08.05.2024

China, der Spion und der (andere) Krieg

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten
Ein Mitarbeiter des AfD-EU-Abgeordneten Krah wurde festgenommen, später sein Büro durchsucht. Das auffällige Timing im EU-Wahlkampf? Dass der Verfassungsschutz ihn schon lange kannte? Das sind noch die kleinsten Probleme …

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Der Jurist Maximilian Krah ist EU-Abgeordneter der AfD und auch deren Spitzenkandidat für die EU-Wahl 2024.

Im April 2024 wurde ein aus China stammender Mitarbeiter des Herrn Krah festgenommen. Es geht um »dringenden Tatverdacht« bezüglich der mutmaßlichen Spionage für die Volksrepublik China. Und wie der blanke Zufall es will, erfolgte diese öffentlichkeitswirksame Enttarnung mitten im EU-Wahlkampf (welt.de, 30.4.2024).

Diese Woche, mit genüsslichem zeitlichen Abstand, wurde in Brüssel das Büro jenes Mitarbeiters durchsucht – und damit auch die Büroräume des AfD-Abgeordneten Krah (tagesschau.de, 7.5.2024).

Kollege Reitschuster notierte jüngst (reitschuster.de, 3.5.2024), dass zum Fall des verhafteten deutsch-chinesischen Mitarbeiters eine Backstory existiert, welche die Angelegenheit gleich auf mehrere Weisen in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt.

Der verhaftete AfD-Mitarbeiter war jahrelang SPD-Mitglied. Seit 2007 stand er im Kontakt mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz, später mit dem Verfassungsschutz in Sachsen. Er brach im August 2018 alle Kontakte und eventuelle Zusammenarbeit ab. Der junge Deutsch-Chinese stand vermutlich im Verdacht, ein »Doppelagent« und zuerst seiner chinesischen Heimat gegenüber loyal zu sein.

Dem Bundesamt für Verfassungsschutz war wohl bekannt, dass der Herr sich im Kontakt mit mindestens einem chinesischen Dienst befand.

Ich zitiere Reitschuster: »Die Verfassungsschützer hatten also einen sehr konkreten Verdacht – und statt den Abgeordneten zu warnen und zu schützen, ließen sie alles laufen. Bis kurz vor den EU-Wahlen – wo sie dann plötzlich alles öffentlich machten und damit der AfD massiv schadeten« (ebenda).

Es drängen sich mehrere mögliche Erklärungen für das rätselhafte Schweigen des Verfassungsschutzes auf: Sparte man den Skandal auf, um dessen Aufdeckung im EU-Wahlkampf wirkungsvoll in die Presse zu bringen? Überwachte man durch die Observation des Deutsch-Chinesen auch den AfD-Abgeordneten, quasi als »Beifang«? Wurde der junge Herr gar gezielt eingeschleust?

Jede dieser logischen Möglichkeiten stellt eine »Verschwörungstheorie« dar – und die Erfahrung der letzten Jahre legt natürlich nahe, dass an einer oder mehreren dieser Erklärungen etwas dran sein wird.

Die Wende

So dramatisch es natürlich ist, wenn ein mutmaßlicher Spion hochgenommen wird, so ist es in Wahrheit doch … alltäglich.

Spione sind ein Teil der Menschheitsgeschichte. In 4. Mose 13 lesen wir von israelitischen Spionen in Kanaan. Odysseus kleidete sich wie ein Bettler, um als Spion nach Troja einzudringen. In den chinesischen Chroniken der Drei Reiche lesen wir von manch einer wagemutigen Spionage, beauftragt etwa von Sun Quan, dem Begründer der Wu-Dynastie.

Ausgerechnet die Parteien aber, deren Politik tagtäglich dem einen Ziel zu dienen scheint, Deutschland zu schwächen und die Übernahme durch China vorzubereiten (siehe Essay »Chinas Kolonie« vom 11.7.2020), gebärden sich jetzt sehr dramatisch. Die Oppositionellen seien »Verräter« und »Marionetten« fremder Mächte, so lese ich. Ach, ich weiß gar nicht mehr, wann ich zuletzt einem Politiker seine Empörung abgenommen habe. Ist denn heute wirklich kein Wort mehr heilig oder schrecklich genug, um nicht für billiges Wahlkampfgerassel missbraucht zu werden?

Mich überrascht es nicht, dass China ein paar Spione in Deutschland und dem Rest der Welt hat – im Gegenteil. Anzunehmen, dass China keine Spione in wichtigen Ämtern weltweit positioniert hat – so eine naive These wäre geradezu beleidigend gegenüber China.

Ich habe mit der auffallend lustlos geschürten Aufregung um den ehemaligen Genossen, zu dessen Anstellung in einem AfD-Büro der Verfassungsschutz auffällig lange schwieg, ein anderes Problem, doch auch das hat mit China zu tun – und wie!

Nicht immer Kriegsflugzeuge

Im Essay »Ballons, sehr lustig, bis zuletzt« vom 7.2.2023 schrieb ich: »Das Ziel des Krieges ist nicht der Einsatz von Waffen, sondern die Unterwerfung des Gegners.«

Der Einsatz von Spionen lässt sich als kriegerischer Akt bezeichnen, eine Räuberei und damit ein feindlicher Akt unter Nationen: Man nimmt, was einem nicht zusteht, in diesem Fall geheime Informationen.

Für gewöhnlich verbinden wir mit dem Begriff »Krieg« eher Bilder von Soldaten in Uniform, rollenden Panzern und tieffliegenden Kriegsflugzeugen.

Doch wir kennen auch im Westen schon lange Gedanken wie die des Sun Tzu, wonach der klügste Sieg der ist, für welchen es das Kämpfen gar nicht erst brauchte. Und ähnlich wirksam, wenn nicht sogar weit wirksamer, ist der Sieg in einem Krieg, von dem der Gegner gar nicht erst merkt, dass dieser Krieg ausgekämpft wird.

Chinesisches Denken kennt Konzepte wie die »Drei Kriegsarten« (siehe englische Wikipedia), welche die Steuerung der öffentlichen Meinung und Massenpsychologie, aber auch politische Verträge und das Ausnutzen des Rechtssystems der derart »angegriffenen« Staaten einbezieht.

(Übrigens: In diesem Sinne ließe sich die Asymmetrie zwischen chinesischen und westlichen Möglichkeiten der Investition als eine Art »Kriegshandlung« deuten. Oder wenn etwa X/Twitter in China verboten ist, aber chinesische Offizielle im Westen über X/Twitter ihre Propaganda verbreiten, dann ließe sich das definitiv als Informationskrieg interpretieren, und zwar als stark asymmetrischer Informationskrieg.)

Zu all den »üblichen« weichen Kriegsarten – wie Propaganda zur Demoralisierung des Gegners – und »halbharten« Kriegszügen – wie dem Zerstören technischer Knotenpunkte (siehe engl. Wikipedia) – gesellte sich zuletzt auch der Einsatz künstlicher Intelligenz zur Generierung politisch nützlicher Internet-Videos.

Alles, was ich hier bislang skizzierte, sind nur die bekannten Aspekte chinesischer »nicht-kinetischer Kriegsführung«, und selbst von denen habe ich hier nicht alle erwähnt. In Essays wie »Kassandra und der Stabmixer« vom 26.1.2023 beschrieb ich etwa die chinesische digitale Droge »TikTok«, welche die Gehirne von Kindern fürs ganze Leben beschädigt. Außen vor bleibt hier, weil es (noch) zum Beispiel auf dem amerikanischen Kontinent verbreiteter ist als in Deutschland, in China hergestelltes Fentanyl (apnews.com, 16.4.2024 und dea.gov), eine verheerende Droge, die ganze Straßenzüge und Stadtteile in den USA und Kanada in den Abgrund stößt.

Bislang habe ich »nur« China angeführt, das mit »weichen« kriegerischen Akten den Westen attackiert. Man könnte weitermachen mit ganz anderen Akteuren, etwa gewissen Staaten, die Männer im kriegsfähigen Alter nach Europa bringen. Oder mit außerstaatlichen Akteuren, die zerstörerische Propaganda finanzieren, mutmaßlich mit dem einen Zweck, westliche Familien zu zerstören und so die einheimische Bevölkerung weit effektiver zu schwächen und zu demoralisieren, als es etwa Raketenangriffe könnten.

Eigentlich verständlich

Ja, es ist schlimm, wenn oder dass die Chinesen einen Agenten bei einem AfD-Abgeordneten eingeschleust haben. (Was konnte der eigentlich erforschen, was die NSA oder, räusper, die Hersteller chinesischer Telefone nicht auch so abhören können?)

Doch im Vergleich zu den Dingen, die wirklich passieren, ist ein dem Verfassungsschutz ohnehin bekannter mutmaßlicher kleiner Spion tatsächlich nur ein »Fliegenschiss«, eine Ablenkung, eine Kleinigkeit.

Nicht der eine, mutmaßliche kleine Spion ist das Problem (falls der denn überhaupt einer war). Das Problem ist eine Politik, welche all die viel übleren quasi-kriegerischen Attacken zulässt, als wäre sie blind und dumm. Oder die bei gewissen anderen supranationalen Bedrohungen sogar zum hoch destruktiven und doch legalen Quasi-Kollaborateur wird.

Weiterschreiben, Dushan!

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