Dushan-Wegner

03.10.2023

Eva, weine doch nicht!

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten
»Jedenfalls bin ich nur froh, dass sie jetzt die Atombombe erfunden haben. Wenn es wieder Krieg gibt, setze ich mich gleich oben auf die Bombe. Ich melde mich als Freiwilliger dafür, das schwöre ich.« (J.D. Salinger, Der Fänger im Roggen)
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»Adam, du hast doch wieder mit der Nachbarin geschäkert. Ich habe es genau gesehen!«

»Eva, wir haben keine Nachbarn, und damit auch keine Nachbarin. Wir sind die ersten und bislang einzigen Menschen.«

»Aber, wenn wir Nachbarn hätten, und wenn die Nachbarin dich auf eine süße Kleinigkeit eingeladen hätte, sagen wir auf einen Apfel, dann würdest du doch hingehen?«

»Auf einen Apfel, Eva? Wie kommst du auf einen Apfel?«

»Adam, du hast nicht gleich ›Nein‹ gesagt! Du willst wohl erst wissen, ob der Apfel auch knackig ist? Und bestimmt, ob die Nachbarin ebenfalls knackig ist, diese Schlange!«

»Ach, Eva, du denkst dir wieder etwas aus, und dann machst du einen Krieg daraus. Was ist wirklich los?«

»Nichts, wenn du schon fragen musst.«

»Okay.«

»Adam, was ist Krieg?«

»Warum?«

»Du hast gesagt, dass ich Krieg beginnen will. Was ist das also, dieser Krieg?«

»Das meinte ich metaphorisch.«

»Ach so.«

»Eva, ich muss gleich noch nach den Katzen im Garten schauen.«

»Adam, was bedeutet metaphorisch?«

»Eva, du hast doch eben ›Ach so‹ gesagt, als ich das Wort benutzte!«

»Ich wollte keinen Krieg.«

»Du weißt also doch, was Krieg ist?«

»Was stimmt denn mit den Katzen nicht?«

»Also, bei den Katzen gibt es wohl einige, die andere Geräusche machen als die anderen. Weniger ›Miau‹. Mehr so ›Wau, wau‹. Oder ›Wuff, wuff‹ natürlich, falls es amerikanische Katzen sind.«

»Schön, verschiedene Katzen! Alle vom lieben Herrgott in ihrer jeweiligen Einzigartigkeit erschaffen.«

»Was auch immer er sich dabei gedacht hat, der Herrgott! Die Katzen, die ›Wau‹ machen, und die Katzen, die ›Miau‹ machen, sie kämpfen ständig gegeneinander. Die Wau-Katzen attackieren die Miau-Katzen, wollen sie zerbeißen. Oder sie wollen zumindest so laut ›Wau‹ machen, dass alle sich erschrecken, die das hören, sogar ich. Die Miau-Katzen machen dann einen Buckel, zischen und fauchen und rennen den nächsten Baum hoch, als wäre da nichts weiter bei. Die Wau-Katzen rennen bis untern Baum hinterher, und sie machen weiter laut ›Wau‹, doch den Baum kommen sie einfach nicht hoch.«

»Hmm.«

»Ja, Eva?«

»Kann man sagen, die Katzen führen Krieg?«

»Auf gewisse Weise, ja.«

»Weißt du was, Adam? Vielleicht sind die Wau-Katzen gar keine Katzen!«

»Ach was, Eva. Wenn die Wau-Katzen keine Katzen wären, wären sie damit auch keine Wau-Katzen, denn das ist eine Unterkategorie von Katzen. Das sagt doch schon die Logik, und die ist noch älter als der liebe Herrgott. Was wären sie denn sonst?«

»Adam?«

»Ja, Eva?«

»Was würde denn passieren, wenn eine Miau-Katze mal nicht schnell genug den Baum hochläuft, und die attackierende Wau-Katze fängt sie?«

»Dann würde, fürchte ich, Eva, die eine Katze die andere töten.«

»Adam, was ist Töten? Ist das dasselbe wie Krieg?«

»Ich glaube ja, Eva. Ich weiß es nicht genau.«

»Sag mal, Adam, wir beide werden doch mal Kinder haben, so wie die Tiere auch Kinder haben.«

»…«

»Adam, Warum sagst du nichts?«

»Ja, sicher, Eva. Metaphorisch.«

»Nein, Adam, ›metaphorisch‹ ergibt keinen Sinn hier. Ich meine so richtig. Irgendwann, vielleicht bald, werden auch wir Kinder haben, so wie die Löwen und die Lämmer und eben auch die Katzen. Die haben alle Kinder!«

»Aha.«

»Ja, Adam, und dann wird es ja weitere Menschen außer uns geben. Das ist doch richtig, Adam?«

»Ja, das ist theoretisch richtig. Aber warum weinst du? Eva, weine doch nicht!«

»Adam?«

»Ja, Eva? Hier, lass mich dein Tränlein von der Wange wischen! Viele Kinder werden wir haben, die allerliebsten Menschlein!«

»Ja, ich weiß, Adam. Doch eine Frage habe ich. Meinst du …?«

»Was, Eva?«

»Meinst du, Adam, die Menschen werden auch Krieg führen? So wie die Wau-Katzen und die Miau-Katzen manchmal Krieg führen?«

»Ach, Eva! Was denkst du wieder nur für Sachen! Die Menschen werden doch keinen Krieg führen. Die Menschen werden klug sein, und wer klug ist, der ist auch friedlich. Die Menschen können doch reden, und wer reden kann, der führt keinen Krieg.«

»Und die Menschen werden nicht einander töten? Niemals?«

»Bestimmt nicht. Vielleicht in tausend Jahren, wenn es mal ein Missverständnis geben sollte. Und auch das gewiss nicht absichtlich und nur sehr selten.«

»Und Nachbarn? Werden auch Nachbarn keinen Krieg führen? Metaphorisch oder richtig?«

»Ach, Eva, gerade Nachbarn können ja alles am Gartenzaun besprechen!«

»…«

»Woran denkst du, Eva?«

»Unsere Kinder, Adam, werden auch die gewiss keinen Krieg führen? Wird da gewiss keiner den anderen töten?«

»Aber, aber, Eva! Unsere Kinder werden voller Liebe füreinander sein, sie werden ja aus unserer Liebe geboren sein. Und ich verspreche dir, Eva, die Menschheit wird sich, solange sie existiert, ein Beispiel an unseren Kindern nehmen.«

»Und mit der Nachbarin wirst du auch nicht schäkern?«

»Auf keinen Fall, Eva, mein Schatz, selbst wenn sie ein Engel wäre!«

»Danke dir, Adam. Ich liebe dich! Lass mich dir von den Äpfeln erzählen!«

»Eva, ich liebe dich doch auch! Was ist mit den Äpfeln?«

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