Meine Damen und Herren, nach gründlicher Überprüfung dürfen wir sagen: Herr Kretschmann ist ein Einzelfall.
Laut dem Duden (duden.de) ist ein »Einzellfall« ein »konkreter, einzelner Fall (der jeweils individuell zu beurteilen oder zu behandeln ist)« oder »etwas, was eine Ausnahme darstellt, was nicht die Regel ist«.
Herr Kretschmann ist Grüner, und er ist Ministerpräsident von Baden-Württemberg.
Und Herr Kretschmann ist insofern ein »konkreter, einzelner Fall«, als er noch unironisch das Wort »Einzelfall« benutzt.
Ganz aktuell wird Herr Kretschmann damit zitiert, dass die jungen Männer, die in toleranten Städten die Freibäder zu Schlachtfeldern machen, allesamt »Einzelfälle« sind (welt.de, 24.7.2023).
Ja, richtig: »Einzelfälle«.
Ich dachte ja, es hätte sich nun wirklich in ganz Deutschland herumgesprochen, dass der Begriff »Einzelfälle« nur noch sarkastisch, ironisch benutzt werden kann.
Wohl nicht beim Grünen Kretschmann.
Ich habe Fragen zum Begriff!
Etwa: Wenn 40 junge Männer aus einer eventorientierten Kultur sich im Freibad prügeln, um den anwesenden Bikinidamen zu zeigen, was für ein Mannsbild man doch ist – ist das nun ein extragroßer Einzelfall oder sind das 40 einzelne Einzelfälle?
Ob einem Bademeister ein Zahn ausgeschlagen wird oder der sich gar nicht mehr unter die Meute traut, dafür aber die Polizei regelmäßig den Badetag auflösen muss – ist das nun pro Einsatz ein Einzelfall oder pro krankgeschriebenem Bademeister?
Einzelfall Kretschmann sagt nicht nur nur lustige Worte wie »Einzelfall«, er ist auch sonst auf dem Stand von 2015 – oder vielleicht sogar 1968.
Ein Zitat: »Es geht darum, dass wir grundsätzlich die Ursachen für diese Aggressionen und Übergriffe herausfinden und bekämpfen.« (ebenda)
Die »Ursachen« herausfinden, warum diese Herren prügeln? Wirklich?
Will Herr Kretschmann die prügelnden Herren zum Gesprächskreis einladen, bei Lavendeltee und Biokeksen über frühkindliche Traumata reden?
Ist ja eigentlich auch egal, jetzt sind sie nun einmal da, wie Kretschmanns Parteigenossin im Geiste gesagt hätte.
Ja, Herr Kretschmann ist insofern ein Einzelfall, als er wirklich noch das Wort »Einzelfall« sagt.
Tatsächlich aber erinnert er mich an die vielen Politiker, die nicht mitbekommen, was in unserer Realität passiert.
Die eigentlichen Fragen sind ja: Bekommen die es nicht mit, weil sie es wirklich nicht sehen können?
Oder bekommen die es nicht mit, weil es ihnen egal ist?
Oder sehen die nicht, was geschieht, weil sie dafür bezahlt werden, es nicht zu sehen?
Vielleicht ein wenig von allem.
»Wir nehmen diese Vorfälle sehr ernst«, sagt Herr Kretschmann.
Und wir sollten sehr ernst nehmen, dass Politiker nicht wissen, oder so tun, als wüssten sie es nicht, was in der Realität passiert.
Solange wir noch wählen können – und für den Fall, dass Wahlen doch etwas verändern könnten –, sollten wir versuchen, diese Politiker sehr ernsthaft auszutauschen.
Die Politik will die »Ursachen für diese Aggressionen und Übergriffe herausfinden und bekämpfen«.
Wir haben sie doch längst gefunden, diese Ursachen. Sie sitzen in Amt und Würden, und sie reden von »Einzelfällen«.
Ja, jetzt gilt es, diese Ursachen zu bekämpfen, ob sie nun Einzelfälle oder ganze Parteien sind.