Die Stadt Offenburg liegt im westlichen Baden-Württemberg, nahe der Grenze zu Frankreich.
Die Stadt hat etwas über 61.000 Einwohner, aber seit gestern tragischerweise einen weniger.
An einer Offenburger Schule hat ein 15-Jähriger einen Gleichaltrigen in den Kopf geschossen (bild.de, 9.11.2023). Mit einer, so lesen wir, »großkalibrigen Pistole«. Das Opfer starb später im Krankenhaus.
Auf der Webseite der Schule (Original-URL/archiviert) finden wir aktuell noch die üblichen Versatzstücke linksgrüner Sektensprache – »Wertschätzung, Achtung, Toleranz«.
Diese Worte scheinen zu verhallen. Begleitgeräusch des Übergangs in eine neue, kalte Zeit.
Ich vermisse die Zeit
Gewöhnliche Sprache gelangt an ihre Grenzen. Welche Worte wählt man für das, was man sagen will?
Ich zumindest fühle mich hilflos, ratlos – während ich noch tapfer gegen ein anderes schlimmes Wort ankämpfe: »hoffnungslos«.
Das darf und soll doch nicht sein!
Ich vermisse die Zeit, als wir uns auf die Zukunft freuten oder zumindest neugierig waren.
Und zwar nicht nur als Einzelne – als wir uns als Gemeinschaft auf die Zukunft freuten.
Damit es nicht trostlos wird, suche ich heute Trost bei alten Meistern.
Zum Beispiel bei Goethe.
Über allen Gipfeln
Ich bin erstaunlicherweise nicht wütend.
Im Gegenteil: Ich bin eher wehmütig, melancholisch.
Ich denke heute an »Wandrers Nachtlied« von Goethe, und das geht so:
Der du von dem Himmel bist,
Alles Leid und Schmerzen stillest,
Den, der doppelt elend ist,
Doppelt mit Erquickung füllest,
Ach, ich bin des Treibens müde!
Was soll all der Schmerz und Lust?
Süßer Friede,
Komm, ach komm in meine Brust!
Und dann das darauf folgende, sehr bekannte Gedicht:
Über allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.
Ist unsere Endlichkeit ein Trost, ein Balsam gegen die Ratlosigkeit?
Ach ja, dieser Trost ist ein Balsam. Doch Balsam trägt man auf – man trinkt ihn nicht!
»so wenig als möglich«
Ich bleibe deshalb bei Goethe, springe aber zu »Wilhelm Meisters Lehrjahren«, wo es heißt:
Des Menschen größtes Verdienst bleibt wohl, wenn er die Umstände soviel als möglich bestimmt und sich so wenig als möglich von ihnen bestimmen lässt.
Ich würde die Umstände ja gern bestimmen, formen, wenn ich nur wüsste, wie. Es ist ja schwer genug, mich selbst zu formen.
Dennoch will ich es versuchen.
Mein cri de guerre? »Dennoch!«
Lacht mit denen, die aus ehrlichem Grunde etwas zu lachen haben.
Und weint mit den Weinenden, warum auch immer sie weinen.
Gestaltet die Umstände, so gut ihr könnt, und lasst euer Gestalten der Umstände eure eigene Gestalt gestalten. Doch lasst euch nicht von der Verderbnis der Umstände selbst verderben.
Erarbeitet euch eure Hoffnung – dennoch!