Im Kölner Zoo steht ein Felsen, seit über hundert Jahren nun, und auf diesem Felsen leben Paviane.
Eltern, die mit ihren Kindern den Kölner Pavianfelsen besuchen – auch wir mit unseren beiden! – kennen die zwei Standard-Fragen der Kinder beim Anblick der tobenden Primaten: »Warum haben die so rote Popos?«, und: »Warum schubst der eine Affe den anderen Affen so komisch von hinten?«
Der rote Hintern der Pavianmännchen ist im wörtlichen Sinne nur Sitzfleisch, der rote Hintern der Pavianweibchen dagegen schwillt an, wenn signalisiert werden soll, dass das Weibchen bereit ist, sich initiativ an der Aufrechterhaltung der eigenen Art zu beteiligen (habe ich das höflich genug formuliert?) – diese Tätigkeit wird dann auch auf dem Pavianfelsen vor aller Augen ausgeführt – woraufhin Generationen von zoobesuchenden Eltern mit ihren Erklärungen jonglieren dürfen, von »Die haben sich ganz doll lieb«, bis: »Wer will Eis haben?«
Alle sind eingeladen
In Dortmund findet derzeit ein Stelldichein der politisch korrekten Klasse statt. Politiker und Staatsfunker treffen sich, so der Eindruck mancher Beobachter, um einander zu versichern, dass sie die Guten sind. Das Ganze nennt sich »Deutscher Evangelischer Kirchentag«. Merkel wird reden, der SPD-Generalsekretär wird sich produzieren, die umbenannte SED wird sich profilieren und immer wieder die grüne Panikpartei. Eine Partei fehlt, und man kann sich denken, welche es ist – die eine Partei, die es wagt, Merkels Alternativlosigkeit zu verneinen. Der ganze widersprüchliche Irrsinn gutmenschlicher Denkart kulminiert, wieder einmal, in einer Äußerung der Grünen Göring-Eckardt:
Unterwegs nach Dortmund. ???? Ich freue mich auf den 37. Evangelischen #Kirchentag und den Austausch mit seinen Gästen. Alle sind eingeladen. Lasst uns gemeinsam singen, beten und diskutieren. ????
PS: Richtige Entscheidung, dass Rassisten und Hetzer hier kein Podium bekommen. ????
(@GoeringEckardt, 19.6.2019)
Man ist es ja gewohnt, dass Gutmenschen sich selbst widersprechen, doch dass sie es in ein und demselben Tweet tun, das ist selbst für Grüne bemerkenswert.
Aber gut, Gutmenschen sind Gutmenschen, und ihr Weltbild ist auf Lügen gebaut, auch das Bild, das sie von sich selbst haben. Der Kirchentag wirkt von außen zunächst wie eine einzige große Weiter-so-Wahlkampfveranstaltung. Mir ist nicht bekannt, wie viele Opfer gutmenschlicher Politik sprechen werden, wie viele Familien, die durch die Folgen gutmenschlichen Wahns einen Menschen verloren haben oder für immer mit körperlichen und seelischen Verletzungen leben müssen.
Deutschland nimmt zunehmend Eigenschaften an, die man »gleichgeschaltet« nennen würde, wenn man sie anderswo beobachten würde (siehe auch: »Wie nennt man es, wenn sie alle gleich schalten?«), dazu gehört die Durchdringung aller Lebensbereiche mit ständigen Bekenntnissen zur Regierungslinie und manischer Feindschaft gegenüber Abweichlern und Opposition. Die erste Botschaft, die der Kirchentag nach außen strahlt, findet sich tatsächlich in der Bibel: »Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich« (Matthäus 12:30a).
Doch, es geht beim Kirchentag entgegen des ersten Eindrucks wohl nicht nur um ewigen Wahlkampf, es geht auch um Inhalte, die man heute wohl unter protestantisch-christlich subsummiert, und einer dieser Inhalte wirkt in den Sozialen Medien wie das inoffizielle Motto der Veranstaltung: »Vulven malen« – man scheint stolz darauf zu sein, man verbreitet sogar Bilder animierter weiblicher Genitalien (@kirchentag_de, 19.6.2019/archiviert).
Nein, man wird beim Kirchentag eher nicht erfahren, was Menschen denken, die von der GEZ-Regierung-Grüne-Einheitsmeinung auch nur ein Jota abweichen. Man wird die Kanzlerin nicht fragen, wie sie das Leid rechtfertigt, das ihre Politik über die Menschen bringt, und wie sie ihr Handeln mit dem Amtseid vereinbart. Man wird wieder und wieder erleben, wie der Mensch die moralische (und gelegentlich »wissenschaftliche«) Genehmigung erhält, sich selbst auf seine Trieb zu reduzieren (etwa wenn Frauen empfohlen wird, sich unattraktiv herzurichten, um »Grabschereien« zu entgehen). Man wird, so steht zu vermuten, wahrscheinlich nicht lesen und bedenken, was Jesus über die Pharisäer dachte – aber man wird das weibliche Genital malen (das Seminar war voll besetzt, hört man), und der eine oder andere mag sich anschließend beim »Schöner kommen«-Seminar weitere Tipps holen wollen. Was das mit Jesus und dem Christentum zu tun hat, erschließt sich mir nicht unmittelbar, aber das haben »Vulven malen« und der Rest der auffallend politiknahen Kirchenleute gemeinsam.
Deutschland via Zeitmaschine
Die Evolution hat den Menschen nicht »designed« sondern durch Mutationen und Ausprobieren über die Zeit entwickelt (unter Grünen wird übrigens sogar das bestritten, siehe @MartinHaeusling/archiviert – Gutmenschtum und Wissenschaft vertragen sich eben schlecht). Das, was wir unser Ich nennen, ist (vor allem) ein Produkt des Gehirns, und auch dieses Gehirn hat sich über die Zeit entwickelt – was die Zerrissenheit unserer Seele begründet.
Manche der Eigenschaften, die wir Menschen noch aus Urzeiten mittragen, gelten auch heute als edel und wünschenswert, etwa die Liebe oder der Sinn für Schönheit. Andere Eigenschaften, die einst extra nützlich waren, sind heute eher hinderlich, und dazu zählt das übergroße Vertrauen aufs »Bauchgefühl«, das Denken in Freunden und Feinden, und die Unlust gegenüber dem Schwierigen.
Deutschland erlebt im Namen angeblicher Moral derzeit Auswüchse, die man eigentlich ins letzte Jahrhundert verbannt haben wollte.
Erst vor wenigen Tagen forderte der Ex-CDU-General die Beschränkung von Grundrechten für Andersdenkende, selbst in seiner eigenen Partei (siehe »Brodelnde Giftbrühe und Totalitarismus«). Es wird derweil übler, nicht besser: Der CDU-Politiker Ruprecht Polenz greift auf das antisemitische Brunnenvergifter-Klischee der Nazizeit zurück; sich auf eine bürgerlich-konservative Publikation beziehend spricht er vom »rechtsradikalen Ölfleck, der demokratisches Grundwasser versaut« (@polenz_r, 20.6.2019/archiviert).
Auch aus der vom Staatsfunk gefeierten Unternehmerin Sina Trinkwalder (»Chancen-Schneiderin«) sprudelt, was zu formulieren sie sich vielleicht schon länger sehnte. – »Diese Rechten sind der Krebs unserer freien Gesellschaft«, offenbart sich Trinkwalder, und diese Zellen »kapseln sich ab, metastasieren«. (@manomama, 20.6.2019) – Später versucht sie, ihren typisch linken Nazi-Jargon als »Experiment« umzudeuten. – Wenn es in Deutschland wieder drangehen sollte, den angeblichen »Krebs« – sprich: politischen Gegner – zu beseitigen, dann ahne ich, wer von der Grüne-SED-Regierung den Auftrag zum Nähen der Uniformen erhält.
Es ist in Deutschland schon länger »normal«, wenn Linksgrüne, sogar im Staatsfunk, über politische Gegner als »Ratten« reden (siehe: »›im Kanal die Rattenschar‹ – Humor im deutschen TV 2019«, »Es ist 2019 und in Deutschland werden wieder Menschen mit Ratten verglichen«).
Wenn an Ihnen ein Gefährt vorbeifährt, das wie ein Auto klingt und aussieht, dann gehen Sie davon aus, dass es ein Auto ist – und Sie werden damit zuverlässig richtig liegen.
Wenn Sie heute einen Menschen treffen, der in Freund-und-Feind denkt, der in Andersdenkenden »Ratten«, »Krebs« und »Ölflecken« sieht, der für seine politischen Ziele bereit ist, Menschenleben zu opfern und die Demokratie dranzugeben, dann nennt man ihn heute wie? Einen »Guten«.
Ein Zyniker könnte scherzen: »Wenn du via Zeitmaschine in Deutschland ankommst, und feststellen willst, welches Jahr es ist, frage einfach, wer derzeit ›Ratte‹ und ›Krebs‹ genannt wird.«
Die dunkelsten Triebe nach außen
Der motivierende Kern des Nationalsozialismus war nicht eine Lehre, sondern eine Art »moralischer Erlaubnis«, die dunkelsten Triebe nach außen zu kehren – wenn man im Gegenzug sich der Parteidisziplin unterwirft, quasi: »Unterwirf dich dem System, dann kannst du straflos an anderer Stelle deine dunkelsten Seiten ausleben.«
Der Deal, den die angeblich »Guten« den unbedarften Bürgern anbieten, ähnelt erschreckend dem impliziten Deal der Nationalsozialisten. »Unterwirf dich dem System«, so sagen die neuen Guten, »dann geben wir dir die moralische Erlaubnis, deine animalischen Triebe auszuleben.«
In Deutschland marschieren sie regelmäßig mit Slogans wie »Wir sind mehr!« – wenn deine Slogans verbatim von Goebbels stammen könnten, dann könntest auch Du es sein, der falsch liegt. Kennen Sie dieses Foto der salutierenden Werftarbeiter, wo nur einer der Mitarbeiter sich weigert, die Hand zum Hitlergruß zu strecken? (Es war vermutlich August Landmesser – er starb 1944.) – Die Leute, die heute »Wir sind mehr!« grölen, wägen sich im Glauben, sie seien alle im Geiste dieser eine August Landmesser. Ich fürchte, sie irren.
Wer den politischen Gegner nicht mehr auch nur als Menschen zu begreifen in der Lage ist, wer ihn mit »Ratten« und »Krebs« vergleicht, wer die Welt wie der ehemalige CDU-Generalsekretär, nur noch in Freund und Feind (bzw.: »Arschloch«) teilt (und als solche gelegentlich auch Parteikollegen einschließt), der appelliert an dieselben niederen Instinkte.
»Er nennt’s Vernunft«, so lässt Goethe seinen Mephisto über den Menschen urteilen, »und braucht’s allein, nur tierischer als jedes Tier zu sein.«
Dazwischen der Wassergraben
Wenn Sie einmal den Kölner Zoo besuchen sollten und sich Zeit für den Pavianfelsen nehmen, werden Sie – neben manch anderem Tierischen – feststellen, dass immer wieder die Affen im Rudel losziehen – und nicht immer ist ein Auslöser, wie zum Beispiel die Fütterung, erkennbar. Es scheint, dass Affen sich an der Bewegung im Rudel als solcher erfreuen, dass es ihnen angeboren ist, wenn alle in eine Richtung laufen, erstmal mitzulaufen.
Nun sind die Affen eben Affen, und niemand stellt an sie moralische Ansprüche, die über ihre Äffischkeit hinausgehen – und dafür sind sie erstaunlich »menschlich« im besten Sinne!
Doch, blind der Masse zu folgen ist auch eine gelegentliche Angewohnheit des Menschen. »Wir sind mehr!«, brüllt er, und merkt nicht, wie äffisch das ist.
Die »Guten« malen Vulvas, bringen das Intimste aufs Tapet, rosa und geschwollen wie Pornographie und Paviane. Ich vermute, auf dem nächsten evangelischen Kirchentag werden sie öffentlich kopulieren, wie die Paviane im Zoo, und wer das dann »affig« findet, der kann nur ein »Rechter« sein.
Goethe sprach von »der Masse, die nachtrollt, ohne nur im mindesten zu wissen was sie will« (in: Maximen und Reflexionen). Das Tierische lebt sich gut in der Gruppe aus, die Klugheit erarbeitet sich jeder allein. Das Tierische brüllt »Wir sind mehr«, die Klugheit grübelt und stellt Fragen.
»Mehr Demokratie wagen«, hieß es einst, und man wagt heute kaum noch, nach Demokratie zu fragen, weil man dann schon als »Rechter« und »Krebs« gilt. Ein anderer Satz wäre nicht minder notwendig: »Mehr Klugheit wagen!«, und, damit heute leider auch: »Mehr Einsamkeit ertragen.«
Beim Pavianfelsen im Kölner Zoo gibt es einen Graben, der die Menschen von den Affen trennt. Auf der einen Seite die Affen mit den roten Hintern, die hüpfen und fressen und gemeinsam ihre Genitalien gebrauchen. Auf der anderen Seite des Grabens dann die Menschen, die sich allesamt sicher sind, so viel zivilisierter als jene Affenwesen zu sein.
Nicht der Affenfelsen allein, sondern der Affenfelsen samt seiner Zuschauer scheint mir eine lebendige Metapher für unser eigenes Inneres zu sein – als Gesellschaft wie als Individuum.
Auf dem Felsen die Affen, vor dem Felsen die Beobachter, dazwischen das Wasser – von Zeit zu Zeit sollten wir uns vergewissern, auf welcher Seite des Wassergrabens wir uns gerade befinden.