Fußballspiele, politische Debatten und manchmal auch Religion haben etwas gemeinsam: Das Gefühl des »Wir gegen Die«.
Wer würde es denn leugnen wollen? Es fühlt sich richtig gut an, wenn man als Mitglied einer Mannschaft auf die »andere« Mannschaft losgehen kann.
Ein Fußballmillionär unterschreibt einen Vertrag in einer anderen Stadt. Ab nächster Saison zieht er ein anderes Trikot an. Und plötzlich wird aus unserem strahlenden Helden ein blöder Gegner, der sowieso schon viel zu alt ist und krumme Beine hat.
Ja, es kann sich gut anfühlen, als Teil einer Gruppe eine andere Gruppe zum Gegner zu haben. Daraus, dass es sich gut anfühlt, können wir schließen, dass die Natur es uns angeboren hat – bis wir es uns mühsam abtrainieren und diese Selbstverstümmelung stolz »Zivilisation« nennen.
35 Studenten
Dass es sich gut anfühlt, und zwar aufgrund eines denkbar basalen, sehr menschlichen Mechanismus, das haben Wissenschaftler jetzt ordentlich erforscht und begründet.
Wissenschaftler an der Virginia Commonwealth University (Richmond, Virginia, USA) haben 35 (männliche) Studenten in einen virtuellen Wettbewerb eintreten lassen (medicalxpress.com, 16.6.2022). Zuerst spielten die Studenten unter- und gegeneinander, dann spielten sie gegen Studenten einer konkurrierenden Universität – so glaubten sie zumindest.
Die Wissenschaftler maßen dabei die Gehirnaktivität der Probanden. Und sie stellten fest, dass der Kampf gegen die vermeintliche externe »Outgroup« die Belohnungszentren im Gehirn stärker aktiviert, als wenn man gegen die eigenen Kollegen kämpft.
Anders gesagt: Das »Wir-gegen-die-Gefühl« ist uns angeboren. Es ist damit menschlich und natürlich, dass es sich gut anfühlt.
Eine Faustregel besagt: Was sich von Natur aus gut anfühlt, ist wohl fürs blanke Überleben nützlich (genauer: war einst in der Savanne im Kontext des Stammes nützlich). Das kann Sex oder süße/salzige/fettige Nahrung sein – oder eben der Kampf gegen den externen Gegner.
Triebe und Lüste
Was sich ganz natürlich gut anfühlt, stellt uns zuverlässig vor ein Dilemma. Einerseits bietet unsere Natur an, dass wir uns so am Leben und seinen Möglichkeiten erfreuen. Andererseits können kurzfristig befriedigte Triebe und Lüste unser Leben ruinieren.
Rückblickend stellen wir fest, dass einige unserer schönsten Momente im Leben mit dem Befriedigen von Trieben einherging – Kinder großzuziehen oder gemeinsam mit Freunden zu Abend zu essen hat definitiv mit Trieben zu tun.
Und wir stellen oft genug fest, im eigenen Leben wie auch im Leben unglücklicher Dritter, dass es schon mal das ungebremste Folgen der Lüste und Triebe war, das ein hoffnungsvolles Leben zum Desaster werden ließ.
Die Moral von der Geschicht‘: Nur weil sich etwas »gut anfühlt«, ist es allein dadurch zunächst weder moralisch noch unmoralisch. Ja, die Moral selbst ist ein Gefühl. – Und wer das anders sieht, der »begründet« seine Meinung auch nur mit einem Gefühl.
Jeden Tag
Es wäre utopisch, dem Menschen die Idee des »Wir gegen Die« ganz abschaffen zu wollen.
Der erste Grund ist, warum wir gar nicht erst versuchen sollten, uns das Konzept des »Wir gegen Die« abzutrainieren: »Die« trainieren sich dieses Gefühl auch nicht ab. – »Die« haben uns zu »denen« erklärt. Und sie bekämpfen us, jeden Tag.
Wer immer nur die andere Wange hinhält, dem wackeln bald die Backenzähne.
Gutes »Wir gegen Die«
Es ist weder gut noch schlecht, dass es dem Menschen angeboren ist, am Prinzip des »Wir gegen Die« echte Freude zu empfinden. Auch hier gilt: Es kommt drauf, was man draus macht!
Von Steve Jobs wird erzählt, er habe schon Teams gegeneinander antreten lassen, um ihre Kreativität anzustacheln. Schulen können etwa in Lern-Wettbewerben die Schüler motivieren, mehr zu lernen und schlauer zu werden.
Jedoch, die Geschichte lehrt auch, dass gewiefte Verführer den Trieb des Menschen, in der Kategorie »Wir gegen Die« zu denken, auch zum großen Schaden eben dieser Menschen nutzen können. – In Deutschland erlebten wir etwa, dass mit Slogans wie »Wir sind mehr« die Menschen von Presse und Propaganda animiert werden, sich gegen alle »Ketzer« und »Abweichler« zu wenden, die es wagen, kritische Fragen zu stellen und Wahrheiten auszusprechen, bevor Regierung und Presse beschließen, die Nennung dieser Fakten zu erlauben.
Zu viele Menschen
Es könnte uns rätselhaft erscheinen, warum so viele eigentlich intelligente Menschen ihren Verstand abgeben. Es ist jedoch auch jenseits der opportunistischen Nützlichkeit leicht zu erklären: Erstens bedient die Propaganda die Erotik der Einfachheit, und zweitens triggert sie die grundmenschliche Lust am Kampf »Wir gegen Die«.
Ich will es nicht leugnen. Es wäre gefährlich, es zu leugnen! – »Wir gegen Die« ist uns angeboren, es ist unsere menschliche Natur – und es ist auch deren Natur.
Selbst wenn ich mir ganz abtrainieren wollte nach dem Schema »Wir gegen Die« zu denken – bei denen wird dieser Instinkt täglich verstärkt. Im Abendprogramm von ARD und ZDF, in den Schulklassen, an den Universitäten. Ich weiß es. Ich war dort.
Für die sind wir »Die«, und damit »böse« – was sie uns unmissverständlich spüren lassen.
Ein aktuelles Beispiel: Die Regierung hofiert Leute wie Ferda Ataman. Frau Ataman praktiziert ein sehr ausgeprägtes Wir-gegen-Die-Gefühl. Und mit »Die« meint sie die offenbar Deutschen, die sie abschätzig »Kartoffeln« nennt (bild.de, 15.6.2022) – und weiße Männer (focus.de, 19.6.2022).
Es ist kein Zufall, dass Ferda Ataman von der, ja, deutschen Regierung zur »Antidiskriminierungsbeauftragten« ernannt werden soll. Die Regierung braucht eine provozierend anti-deutsch hetzende Linke wie Ataman, um das Volk zu spalten, uns in »Wir« und »Die« zu teilen, wie auch immer sich dieses jeweils bilde. Die Unschärfe ist Teil des Konzepts. »Teile und herrsche« gilt auch fürs Volk. Halte die Menschen beschäftigt. Je fragmentierter das Volk, umso schwächer.
Der Twitter-Publizist Ali Utlu kommentiert süffisant:
Deutsche Kartoffel angeblich nicht rassistisch. Wer Deutsche Kartoffel oder Kartoffelbrei nennt, hat bestimmt auch mit Kümmeltürken und Knoblauchfresser kein Problem, oder? (@AliCologne, 16.6.2022)
Es ist gefährlich, sein Wir-gegen-Die-Gefühl so weit zu unterdrücken, dass man zuletzt Leute hofiert, deren Wir-gegen-Die-Gefühl überstark ist – und wir sind dann deren verhasstes, verachtetes »Die«.
Ich will den Trieb des »Wir gegen Die« nutzen, um klüger und auch menschlicher zu werden – und schlicht auch zu überleben. Ich will sehr genau wählen, wen ich als »Wir« betrachte und wen als »Die« – und manchmal ist es meine Privatsache, wie ich es damit so halte.
Die denken so
Fußball ist simulierter Krieg, also eine sublimierte Simulation des ultimativen »Wir gegen Die«. Deshalb ist Fußball für die Politik so wichtig, wie ich übrigens im Buch »Talking Points« erkläre.
Das Leben ist aber keine Simulation. Das Leben ist echt. Genauso wie der Instinkt des »Wir gegen Die«.
Vielleicht gelingt es ja, einige Unentschlossene unter denen auf unsere Seite zu ziehen.
Es ist eine simple Faustregel: Selbst wenn du persönlich nicht in der Kategorie »Wir gegen Die« denken willst – die denken so.
Und deshalb sollten wir auf der Hut sein – vor denen.