Lass den Politiker nur lang genug reden, lass ihn schwätzen und sich im Klang der eigenen Worte baden, dann sagt er dir aus Versehen auch mal die Wahrheit.
Vom Immobilienprofi Jens Spahn kursiert dieser Tage ein charmantes Video von einem Auftritt am 19.8.2021 in Herrenberg (siehe etwa @rosenbusch, 24.8.2021).
Der neue Lieblingsspruch des ehrenwerten Herrn Spahn scheint derzeit zu sein: »Wir impfen Deutschland zurück in die Freiheit.«
Dieser Gedanke, dass Deutschland und die Deutschen etwas für ihre Freiheit bringen müssen, woher hat er ihn?
Diefenbach oder Forel?
Vielleicht hat Herr Spahn zwischen zwei Immobiliendeals genug Zeit zum Lesen gefunden und ließ sich von Lorenz Diefenbach inspirieren (1805-1883, siehe Wikipedia). Oder er las auf Französisch bei Auguste Forel nach, über die »Ameisen der Schweiz« (siehe archive.org). Es ist ja vielleicht sogar denkmöglich, dass Herr Spahn die Tugenden des Calvinismus entdeckt hat! All diese Instanzen implizieren ja, dass die Freiheit und letztendlich die Erlösung etwas seien, das sich der Mensch durch Leistung erst verdienen müsse – und heute ist diese Leistung eben eine »Impfung« (Propaganda-Sprache für Umprogrammierung von Körperzellen durch mRNA).
Woher auch immer der Mann mit den schönen Haaren und dem ehrlichen Gebaren seine neue Weisheit hat, es ist auf jeden Fall ein messianischer Zungenschlag zu hören, wenn er verkündet: »Ich sage Ihnen: Wenn Sie sich alle nicht impfen lassen, geht’s nicht vorbei.«
Und dann spricht er etwas aus, dessen Aussprechen eigentlich zuerst ein Beleg dafür ist, wie hundedreckegal der politischen Klasse im Propagandastaat es ist, wie die Wirkung ihrer Worte in einer aufgeklärten Demokratie wären:
Wir reden hier nicht über Wahrheiten. Wir verkünden auch keine Wahrheiten. In der Politik geht’s nicht um Wahrheiten. (Jens Spahn am 19.8.2021)
Wenn es aber nicht um Wahrheit geht in der Politik, worum geht es dann?
Sagen wir es gleich und geradeheraus: Es geht um Macht.
Nur ein Gradmesser
Es geht nicht um Wahrheit, so viel immerhin ist wahr – es liegt etwas Paradoxes in dieser Aussage, fast so wie wenn ein Politiker sagte: »Alle Politiker lügen.« (Ja, wir referieren hier aufs Paradoxon des Epimenides: »Epimenides der Kreter sagte: Alle Kreter sind Lügner.«; siehe Wikipedia)
Es geht nicht um Wahrheiten (interessant, dass der Herr Politiker einen Plural von Wahrheit kennt), und es geht gerade einem »Gesundheitsminister«, der gefährliches Zeug in Kinder stechen lassen will, offenkundig auch nicht um Wahrheit oder andere gute Werte. Worum geht es dann? Geht es »nur« um Geld?
Nein, Geld ist »nur« ein Gradmesser.
Es geht um Macht (ja, das ist ein neuer T-Shirt-Spruch), und mit »Macht« meinen wir nicht »nur« Geld, sondern zuerst die Möglichkeit, den eigenen Willen zum Willen der Masse und derer Hirten zu machen (hier der obligatorische House-of-Cards-Verweis) – um Macht mit allen denkbaren Konsequenzen für die Masse und die Einzelnen in der Masse.
Die Hosen zu voll
Reich zu werden als Politiker ohne Qualifikation, ohne erkennbaren Nutzen fürs Land, ohne für irgendetwas verantwortlich zu sein, das zu können und dürfen ist ein Ergebnis, ja, eine Begleiterscheinung der Macht.
Den Kindern anderer Leute eine Gentherapie in den Körper zwingen zu können, unabhängig von akuten Fragen dazu, ob und wie diese überhaupt wirkt, das ist Macht.
Recht und Anstand ignorieren zu können, Recht und Anstand von anderen einzufordern, während man dem Gegner immerzu mit der großen Nazikeule droht, sich selbst aber rhetorisch in deren allerdunkelstem Kapitel zu bedienen scheint, dabei wissend, dass die allermeisten Journalisten die Hosen zu voll haben, darauf hinzuweisen, ja, das ist wohl Macht.
Wir sind an einem Punkt der neudeutschen Geschichte angelangt, an welchem die Regierung den Bürger spüren lässt, wie mächtig sie ist und wie wenig sie der Widerspruch kümmert – und indem die Bürger der Regierung das durchgehen lassen, wächst die Macht eben dieser Regierung weiter an (in anderen Ländern gehen die Menschen derweil wöchentlich zu vielen Tausend auf die Straßen – und wenn man etwa indianexpress.com, 21.8.2021 liest, erfährt man auch in Deutschland etwas darüber).
Gar nicht erst hergeben
Ja, von Zeit zu Zeit sollten wir die-da-oben so lange reden lassen, bis sie uns aus Versehen sagen, was sie wirklich denken, was sie wirklich planen. Lasst sie reden, bis die Schlangen aus den Mördergruben an die Oberfläche kriechen und dass Zischen laut genug hörbar wird.
Wenn man die Mächtigen lang genug reden lässt, sagen sie manchmal aus Versehen die Wahrheit – und heute gestehen sie, dass die Wahrheit sie wenig kümmert.
Es geht um Macht. Der Politik (und manchem »Privatpolitiker« in seinem Alltag…) geht es zuerst und zuletzt um Macht. Die wollen uns am Seil unserer Machtlosigkeit knebeln, fesseln, um den Block schleifen.
Ich aber will die Macht über mein Leben zurück. Ich will die Macht über mein Leben behalten – ich will die Macht über mein Leben gar nicht erst hergeben.
Denen geht es um die Macht über mich.
Mir auch.