Du steigst nie zweimal in denselben Fluss, so sagte, so meine ich, Björn Höcke, und davor, da bin ich recht sicher, sagte es in etwa so der Vorsokratiker Heraklit.
Wir lesen diese Weisheit zuerst als eine Aussage über den Fluss und sein Wasser. Dem groben Auge mag es vorkommen, als sei der Fluss jetzt und morgen derselbe; doch das wissende Auge sieht, dass das Wasser, in das der Mensch steigt, fließt, also täglich neu ist.
Eine zweite Stufe der Weisheit erkennt, dass der Mensch, der in den Fluss steigt, immer wieder ein neuer ist. Deine Zellen sterben und werden neu gebildet. Dein Geist vergisst und lernt neu dazu, korrigiert alte Fehler und eignet sich neue an und so weiter.
Ich versuche allerdings, mich heute in einer dritten und praktischen Stufe der Weisheit zu üben. Ich will in den Fluss steigen, der – seien wir ehrlich! – dem gestrigen Fluss zum Verwechseln ähnlich sieht. Doch ich will mich ändern, will mich verfeinern, und so will ich ein Anderer geworden sein, und meine Veränderung sei es, die den Fluss zu einem neuen werden lässt. (Wenn er auch weiter in die alte Richtung fließt – bergab.)
Noch weitere »Wasser«
Lassen Sie mich kurz das »Wasser des Tages« zur Kenntnis nehmen, sprich: einige aktuelle Meldungen als frisches pars pro toto zitieren.
Etwa dies: Die Innenministerin könnte Deutschland »beschummelt« haben, und zwar bezüglich der Frage, ob man wirklich alle Migranten »zur Prüfung« einreisen lassen muss (focus.de, 27.11.2023). Dieses »Wasser« ist natürlich nicht neu: Wir erinnern uns an die offenen Grenzen der Angela Merkel, die manchem Beobachter als dreiste Rechtsbeugung zum großen und nachhaltigen Schaden Deutschlands erschienen – anderes »Wasser«, selber »Fluss«. Diese »Schummelei« der Innenministerin wäre nicht die erste ihrer Merkwürdigkeiten, nicht einmal eine einigermaßen aktuelle, siehe die 20.000 Euro »Schweigegeld«; focus.de, 26.11.2023.
(Ich hörte einen Bürger seufzen: »Es bräuchte eine Behörde, welche Deutschland verteidigt vor den Schäden an Demokratie und Rechtsstaat durch Innenministerium, Verfassungsschutz und Parlament. Das sollte eigentlich die mythische ›Vierte Gewalt‹ sein, doch … ach, lassen wir das.«)
Ich könnte noch weitere »Wasser« zitieren, aus demselben »Fluss«!
Etwa die bald täglichen Berichte von Rentnern, die aus ihren Wohnungen verdrängt werden, um Platz zu machen für junge Nordafrikaner im wehrfähigen Alter – was teils von den Behörden, als wären sie »Komplizen«, erst geleugnet und dann doch durchgezogen wird (siehe etwa weltwoche.de, 27.11.2023).
Oder immer neue Meldungen über die wieder gestiegene Gewaltkriminalität. Inzwischen versucht stellenweise nicht einmal mehr der Staatsfunk, die Wahrheit zu verdecken – der Job der »politischen Korrektheit« ist offenbar erledigt und der »Fluss« nicht mehr umzukehren, denn tagesschau.de, 23.11.2023 titelt nicht nur klar: »Gewaltkriminalität hat deutlich zugenommen«, sondern spricht zudem (wenn auch verschämt überm letzten Abschnitt) eine Wahrheit aus, für die man eben noch als »Rechtsextremer« und »Faschist« ins Visier des Verfassungsschutzes gekommen wäre: »BKA sieht auch Zuwanderung als Ursache«.
Kein Zurück
Der »Fluss« von heute ähnelt wahrlich sehr dem von letzter Woche und dem von vor einem Jahr.
Der Unterschied zwischen dem heutigen »Fluss der Zeit« und dem vom vorigen Jahr ist lediglich, dass er auch im Mainstream und sogar im Staatsfunk benannt wird.
Wir kennen ja die EU-Devise: »Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.«
Dies gilt ähnlich für die Lügen der Toleranz und der politischen Korrektheit: Man zwingt Lüge und Leugnung auf, bestraft die Wahrheit, bis es »kein Zurück mehr gibt«, und dann kann man auch die Wahrheit zugeben. Dann kann man (und wird, siehe zitierte Meldung!) so tun, als wäre man immer schon wahrhaftig gewesen.
Ich muss anders sein
Wenn also der heutige »Fluss« dem von letzter Woche und dem vom letztem Jahr frappierend ähnelt – bis auf die Banalität des Unrechts und der Zerstörung unserer Heimat –, so wäre doch die Zeit und die Anwendung meines Geistes auf ihn verschwendet, wenn ich so täte, als wäre er neu.
Und doch spüre ich die Mahnung jenes alten Wortes: Nie zweimal in denselben Fluss! Also muss ich mich ändern. Und mit »muss« meine ich: Ich will mich ändern, damit ich meine Zeit nicht verschwende.
Ich will anders sein, indem ich aufs Neue mir selbst gegenüber über die großen Prämissen maximal ehrlich bin.
Anders gesagt: Ich will mich ändern, indem ich einer bin, der sich aktiv einiger Selbstverständlichkeiten bewusst ist, die »wir« zwar wissen, doch zumeist nur versteckt, denn einige sind einfach zu schmerzhaft.
Erste Prämisse: In spätestens 50 Jahren, realistischerweise wohl früher, werden der Schreiber dieser Zeilen wie auch die allermeisten seiner Leser verstorben sein.
Zweite Prämisse: Zuletzt und danach wird nur zählen – wenn überhaupt irgendwas zählt –, ob das, was wir im Leben veranstaltet haben, sich mit einer Eigenschaft auszeichnen ließe, die wir gemeinhin »Sinn« nennen.
Dritte Prämisse: Deutlich vor jenen 50 Jahren wird absehbar jene Einheit tot sein, die wir heute »Deutschland« nennen; in Teilen des so bezeichneten Landes lassen sich bereits böse Nekrosen diagnostizieren.
Vierte Prämisse: Wenn der Mensch für zuletzt einen Zustand anstrebt, den man »Glück«, »Zufriedenheit« oder sogar »Sinn« nennt, tut er gut daran, solche Gewohnheiten zu pflegen, die nach der in Weisheitslehren kodierten Erfahrung vieler Generationen ausreichend zuverlässig einen solchen Zustand herbeiführen.
Fünfte Prämisse: Jeder Tag kommt nur einmal. Nutze ihn für Tätigkeiten, die du zuletzt als »sinnvoll« erachten wirst. Stärke deine relevanten Strukturen und lass los, was dich an der Erlangung von Sinn und Glück hindern könnte, und sei es durch vermeintlich unschuldige Ablenkung.
Aus dem »Fluss« und in das Bett
Ja, es ist ein neuer Tag. Wann auch immer du diesen Text liest und diese meine Gedanken nachvollziehst, ist an dem Tag ein neuer Tag. Die Meldungen mögen denen der letzten Woche gleichen. (Während ich diesen Text komponiere, gleicht ja manche unserer neuen Klagen denen von vor zwei, drei oder fünf Jahren, siehe /liste. Die Erfahrung lehrt, dass die Menschen erstaunlich geschickt sind im Bewahren eines Zustands gerade noch erträglichen Unglücklichseins.)
Morgen werden wir wieder »neue« Nachrichten hören, die doch nur neues Wasser im selben Fluss sein werden. Möge der Mensch, der ich heute Abend bin, klüger sein als der Mensch, als der ich heute erwachte.
Und möge – sowieso – der Heute-Abend-Mensch geradezu ein Trottel sein im Vergleich zu dem, als der ich morgen Abend vorübergehend aus dem »Fluss« und in mein Bett steige.