28.01.2024

Nachplappern ist keine Meinung

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten
Wenn man Gegen-Rechts-Marschierer fragt, warum sie die Opposition verbieten wollen, berufen die sich nicht selten auf den Staatsfunk. Fragt man dann nach konkreten Gründen und Belegen – kommt meist nichts. Das ist echt gruselig.

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Ich habe letztens eine der gruseligsten Szenen meines Lebens gesehen. Es war ein kurzes Video der »Jungen Alternative Oberlausitz« (siehe YouTube).

Erst lasst mich aber ganz bewusst die gesprochenen Worte selbst zitieren. (In der Video-Version dieses Essays spiele ich einen repräsentativen Ausschnitt.)

Ein junger Mann, sachlich und höflich, interviewt eine Dame in gestrickter Wollmütze und bestem Alter. Er fragt sie, was sie gegen die AfD habe.

Sie antwortet »Wenn man weiß, was die gegen Menschenrechte haben. Was die gegen (?) Christen … aber das darf man ja gar nicht sagen. Aber Menschenrechte, die halten (die) ja nicht ein.«

Nachfrage: »Haben Sie da ein Beispiel?«

Antwort: »Müsste ich graben, ich bin allein schon hier, wo ich sage: Es darf doch so eine Sache nicht sein, wie im Dritten Reich – Entschuldigung – wo die sagen: Alle raus, die ganzen Migranten.«

»Wo sagt die AfD das?«

»Ja, natürlich sagt die das. Die haben sich da verbündet, und über so etwas gesprochen. Ich habe auch Enkelkinder zu Hause, was soll aus denen werden.«

Wenn ihr euch gefragt habt, was der Zweck dieser »Recherche« von »Correctiv« und der Lügenkampagne war – das war er.

Die deutsche Propaganda hat dieser Dame eingeredet, dass das Dritte Reich wieder aufzieht, wenn man nicht unbegrenzt junge Männer aus Nordafrika ins Land lässt und versorgt.

Der junge Mann fragt: »Aber haben Sie das Programm gelesen, von der AfD oder so, was da drinsteht?«

Die Antwort der Dame: »Ich gucke Nachrichten und lese und habe auch den ›Spiegel‹ zu Hause. Da stehen gute, gute kontroverse … ich lasse alle leben. Können alle leben. Aber AfD geht gar nicht.«

Hat sie tatsächlich gerade angedeutet, dass man alle leben lassen soll, außer AfD-Politiker? Wiederholt sie hier gerade den Mordaufruf der Antifa-Schlägerbanden gegen die Opposition? (Nein, natürlich nicht. Aber stellen wir uns vor, wie es gedeutet würde, wenn ein Nicht-Linker das so gesagt hätte.)

Nächste Frage: »Aber wann hat jetzt mal ein AfDler gesagt, wir sollen alle abschieben, die hier arbeiten?«

Neue, sagen wir mal, Antwort: »Puh, am schlimmsten ist ja der Höcke. Und da war doch jetzt noch so einer von, ich weiß nicht wie der heißt, der auch mit einem ganz jungen Politiker, mir ist es also wirklich, der ist mir weggerutscht. Aber das Schlimmste ist ja der Höcke.«

Nachfrage: »Aber das haben Sie wahrscheinlich aus den Nachrichten vor allem.«

Antwort: »Ja, natürlich aus den Nachrichten.«

Mit »Nachrichten« meint sie vermutlich die 20-Uhr-Propaganda.

Wieder und wieder das große Nichts

Und so geht es weiter, mit anderen Interviewten. Wieder und wieder fragt der Interviewer nach Beispielen oder Punkten aus dem Parteiprogramm, warum genau man gegen die AfD sei. Und immer wieder folgt das große Nichts.

Typische Frage: »Was stört Sie am meisten an der AfD?«
Typische Antwort: »Der Rassismus und das radikale Auftreten.«

Typische Nachfrage: »Können Sie mir mal drei Beispiele sagen, für Aussagen von der AfD, die sagen, das geht gar nicht?«

Typische Antwort: »Nein, kann ich jetzt nicht, mache ich nicht.«

Zum absurden, aber für diesen Propagandastaat typischen Theater wird es, wenn ein Demonstrant die politische Theorie formuliert, dass Ausweisungen durch die Regierung vom Grundgesetz gedeckt sind, dies aber nicht der Fall sei, wenn die AfD genau das fordert – sondern uns das an 1933 erinnern müsse.

Kein einziger der gezeigten Interviewten kann seine »Meinung« begründen. Und doch habe ich keinen Zweifel daran, dass jeder von denen es begrüßen würde, die Opposition zu verbieten.

Eigentlich sympathisch

An diesem Interview-Zusammenschnitt finde ich zwei Aspekte gruselig, und der erste ist vielleicht gar nicht offensichtlich, und zwar: Diese Dame, die daheim den »Spiegel« liegen hat und aus den Nachrichten »weiß«, dass der Höcke »gar nicht geht«, sie ist mir als Person eigentlich sehr sympathisch. (Siehe Ausschnitt in der YouTube-Version dieses Essays, ab 4. Minute.)

Mal ehrlich: Wenn die Dame nicht Slogans, Hetze und Propagandafragmente nachplappern würde, wenn sie nicht selbstbewusst erklären würde, dass sie sich nur aus der 20-Uhr-Propaganda und dem Relotius-Magazin informiert, würde man doch gern mit ihr quatschen – übers Leben, vielleicht über ihre Enkel. Darüber, was sie so tut … wie gesagt: wenn sie sich nicht gerade zum Rädchen in der Propagandamaschine machen lässt.

Das ist das Erste, was mich schockiert: Was für ein sympathischer Mensch da antidemokratische Phrasen und Propagandalügen nachplappert.

»Meinung« – ein Hass ohne Boden?

Wisst ihr, die Propaganda erklärt jede Kritik an antideutscher Politik für »Hass«, und so soll Regierungskritik aus dem Meinungsschutz des Grundgesetzes herausgenommen werden.

Im Titel des Essays vom 1. März 2018 brachte ich das auf die Formel: »Deine Meinung ist Hass, und Hass ist keine Meinung«.

Man könnte allerdings genau hier fragen: Erfüllt das, was diese Dame sagt, die sachlichen Voraussetzungen für eine »Meinung«?

Laut Duden ist eine Meinung eine »persönliche Ansicht, Überzeugung, Einstellung«.

Doch kann es begriffsphilosophisch eine »Überzeugung« sein, wenn man zwar Worte und Sätze aufsagt, diese aber kaum sinnvolle Verbindungen zu anderen Begriffen haben? Wenn man also nur nachplappert?

Ist ein aufgesagter Satz, den man offensichtlich nicht versteht oder dessen Verständnis man in keiner Form – nicht einmal vor sich selbst – belegen kann, eine »Meinung«?

Freunde, ich stelle diese These in den Raum: Nachplappern ist keine Meinung. (Und auf Leserwunsch habe ich auch ein T-Shirt mit dem Spruch »Nachplappern ist keine Meinung« aufgelegt!)

Was, wenn die alle …?

Damit kommen wir zum zweiten gruseligen Aspekt dieser Interview-Szenen. Wenn ich solche Szenen sehe, stelle ich unwillkürlich eine »innere Hochrechnung« an.

Der deutsche Staatsfunk wird derzeit nicht müde, wie ein ewiger DDR-Widerhall und teils in denselben Worten wie damals, die Propagandakundgebungen zu bejubeln. Von Zigtausenden oder sogar Hunderttausenden wird berichtet, die gegen Andersdenkende aufmarschieren. Und es ist gruselig, dass die alle oder zum größten Teil so denken – oder nicht-denken – wie die Leute in diesem Interview.

Ich bin kein Journalist, das heißt: Ich mache nicht Propaganda, sondern ich prüfe auch Gegenthesen, suche nach möglichen Fehlern in meiner Argumentation.

Ein Gegenargument an dieser Stelle – oder eher die Behauptung einer widerlegenden Möglichkeit – könnte so lauten: Diese wenigen Stimmen wurden von »gegnerischen« Interviewern speziell ausgewählt, was in diesem Fall politisch naheläge. Das hier unsichtbare Gros der Leute, die gegen Opposition und Demokratie marschieren, kann sehr genau begründen, aus welchen moralischen Erwägungen sie gegen die Opposition marschieren, sprich: warum sie zum Schutz der Demokratie ebendiese aussetzen wollen.

Gegen diese Annahme spricht eure und meine Alltagserfahrung mit solchen Menschen, doch auch diese ist natürlich zunächst als »anekdotisch« zu werten.

Die Expertise der Masse

Der Grund, Freunde, warum ich mich gerechtfertigt sehe, von Stimmen wie der Dame auf die Masse dieser antidemokratischen Aufmärsche zu schließen, ist dieser: Was diese Dame und die anderen Interviewten als »Meinung« abgeben, ist genauso viel oder wenig durchdacht wie das, was wir von den »Kampf-gegen-Rechts-Experten« in TV-Talkshows hören.

Wir sehen also die Videoschnipsel und ahnen, dass die meisten dieser Menschen bei diesen Aufmärschen ähnlich gut »begründen« können, warum sie gegen die Opposition aufmarschieren.

Nachplappern ist keine Meinung.

Doch Zigtausende und Hunderttausende plappern nach.

Verführung Minderkritischer

Das ist die Situation, Freunde.

Wir sehen in Nahaufnahme, »wie es damals dazu kommen konnte«. Wir sehen heute, dass Deutschland ein weiteres Mal aus der Demokratie herausgleitet.

Es beginnt unter anderem damit, dass zigtausende Menschen gegen Opposition und Demokratie marschieren.

Zuvor wurde ihnen in geradezu klischeehafter Orwell-Manier eingeredet, dass man gegen die Demokratie sein müsse, um die Demokratie zu retten.

Und es fällt denen nicht auf, dass das alles ein Widerspruch ist, denn ihre »Meinungen« sind nur ein Nachplappern.

Hier stehen wir – können wir anders?

Welche Debatte wir auch immer ab hier führen: Diese Erkenntnisse sind Teil der »Baseline«, der Ausgangssituation ab hier und jetzt.

Wohin auch immer wir von hier aus gelangen wollen oder können: Wir sollten ehrlich sagen, wo und in welchem Zustand wir uns in diesem Augenblick befinden.

So viel für heute.

Ich danke euch wieder für euer Mitdenken. Und ich bin jedem einzelnen Unterstützer dankbar, dass ihr diese Arbeit hier möglich macht. Und das ist nicht nur ein nachgeplapperter Slogan, das kommt von Herzen – und ich kann es begründen.

Weiterschreiben, Dushan!

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