Eine meiner liebsten Metaphern: Vom Zehnmeterbrett springen, und sich darauf verlassen, dass, während du fällst, der Pool darunter sich mit Wasser auffüllt.
Noch ein Beispiel: Zwei Leute fliegen in die Ferne. Einer davon fährt in den Urlaub, All-Inclusive in der Hotelanlage. Der andere hat erstmal nur ein Hinflug-Ticket und etwas Bargeld, reist in eine fremde, wilde Stadt, dort will er weiterschauen und die nächsten Schritte überleben.
Wer von beiden ist vernünftiger? Wer wird mit größerer Sicherheit gesund und wohlbehalten zurückkehren? – Der Erste der beiden, klar.
Doch wer von beiden wird, falls er überhaupt überlebt, die interessanteren Geschichten zu berichten haben? Natürlich der Zweite!
Text zu Film
Als ich beschloss, Essays unter meinem Namen zu veröffentlichen, und den arbeitenden Teil meines Lebens um diese Essays zu bauen, das fühlte sich an wie ein Sprung vom Zehnmeterbrett – in der Hoffnung, dass sich schon noch das Wasser findet, um das Schwimmbecken darunter aufzufüllen. (Danke übrigens für Ihre Leserbeiträge!)
Allerdings, so »mutig« diese ganze Unternehmung mir vorkommen mag, in einer Hinsicht hatte ich bislang noch immer Stützgeländer: Nichts, was ich tat, war live.
Im Gegenteil!
Jeder Satz, den Sie von mir lesen, brauchte mehrere Anläufe. Meine Backspacetaste leistet nicht weniger Arbeit als die Leerstellentaste. Ganze Blöcke verschwinden. Vier von fünf Ideen taugen noch weniger als die fünfte.
Das erste Ergebnis ist dann erst die Rohfassung. Die lege ich den Korrektoren vor, und die polieren den Text dann zu Ende, immer mit dem einen Ziel, dem Leser einen Text vorzulegen, in dem jeder Satz seine Existenz rechtfertigen kann.
Manchmal lese ich den Text auch als YouTube-Video vor, aber auch das ist vorbereitet und kontrolliert.
Diese Woche war es nun für mich an der Zeit, einen weiteren Sprung vom Zehnmeterbrett zu unternehmen, hoffend, dass sich das Wasser darunter schon noch im Becken findet!
Das Video
Ein Projekt namens »Nuoviso« hatte mich angefragt. Ich sollte im Rahmen eines Zoom-Interviews – Formatname: »Home Office« – interviewt werden. Es wird zwar nicht live gesendet, aber doch so, wie es in den eineinhalb Stunden aufgenommen wurde.
Live interviewt zu werden, das ist sehr anders, als einen Text zu schreiben. Wenn ich einen Text schreibe und das nächste Wort abwäge, pausiere ich eben. Im Interview dagegen – so stelle ich fest – sage ich an der Stelle »emmmm«. (Das sollte ich mir abgewöhnen.)
Wenn ich beim Schreiben meinen nächsten Gedanken zurechtlege, stehe ich schon mal auf, mache mir einen Tee oder kraule den Hund. (Er kommt im Video vor!)
Im Interview aber, wenn ich über eine Frage nachdenke, wenige Sekunden lang, beschweren sich die Leute in den Kommentaren über dieses »affektierte Getue« – und genug andere finden gut, dass jemand mal nachdenkt.
Ich kann nun sagen: Interviewed zu werden ist eine merkwürdige Mischung aus erstem Entwurf und fertigem Text.
Und so ist es mir eine große Freude, liebe Leser, Ihnen das erste Interview mit mir vorzulegen!
Ich wünsche Ihnen und mir gute Erfolge, immer wieder, bei unseren »Sprüngen vom Zehnmeterbrett« – möge sich stets rechtzeitig genügend Wasser im Becken finden!
