Dushan-Wegner

20.03.2024

Wofür kämpfen deutsche Soldaten?

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten
Soldaten sehnen sich nach der Heimat. Soldaten schreiben Briefe in die Heimat und fahren auf Heimaturlaub. Die Heimat ist es, welche die Soldaten zum Durchhalten motiviert. Doch wofür kämpfen Soldaten, deren Land ihnen keine Heimat sein darf?
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Würden Sie für Deutschland kämpfen? Ich meine, so mit Waffe und Schießen und Leben nehmen und Leben geben und so?

Es gab eine Zeit und es gab Orte, in welcher man diese Frage ganz selbstverständlich beantwortet hätte. Oder zumindest die meisten Bürger.

Okay, ich zähle zu den Leuten, die verweigert hatten. Was hatte ich verweigert? Den Kriegsdienst hatte ich verweigert.

Ja, so hieß das: Kriegsdienst.

Dient der Soldat dem Land oder dient er dem Krieg? Semantisches Hühnerklein. Fest steht, dass er an der Waffe dient.

Schrecklich, jaja

Den Krieg betreffend bin ich ein Theoretiker, doch ich kenne Praktiker. Ich habe aus erster Hand Berichte vom Krieg gehört. Vom Töten. Davon, wie es ist, wenn der Jugendfreund getötet wird. Dass eine Kugel ihn trifft, seine Eingeweide zerfetzt, das alles so nah, dass man noch des Freundes Ärmel hätte halten können, dass man ihn hätte wegziehen können, wenn Menschen nur herannahende Kugeln rechtzeitig sehen könnten.

Krieg ist schrecklich, jaja. Und doch finden sich immer wieder Menschen, die bereit sind, den Krieg als Soldat auf sich zu nehmen. Nicht zwangsrekrutiert, sondern freiwillig, mit Hurra und Überzeugung.

Einige derer, die sich zum Kriegsdienst melden, tun dies aus einer Berechnung von Wahrscheinlichkeiten. Wer den Kriegsdienst geistig und körperlich überlebt, dem winken unter bestimmten Umständen gewisse Vorteile. Früher konnten das die Rechte an einem Stück Land sein. Heute kann es ein Studium sein oder auch – nicht zu unterschätzen – wichtige Beziehungen.

Kampfbereit aus Überzeugung

Doch zu allen Zeiten gab es auch Menschen, die aus Überzeugung kämpften. Und einige waren sich auch des Risikos bewusst, manche mehr, manche weniger.

In unserer Sprache hier: Der Mensch ist bereit für eine Struktur zu kämpfen, wenn sie für ihn relevant ist.

Je relevanter eine Struktur dir ist, desto eher bist du bereit, für diese Struktur dein Leben zu riskieren.

Der Klassiker: Ein Vater, der keine Sekunde zögert, seine Kinder gegen einen zähnefletschenden Hund zu verteidigen.

Und es gibt Menschen – zumeist Männer –, die sind bereit, ihr Vaterland mit der Waffe in der Hand zu verteidigen.

Sterben für Deutschland?

In diesen Tagen nun, wo es aus allen Ecken heißt, dass Krieg am Horizont steht, wird auch in Deutschland wieder diskutiert, ob Deutsche sich bereit machen sollen, ihr Land als Soldaten zu verteidigen.

Würdet ihr für Deutschland kämpfen? Würdet ihr eine Waffe in die Hand nehmen, würdet ihr töten? Wärt ihr bereit, für Deutschland zu sterben?

Diese direkten Fragen aber implizieren einige wichtige Prämissen. Und sie provozieren eine Reihe weiterer Fragen.

Eine Frage zur Prämisse: Dieses Deutschland, für das gekämpft werden soll, was ist das überhaupt?

Ist es ein Land? Ein Land braucht eine Grenze, die auch bewacht und verteidigt wird. Aber nach Deutschland darf jeder kommen, der an der Grenze einmal »Asyl« und »Syria« sagt.

»Er hat ›deutsches Volk‹ gesagt!«

Menschen sind motiviert, für die Gruppe von Menschen zu kämpfen, zu der sie gehören. Das ist uns angeboren, die Evolution und damit unsere Psyche wollen das so.

In einem Krieg kämpft man nur indirekt »für seine Familie«. Man kämpft für ein Volk.

Doch für welches »Volk« soll der deutsche Soldat kämpfen? »Der deutsche Soldat kämpft für das deutsche Volk« – das bloße Aussprechen eines solchen Satzes lässt uns fast schon das Klopfen der Polizei hören: »Tür aufmachen! Hausdurchsuchung! Sie haben ›deutsch‹, ›Volk‹ und ›Soldat‹ in einem Satz gesagt!«

Man mag von den alten Zeiten denken, was man will, doch es hat einen Grund, warum der Ausdruck »Heimat- und Soldatenlieder« genau so lautet. Es hat seinen Grund, warum Soldaten wehmütig von der Heimat singen. Warum Soldaten ihre Briefe und heute wohl E-Mails in die Heimat schreiben. Warum Soldaten das Jahr über vom Heimaturlaub träumen.

Heimat motiviert

Der Kriegseinsatz geschieht meist in der Ferne. Die Ferne heißt Ferne, weil sie fern der Heimat ist. Es ist die Heimat, die den Soldaten im Krieg motiviert hält.

Doch was motiviert einen Soldaten, der seine Heimat nicht »Heimat« nennen darf?

Für wen Deutschland nicht nur ein Ort und eine Verwaltungseinheit ist, für wen Deutschland auch und zentral so etwas wie »Heimat«, der ist ja quasi schon rechtsextrem – und rechtsextreme Soldaten will man doch nicht.

Es ist selten wirklich Pflicht, die einen Menschen treibt, sein Leben mutig zu riskieren und, wenn es sein muss, einen anderen Menschen zu töten. Wenn einer eigentlich einen ganz anderen Beruf hat, aber sich freiwillig meldet, dann ist es Liebe. Oder Hass.

Ohne Wofür bleibt nur Wogegen

Wenn Heimatliebe aber de facto ein Verbrechen ist, also Liebe als Antrieb des deutschen Soldaten wegfällt, dann bleibt nur der Hass. Was für Soldaten, was für Monster sollten das sein, die nicht von Liebe zur Heimat getrieben sind, sondern vom Hass auf … worauf eigentlich? Wir wollen es gar nicht aussprechen.

Wenn es kein Land gibt, für das zu kämpfen die Menschen bereit sind, kein Volk, keine Heimat, keine gemeinsame Geschichte, dann haben nicht nur die Soldaten ein Motivationsproblem.

Wir unterschätzen die Bedeutung von Heimat. Politiker unterschätzen sie. Wir selbst unterschätzen die Bedeutung von Heimat in eigener Sache.

Wo die Heimat ist

Die tschechische Nationalhymne heißt und beginnt mit »Kde domov můj«. Das kann bedeuten: »Wo ist meine Heimat?« oder: »Da, wo meine Heimat ist«.

Vielleicht wäre diese Formulierung für jedes Land gut, besonders für Deutschland. Zumindest als Erinnerung.

Nicht nur Kämpfen, Töten und Sterben setzen Heimat voraus. Auch das ganz gewöhnliche Leben. Besonders das ganz gewöhnliche Leben! Was soll ein Leben ohne Heimat sein? Ein Volk ohne Heimat? Ein Volk von Heimatlosen?

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