Ich bin ein unpolitischer Mensch, und mit »unpolitisch« meine ich, dass ich kein Homo Politicus bin. Nennen Sie mich naiv, aber mich interessieren tatsächlich die Inhalte der Politik – und noch mehr die Menschen, die der Gegenstand dieser Inhalte sind, die Ränkespiele aber, die es zur Durchsetzung von Inhalten (und natürlich zur Versorgung der Inhaltsverbreiter) braucht, die widersprechen meiner persönlichen Deutung jener alten Mahnung, jeden Tag zu nutzen, denn ein jeder Tag ist unwiederbringlich.
»Carpe diem«, so Horaz, »quam minimum credula postero«; zu Deutsch: »Nutze den Tag, und vertraue aufs Morgen so wenig wie möglich.«
Ich vertraue aufs Morgen ja bereits denkbar wenig, doch wenn ich es so deutlich ausgesprochen höre, gerate ich auch wiederum ins Grübeln. Ich will doch, dass Menschen aufs Morgen vertrauen (können), dass irgendwer irgendwo irgendwie aufs Morgen vertraut und dann auch an diesem baut!
Der kategorische Imperativ mag seine Lücken haben (verschiebt er nicht die Frage nach dem guten Handeln auf die Frage nach den guten Maximen?), doch derart plump würde ich mich auch wieder nicht dagegen zu positionieren wagen.
Sprich: Ich will nicht, dass das Desinteresse an politischer Meinungsbildung zur allgemeinen Maxime wird. Ich bin dankbar und froh, dass es Menschen gibt, die es gegen alle Widrigkeit auf sich nehmen, politisch gestalten zu wollen.
Nicht die Glattesten
Am vergangenen Wochenende fand der jüngste Parteitag der Alternative für Deutschland statt.
Zunächst, um aus dem Weg zu schaffen, was die Erkenntnis verhindert: Ich werde mich nicht mit den Kritikpunkten an der Partei beschäftigen, die so komfortabel von den Themen ablenken. Erstens hat die in täglichen Korruptionsvorwürfen watende CDU, welche die gewissenlose Zerstörerin an der Macht hält, alles Recht auf moralisch bepinselten Tadel verspielt. Und wer sonst sollte kritisieren dürfen? Die grünen Deutschlandhasser? Der rote Medienkonzern? Die dunkelrote, umbenannte Partei der Mauermorde? Das quietschbunte Vakuum? Irgendein Propagandist vom Staatsfunk? Ich bitte Sie.
Ich sage ja um des nervösen Himmels Willen nicht, dass an der AfD nichts zu kritisieren wäre! Die Kritik erscheint mir an dieser Stelle jedoch mehr ablenkend als zielführend. Es bleibt dabei: Wenn die Regierung zu kritisieren bedeutet, alles verlieren zu können, werden unter denen, die es dennoch wagen, viele zu finden sein, die wenig zu verlieren haben – und das sind selten die glattesten Gestalten.
Nach diesen ausführlichen, doch meines Erachtens (leider?) notwendigen Vorreden will ich einen bestimmten Inhalt jenes Parteitags näher ausleuchten (nicht aber die Spitzenkandidaten-Abstimmung – sie ändert mein Leben denkbar wenig) – einen Inhalt, der systemtreue Politiker und Journalisten so schön aufregte.
Verdächtige Inhalte
Am Wochenende 10./11. April 2021 hielt die AfD in Dresden ihren 12. Parteitag ab – einen Präsenzparteitag wohlgemerkt, also einen mit tatsächlichen Entscheidungen, nicht einen dieser dann doch lächerlich wirkenden »Videoparteitage«.
Dass jemand dem Merkel-Medien-Komplex grundsätzlich widerspricht und es auch noch ernst meint, das weckt natürlich den heißen Zorn des Systems und seiner vermutlichen (?) Sympathisanten. Herr Poschardt etwa twittert in aufgeregtem Duktus: »Die so genannte AFD hat sich dem rechtsradikalen @BjoernHoecke ergeben« (@ulfposh, 11.4.2021). Es scheint mir inzwischen müßig, die von Journalisten oder inzwischen sogar dem CDU-Mann beim Verfassungsschutz vergebenen Adjektive wie »rechtsradikal« noch zu diskutieren – es sind inzwischen politische Kampfbegriffe (und es bräuchte neue Vokabeln für jene, die es tatsächlich sind – nach heutigem Propagandasprech wäre ja selbst die Merkel von 2002 bekanntlich rechtsradikal zu nennen). Der im selben Tweet verlinkte Text ist aber durchaus aufschlussreich!
»So oft wie nie zuvor bei einem AfD-Bundesparteitag trat Björn Höcke ans Mikrofon«, schreibt Politikredakteur Matthias Kamann (welt.de, 11.4.2021), und wir meinen seine Verärgerung greifen zu können!
Der Parteitag wurde »zum Triumphzug des Björn Höcke«, so erfährt der Leser, »weil Höcke Inhalte vor Personalfragen stellte. Damit trafen er und seine hoch konzentrierten, sehr gut organisierten Anhänger den schwächsten Punkt des weniger radikalen Lagers um Parteichef Jörg Meuthen«. (Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, doch diese Propagandastaat-Stehsatz-Formulierungen wie »radikales Lager« lassen mich inzwischen gähnen – natürlich ohne dass ich dadurch eine inhaltliche Bewertung abgebe.)
Das darf man sich ja auf der Zunge zergehen lassen! Ein Politiker, der Inhalte vor Personalfragen stellt – und noch dazu Inhalte im Sinn und Geist des Amtseides – der ist dadurch schon verdächtig (und wenn er sich noch als unbestechlich herausstellen sollte, wird man ihn bald ganz aus den Parlamenten werfen), dem medialen Establishment kocht das Blut – man fragt sich, wer es ist, der »radikal« ist.
»Wir halten […] für notwendig«
Einer der Inhalte, welche das System und seine Söldner so richtig schön ärgern, ist die neu ins Programm aufgenommene Forderung der AfD nach dem Austritt Deutschlands aus der sogenannten »EU«.
Im neuen Wahlprogramm der AfD soll stehen:
Wir halten einen Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union und die Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft für notwendig. (geplantes AfD-Wahlprogramm, nach welt.de, 11.4.2021)
Der Staatsfunk reagiert, wie man es im Propagandastaat Deutschland eben vom Staatsfunk erwartet. Von »radikalen Forderungen wie einem EU-Austritt Deutschlands« ist die Rede (tagesschau.de, 12.4.2021). Recht offensichtlich legt man den Talking-Points-Teppich für die Bundestagswahl 2021, und wird wohl so häufig wie möglich die Begriffe radikal und AfD zusammen erwähnen.
Die AfD wäre damit ganz offiziell eine »Dexit-Partei«, und das System samt seiner Schleimspursurfer ist denkbar empört, dass einer es auch nur zu sagen wagt – und zugleich gute Chancen hat, diesen »normalen« Gedanken weiter zu verbreiten.
Wie eine Besatzungsmacht
Norbert Bolz formulierte dieser Tage in der ihm eigenen, unnachahmlichen Form:
Das Legitimationsproblem der EU: Man hat das Gefühl, von einer Besatzungsmacht regiert zu werden. (@NorbertBolz, 9.4.2021)
Es waren ja nicht nur Merkel und ihre Treuen, die in der Corona-Krise versagen (außer die Zerstörung Deutschlands ist ihr wahrer Plan, dann natürlich eilt sie von Erfolg zu Erfolg). Die Auslagerung von Impfstoff-Verantwortung an den Brüsseler Apparat der denkbar fragwürdigen Merkel-Parteikollegin von der Leyen war ein weiterer Beleg für das wahre Verhältnis von Deutschland und EU.
Die Brüsseler Bürokratie benimmt sich tatsächlich wie eine Besatzungsmacht (mit Figuren wie Merkel als Statthalter), welche Deutschland auspresst und das Vermögen der Deutschen an Länder verteilt, wo Bürger schon mal weniger arbeiten und früher in Rente gehen, dafür aber mehr Immobilien besitzen.
Macht und Freiheit
Anders als die Politiker und ihre Propagandisten in den Redaktionen will ich präzise Rechenschaft darüber ablegen, was meine Begriffe bedeuten, was ich also meine, wenn ich »Macht« und »Freiheit« sage.
Unter Freiheit verstehe ich die praktische Möglichkeit, eine von verschiedenen Handlungsmöglichkeiten auswählen zu können, und zwar derart, dass man mit seiner Wahl zufrieden ist. (Deshalb fühlt sich ein Mensch, der nur eine Currywurst auswählen kann, aber auch nur eine Currywurst will, durchaus frei; während ein satter Reicher, dem nichts mehr schmeckt, sich bei Kaviar und Champagner wie im goldenen Käfig unfrei fühlen könnte.)
Eine solche Gebrauchs-Definition von Freiheit habe ich schon vor bald vier Jahren im Essay vom 1.11.2017 vorgelegt: »Was meinen Sie, wenn Sie ›Freiheit‹ sagen?« – Heute will ich einen weiteren Begriff mit einer Arbeitsdefinition versehen.
Der Machtbegriff scheint mir mit dem Freiheitsbegriff verknüpft zu sein; etwa derart: Macht ist die praktische Möglichkeit, anderen Menschen die Bedingungen ihrer Freiheit festzulegen.
Der Machthaber bestimmt, was Menschen als ihre Freiheit betrachten können, dürfen und sollen.
Ein Land, in welchem die Menschen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zufrieden sind, wird ein freies Land genannt werden. Freiheit wie auch das Glück brauchen Ordnung, und zur Durchsetzung von Ordnung braucht es ordnende Macht. Der Unterschied zwischen einem unfreien und einem freien Land ist also nicht allein die Präsenz von Macht (eine Anarchie wird keineswegs als frei empfunden), sondern gewisse Qualitäten der Macht.
Grob, aber nicht falsch gesagt: In einem freien Land wird gut Macht ausgeübt, und in einem unfreien Land wird schlecht Macht ausgeübt. Nach unserer Lebenserfahrung gilt es auch umgekehrt: Ein gut regiertes Land wird von seinen Bürgern als ein freies Land empfunden, und ein schlecht regiertes Land wird sich bald unfrei anfühlen.
Moralisch alternativlos
Wenn wir also unsere Begriffe derart präzise offengelegt haben – zumindest weit präziser als Politiker und ihre Propagandisten in den Redaktionen es tun – dürfen wir nun die nächsten Schlüsse ziehen.
Frage: Kann ein deutscher Bürger, kann Deutschland insgesamt begründet zufrieden sein mit der Rolle Deutschlands in der EU? – Ich meine nicht die von der deutschen Propaganda im Nordkorea-Stil befohlene, moralisch erzwungene Zufriedenheit – ich meine eine in der Sache begründete Zufriedenheit. Nein, Deutschland kann nicht zufrieden sein mit seinen Entscheidungsmöglichkeiten und seiner Rolle als EU-Zahltrottel, EU-Generalschuldner und EU-Bürokratenversorger. Das bedeutet aber: Die EU macht Deutschland unfrei – in mehr als einer Hinsicht.
Wenn aber die Macht der EU das Land unfrei macht, wenn zugleich die Grundwerte noch irgendwas gelten sollten und der Amtseid mehr als zynischer Sarkasmus ist, wäre es dann nicht tatsächlich moralisch alternativlos, die Flucht Deutschlands aus dem Einflussbereich der Besatzungsmacht EU an erster Stelle und mit ganzer Kraft anzupeilen?
EU oder Freiheit – tertium non datur, ein Drittes ist nicht gegeben. Wer gegen den »Dexit« ist, der ist gegen die Freiheit Deutschlands. So viel Ehrlichkeit sollte man in der Debatte verlangen dürfen: Wer für den Verbleib Deutschlands im Machtgebiet der Besatzungsmacht EU ist, der ist gegen die Freiheit Deutschlands und damit zuletzt gegen den Fortbestand Deutschlands.
Wurst und Wurstkonzept
Ich bin ein unpolitischer Mensch. Um eine bekannte Metapher zu nutzen: Ich mag die Wurst, doch ich bin dankbar, dass andere die Wurstproduktion übernehmen. (Ich mag Wurst nicht wirklich, ich bin hier nur von einer Metapher über das Entstehen von Gesetzen inspiriert, die Bismarck zugeschrieben wird; siehe jedoch quoteinvestigator.com.)
Nein, ich bin kein Fan politischer Wurstproduktion, doch wenn die »Wurst« dann vorliegt, und sei es nur als »Wurstkonzept«, sprich: Antrag, dann prüfe ich sie gern, und ich – hach, wie gut die Redensart hier greift – gebe natürlich meinen Senf dazu!
Wenn die deutsche Politik sich verpflichtet fühlt, das Wohl des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm fernzuhalten, dann wird sie sich peinlich berührt an den Kopf schlagen, und geschlossen den »Dexit« fordern. Wenn nicht, dann nicht.
Carpe diem, Bürger!
Wäre Deutschland nicht bereits der EU unterworfen, und würde jemand den heutigen Eintritt samt aktueller Zahlungsverpflichtungen anstreben, dann müsste man ihn doch wegen staatsfeindlicher Umtriebe in den Knast werfen!
Tatsächlich leben wir in Zeiten, in denen die Polizei mit Panzerfahrzeugen gegen Demonstranten auffährt und der Verfassungsschutz seinen Chef auswechselt, wenn dieser die tatsächliche Wahrheit über die Lügenwahrheit der Regierung stellt.
Ich finde ja, und natürlich muss das jeder mit seinem eigenen Gewissen klären, dass das moralische Elend der politisch-medialen Klasse kein Grund ist, nicht selbst seinem Gewissen zu folgen – im Gegenteil!
Carpe diem, nutze den Tag, so heißt es – und für mich bedeutet das eben auch: Lass keinen Tag »gewissenlos« zu Ende gehen!
Folgt euren Gewissen, doch bleibt stets vorsichtig – der Rest ergibt sich. Was wäre denn die Alternative?