Eine Szene, als Beispiel: Ein paar »Freunde« im Raum. Obwohl, »Freunde« ist ein zu starkes Wort. »Schicksalsgemeinschaft« wäre richtig, klingt aber heutzutage arg dramatisch. Einfach ein paar Leute – ihr wisst schon, was ich meine.
Es ist recht kühl in dem Raum. Der Grund für die zugige Kälte ist offensichtlich: Das Fenster steht sperrangelweit offen, und draußen ist es kalt.
Jemand sagt: »Lass uns das Fenster schließen, damit die Kälte nicht so reinzieht.«
Einer der Leute im Raum heißt »Norbert«. Und Norbert sagt: »Nein! Wir lassen das Fenster offen.«
Also lässt René das Fenster offen.
Man muss nämlich wissen, dass René der »starke Mann« in dieser Gruppe ist. Was getan werden soll, das tut René. Aus Gründen, die wohl das Geheimnis der beiden bleiben sollen, bestimmt immer nur Norbert, was getan wird – ganz egal, was die anderen in der Gruppe wollen.
Jemand weist René zart darauf hin: »René, draußen ist es kalt. Wenn wir das Fenster offen stehen lassen, wird es auch im Raum immer kälter werden.«
Ein Mädchen in der Gruppe, nennen wir sie »Denise«, sagt schüchtern: »Mir wird sehr kalt. Können wir vielleicht nicht doch das Fenster schließen? Eine Weile nur?«
René ist unschlüssig, will schon aufstehen, um das Fenster zu schließen. Aber Norbert knurrt sie beide an. René setzt sich wieder hin.
Das Fenster bleibt offen, und es wird immer kälter.
Martin ist ein weiteres Mitglied dieser Schicksalsgemeinschaft, die sich an guten Tagen »Freunde« zu nennen pflegte.
Auch ihm wird kalt, doch aus seinen eigenen, privaten Gründen ist es ihm wichtig, René zu gefallen. Er tut erst mal nichts.
Denise zittert vor Kälte, ihre Lippen werden blau.
Also versucht Denise es noch einmal: »Können wir nicht doch vielleicht überlegen, das Fenster zu schließen?«
Da blafft Martin die Denise an: »Was erlaubst du dir in deinem Egoismus? Das Fenster bleibt offen! Ich verstehe deinen Hass auf das Fenster nicht. Und überhaupt, was hast du zu sagen?! Du siehst doch, wir sind mehr.«
Einige Stunden später ist Denise ernsthaft erkrankt. Sie hustet und hat Fieber. Mit letzter Kraft fragt sie leise: »Vielleicht … das Fenster?«
Martin schaut zu René. René schaut zu Norbert. Norbert schüttelt den Kopf. René schüttelt den Kopf. Martin blafft Denise an: »Nein – und jetzt schweig!«
Denise stirbt.
Verhältnismäßig schuldig
Es ist offensichtlich, dass Denise als Folge der zugigen Kälte starb. Doch Verantwortung für Handlungen tragen Menschen.
Ich frage euch also: Ist Norbert verantwortlich, als unscharfe Macht im Hintergrund? Ist René verantwortlich, der starke Mann von Norberts Gnaden? Oder ist Martin verantwortlich, der willige Untertan?
Ich bin auf eure Deutung gespannt. Letztendlich ist gerade moralische Schuld eine Frage der persönlichen Gewichtung. Entgegen der Behauptung von Dogmatikern, Propaganda und schlechten Philosophen sind ethische Werte nicht absolut, sondern relativ und eine Frage der Deutung. (Für nähere Ausführungen hierzu empfehle ich »Relevante Strukturen«.)
Ich will euch meine Deutung der Schuld geben: Alle drei, Norbert, René und Martin, tragen Schuld am Tod von Denise. Es war eine Tötung als Gruppe, »Teamarbeit« gewissermaßen.
Situativ jeweilige Unschuld
Ich bin mir jedoch sicher, dass keiner von den Dreien sich schuldig fühlen wird.
Die werden sagen, der Tod von Denise sei eben Schicksal gewesen.
René wird sagen, es sei ihm egal, ob er schuld sei an der Kälte, jetzt sei das Fenster nun mal offen gewesen. Überhaupt, so wird man sich einig sein, sei Denise mit ihrer nörgeligen Art super nervig gewesen.
Genug aber des Beispiels, genug der Ethik und der Moral.
Kommen wir zu etwas ganz anderem, zu etwas ohne jede Ethik oder Moral – kommen wir zu den Nachrichten des Tages.
Ich erspare uns an dieser Stelle die (via einfacher Suchabfrage leicht zu erstellende) Liste aktueller Messerangriffe. Es genügt, wenn ich sage: Ethisch gedeutet, hat bei den meisten Messerattacken jeder einzelne Gegen-Rechts-Bürger mitgestochen.
Über Messerattacken sprechen Medien inzwischen vor allem statistisch zusammenfassend.
»Messerattacken in Berlin nehmen wieder zu«, so lesen wir. – Ach Moment, das ist eine ältere Meldung, nämlich t-online.de, 13.12.2022.
Okay, eine neuere Meldung: »Alarmierende Zahlen aus der Hauptstadt. Jeden Tag werden Menschen mit einem Messer angegriffen – durchschnittlich neun pro Tag! Mehr als die Hälfte der Messerstecher haben keine deutsche Staatsangehörigkeit.« – Ach nee, das ist aus dem vergangenen Jahr, nämlich bild.de, 17.3.2023.
Doch wir haben auch etwas ganz Aktuelles, aus dieser Woche: »Alarmierende Kriminalität: Zahl der Messerattacken knallt rauf« und: »In mehr als der Hälfte aller Vorfälle (51 Prozent) hatten die Tatverdächtigen 2023 keine deutsche Staatsbürgerschaft.« (bild.de, 6.2.2024).
Lügen und leugnen
Der Unterschied zwischen »Rechts« und »Links« in Deutschland ist auch, dass »Rechte« diese Ereignisse ehrlich benennen und diesen Missstand abstellen möchten, während »Linke« diese Ereignisse leugnen und aktiv forcieren.
Die sogenannten Guten werden bestreiten, dass in unserem Beispiel die durch das offene Fenster verursachte Kälte dazu führen wird, dass Denise sich erkältet und stirbt. Und wenn man diese Leute darauf hinweist, reagieren sie mit Leugnung, Ächtung oder offener Gewalt.
Wenn aber Denise stirbt, werden diese »Guten« sagen, sie seien gegen das Schließen des Fensters und zugleich gegen den Tod von Denise gewesen.
Es ist ein bewusster Widerspruch, und damit eine Lüge. Das Weltbild der »Guten« ist auf Lügen gebaut. Als in unserem Beispiel absehbar war, dass der kalte Luftzug die Erkrankung von Denise zur Folge haben würde, war ebenfalls klar: Gegen das Schließen des Fensters zu sein bedeutete, praktisch für den Tod des Mädchens Denise zu sein – völlig unabhängig davon, was derjenige in Worten sagte.
Wer heute gegen Rechts ist, der ist moralisch und praktisch für Messergewalt und übrigens auch für Antisemitismus. Jede andere Behauptung ist bestenfalls ein Irrtum – und nicht selten eine Propagandalüge.
Viele Martins gegen das Leben
Wir leben mit erschreckend vielen Martins zusammen, die, in unserem Beispiel gesprochen, willig den Tod von Denise in Kauf nehmen werden, wenn Norbert es so wünscht und René es bewerkstelligt.
Ich schrieb 2020 einen Essay mit dem Titel »Gegen Links, für die Menschlichkeit«, und die letzten Worte jenes Textes lauteten: »Ich bin gegen Links, weil ich Verstand und Gewissen habe.«
Es bleibt definitiv dabei, es ist richtiger denn je, und ich kann heute in aller Deutlichkeit aussprechen: Ich bin gegen jene Mitglieder unserer »Schicksalsgemeinschaft«, die »gegen Rechts« sind, denn die haben ethisch gedeutet mitgestochen, mitgeprügelt, mitgetötet.
Ich bin gegen die, die »gegen Rechts« sind, denn ich bin für das Leben, für das Menschsein, für das Recht jedes Einzelnen zu leben und seine Variante von Glück zu suchen.