, dass ich heute im Rückblick eine »brillante Dummheit« nenne.

Mit »brillanter Dummheit« meine ich nicht jene strategische, gespielte Dummheit, wo ein Kluger sich dumm stellt, etwa um seinen Gegner in falscher Sicherheit zu wiegen.

Die »brillante Dummheit«, die ich immer wieder bei den Großen und Erfolgreichen erlebe, ist die instinktive und/oder antrainierte Fähigkeit und Eigenschaft, genau (und richtig!) zu wissen, welche Informationen für das Erreichen ihres Zieles wichtig sind – und dazu zwingend das automatische Selbstbewusstsein, alles Übrige nicht zu wissen, und seine Aufmerksamkeit nicht damit zu belasten. Ein anderes Wort für diese »brillante Dummheit« wäre schlicht »Fokussierung«.

(Wenn die »unwichtigen« Angelegenheiten dem »brillant dummen Chef« doch irgendwie wichtig werden sollten, dann sagen ihm das seine Angestellten und Hilfswissenschaftler, die schier alles zu wissen scheinen und doch nur einen Bruchteil des Gehalts ihres »dummen« Chefs überwiesen bekommen – und die auch dafür bezahlt werden, ihm bei Bedarf über Nacht das Wesentliche beizubringen.)

Keine alten Verpflichtungen

Sicher ist der Erfolg der Grünen auch auf die massive Unterstützung durch die deutsche Presse und diverse Propaganda-NGOs zurückzuführen. Sogar Merkel ruft codiert zur Wahl der Grünen auf: »Ich möchte, dass diejenigen, die was für Klimaschutz, für Nachhaltigkeit, für Artenvielfalt tun, wirklich auch gewinnen.« (nzz.ch, 15.5.2021)

Sicher fußt deren Erfolg auch auf der Nützlichkeit als Emotionspartei mit leicht zu steuernder Wählerschaft, die sich via Propaganda zu buchstäblich allem steuern lässt, und sei es noch so widersprüchlich oder, wie viele »grüne« Vorhaben, offen suizidal.

Jedoch, die so laut belachte und nun wirklich nicht zu leugnende »Dummheit« der Grünen ist auf gewisse Weise ein handfester Vorteil, und das nicht nur dann, wenn sie von der Propaganda zu »Menschlichkeit« und »Einer von uns« geframet wird.

Ein traditionell kluger und verantwortlicher Politiker könnte versuchen, alle historischen Zusammenhänge und auch nur entfernt relevanten Kausalitäten zu kennen, sie in Tiefe zu verstehen, und dann Vorschläge zu entwickeln, die zwischen allen gewichtigen Interessen vermitteln und zugleich das Land samt Kultur, Wirtschaft, Sicherheit und Wohlstand nach vorne bringen.

Ein »brilliant dummer« und ansonsten zynischer und gewissenloser Politiker wie Merkel oder eben die Grünen kann und wird alle Fakten und Zusammenhänge ignorieren, und er wird exakt das sagen (und später tun!), was ihm jetzt seine Macht sichert.

Der »brillant dumme« Politiker wird sagen, was er sagen muss, um seine Macht zu sichern, ganz unabhängig davon, ob seine Worte überhaupt etwas bedeuten, ob sie mit der realen Welt korrespondieren (viele Grüne sind weiterhin überzeugt, dass das Fukushima-Reaktorunglück zu zigtausenden Toten führte, dass alle Migranten im Herzen rein und gut sind, et cetera).

Der »brillant dumme« Politiker wird tun, was er tun muss, um seine Macht zu sichern, ganz unabhängig davon, was die mittelfristigen Konsequenzen für Land und Menschen sind (das kann bedeuten, dass er im Geiste »höherer Mächte« und gegen das eigene Volk handelt, während er dieses durch Propaganda fügsam hält).

Der Erfolg der Grünen geht wesentlich auch darauf zurück, dass ihre tatsächliche Dummheit der brillanten Dummheit der Großen und Erfolgreichen ausreichend ähnlich ist.

Indem die Grünen erschreckend wenig wissen und geradezu schmerzhaft unlogisch denken, aber schlicht die Schlagworte wiederholen, die ihre Zielgruppen hören wollen, könnten sie kurzfristig politisch erfolgreicher und effektiver sein als mancher, der sich Fakten, Zusammenhängen und alten Werten verpflichtet fühlt.

Der Dummheit fällt es einfacher

»Der Klügere gibt nach«, so heißt ein Sprichwort, und wir ergänzen es reflexhaft: »deshalb wird die Welt von Dummen regiert.« – Es wäre noch lustiger, wenn es nicht so schmerzhaft wahr wäre.

Wir werden nicht (nur) deshalb von Dummen regiert, weil die Klugen nachgeben (und/oder ihr Leben nicht mit Politik verbringen wollen), sondern weil die Klugen sich verzetteln, während die Dummen fokussiert sind.

Jene biblische Frage also, warum es den Gottlosen und den Bösen so gut geht, die lässt sich beantworten: Wenn du meinst, dass es dem Bösen gut geht, dann bedeutet das zuerst, dass du ähnliche Strukturen wie er als »relevant« empfindest – das ist ja die Voraussetzung dafür, dass du »gut« sagen kannst, um damit deine wie zugleich auch seine Lebensumstände zu beschreiben. (Was du davon aber ableitest, das ist eine neue und persönliche Frage an dich.)

Und auch die neue Frage kennt eine Antwort!

Warum sind die Dummen – oder: einige unter den Dummen – so erfolgreich?

Die Dummen sind erfolgreich, wenn und weil sie ihr Denken und Tun auf das fokussieren, was es braucht, um erfolgreich zu sein.

Ein Zyniker könnte formulieren, und womöglich läge er nicht ganz falsch: Den Dummen fällt es einfacher, klug zu handeln, denn nichts in ihrem Kopf lenkt sie ab.

Was sollen wir also tun, wir, die wir uns für »klug« halten und in jeder Geschichte auch Lehre und Lektion suchen?

Die Lehre ist hier wohl diese: Ihr, die ihr so viele Fakten wisst, werdet endlich klug, und fokussiert euch auf das, was wichtig ist.

Weiterschreiben, Wegner!

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