Dushan-Wegner

27.01.2023

Ja nicht sagen, was Sache ist

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten, green house
NDR-Faktenlöscher entfernen tapfer Hinweise auf Herkunft des Zug-Messerstechers. Es ist zu befürchten, dass solche Journalisten tatsächlich überzeugt sind, im Kampf für höhere Werte die Wahrheit unterdrücken zu müssen.
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Im Film »The Princess Bride« wiederholt einer der Charaktere, Vizzini (verewigt von Wallace Shawn), im englischen Original das Wort »inconceivable«. (Zusammenschnitt auf YouTube.)

Wir würden »inconceivable« ja etwa als »unglaublich« ins Deutsche übersetzen, doch im Englischen trägt das Wort mehr von seiner ursprünglichen, wörtlichen Bedeutung: Etwas, das der Geist nicht begreifen kann.

Alles Mögliche und viel Unmögliches erscheint Vizzini »inconceivable«, bis ihm schließlich der Charakter Inigo Montoya (gespielt vom immer schon wunderbaren Mandy Pantinkin) ins Gesicht sagt: »You keep using that word. I do not think it means what you think it means.« – Zu Deutsch etwa: »Du benutzt dieses Wort dauernd. Ich glaube nicht, dass es bedeutet, was du meinst, dass es bedeutet.«

Es ist eines der prägnantesten Zitate der Filmgeschichte, ich höre es wieder und wieder. Und immer wieder spüre ich selbst das Bedürfnis, ja, geradezu den Bedarf, jemanden auf ebendiese Weise aufzuklären: Du benutzt dieses Wort immerzu. Ich glaube nicht, dass es bedeutet, was du meinst, dass es bedeutet.

Ach, was bedeutet heute noch irgendwas, so fragt man sich – und wäre damit bei den Nachrichten des Tages.

Das muss so

Ibrahim A. ist staatenloser Palästinenser, und er lebt im toleranten Staat Deutschland, und er ist vorbestraft, und er kam aus der U-Haft frei, was sogar seinen Anwalt überraschte (laut focus.de, 27.1.2023), und er hätte abgeschoben werden können, aber er wurde nicht abgeschoben, denn wir sind tolerant, und Tolerieren heißt »Ertragen«, und so durften diese Woche zwei Jugendliche im Zug ihre Toleranz beweisen, indem sie sich von Ibrahim A. zu Tode messern ließen. (bild.de, 25.1.2023)

Die Reaktionen auf dieses neueste Opfer des deutschen Leichtsinns aber bieten uns interessante Tiefenangaben zum aktuellen Fahrwasser deutscher Debatte.

Da wären inzwischen allzu späte und damit dann doch populistische Einwürfe wie die des Herrn Kubicki, der fragen will, was zwischen 2014 und 2016 falsch lief (so bild.de, 26.1.2023). Man kann es ihm doch gern beantworten! Damals wurden »Refugees Welcome«-Schilder in die Kameras hochgehalten, und jede Warnung vor den Risiken offener Grenzen wurde als »Hetze« abgetan, mit Floskeln wie: »Flüchtlinge brauchen Hilfe und keine Hetze.« – Diese Floskel, vom damals modischen »Refugees Welcome – Wir helfen«-Foto begleitet, stammt übrigens von einem Herrn Christian Lindner (@sarfeld, 30.10.2018). Herr Kubicki, kennen Sie den?

Die bemerkenswerteste Reaktion auf den Doppelmord im Zug lieferten aber die Genossen der Staatsfunk-Kolchose »NDR«!

Stur weigerten sich die Staatsfunker, die Herkunft des Ibrahim A. zu benennen.

Man erklärte sich: »Die Herkunft des Täters ist für den Bericht nicht relevant und führt zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung oder zu Fehlinterpretationen.« (eine NDR-Fachkraft für richtige Interpretation, zitiert nach bild.de, 26.1.2023)

Als Leser in den Online-Kommentaren die fehlenden Informationen nachreichten, wurden sie von der NDR-Faktenlöschtruppe schnell wieder entfernt.

Der/Die/Das Herr/Frau/Divers vom NDR erklärte, wörtlich und schmerzbefreit: »Das ist keine Zensur, sondern Erhalt der Demokratie.«

Und spätestens da dürfen wir schmunzeln.

Was bedeutet es?

Es ist dramatisch und erschreckend und Zeichen böser Dinge, die da längst eingesetzt haben, wenn man bedenkt, mit welcher tatsächlichen Bedeutung das Wort »Demokratie« verwendet wird.

Politiker im Parlament etwa benutzen »demokratisch« regelmäßig, wenn sie das orwellsche Gegenteil meinen, nämlich die Absicherung alter Macht gegen den störenden, weil anderslautenden Wählerwillen.

Die Verwendung des D-Wortes durch die NDR-Großintellektuellen aber legt nahe, dass »Demokratie« für sie schlicht »Narrativ« bedeutet.

Das »Narrativ« ist jene verlogene gutmenschliche und selbst latent rassistische Erzählung, die im Fremden stets den »edlen Wilden« sieht (siehe Wikipedia), der höchstens nur durch unsere Unmoral verdorben wird.

Wer etwas anderes erzählt

Man möchte den NDR-Großintellektuellen sagen: Ihr verwendet das Wort »Demokratie«, doch ich denke nicht, dass es bedeutet, was ihr denkt, dass es bedeutet.

Ich fürchte aber, denen ist reichlich egal, was das Wort wirklich bedeutet. Die sind der Staatsfunk, sie erklären von Amts wegen, was Wirklichkeit ist und was Worte bedeuten.

Und ich finde das »inconceivable«!

Nein, anders als die Großwesire akzeptabler Wahrheit uns glauben lassen wollen, bedeutet »Demokratie« keinesfalls, alle Wahrheiten auszuradieren, welche die Lügen des Narrativs als solche entlarven.

Die Wahrheit kann schmerzhaft sein, und zur Wahrheit gehört, dass einige Fremde durchaus böse und gefährliche Menschen sind.

Ja, die Wahrheit entlarvt das Narrativ als Lüge, und das kann wehtun.

Um jedoch nochmal »The Princess Bride« zu zitieren: »Life is pain, Highness. Anyone who says differently is selling something.« (siehe YouTube)

Zu Deutsch etwa: »Das Leben ist Schmerz, eure Hoheit. Wer Ihnen etwas anderes erzählt, der will irgendwas verkaufen.«

Weiterschreiben, Wegner!

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