Dushan-Wegner

15.02.2024

Legal, aber »das Staatswohl gefährdend«?

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten
Im demokratischen Rechtsstaat ist legal, was nicht per Gesetz verboten ist. Nur Diktaturen schaffen ein unscharfes, zweites Recht, das potenziell jeden politischen Gegner erfassen kann. Nichts anderes aber tut der Verfassungsschutz gerade!
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Zuerst wieder die Prämisse aller Aussagen, die man heute sinnvoll über Deutschland trifft: Deutschland entwickelt sich vor unseren Augen aus dem demokratischen Rechtsstaat hinaus. Wir beobachten in Deutschland live und in Farbe die Mutation einer Demokratie in eine Diktatur.

So wie die Augen das Fenster zur Seele sind, so ist die Sprache das Fenster in die Seele eines Volkes, aber auch in die einer Zeit. Lasst uns also unsere Augen auf die Sprache unserer Zeit und ihrer Behörden werfen!

Der umstrittene Herr Haldenwang vom berüchtigten deutschen Inlandsgeheimdienst wird aktuell etwa vom deutschen Staatsfunk gewohnt unkritisch mit der Ansage zitiert, man wolle – mit geheimdienstlichen Mitteln wohlgemerkt! – ein Auge auf Aussagen werfen, die »noch keine strafrechtliche Relevanz« haben, aber gleichwohl »staatswohlgefährdend« seien (dw.com, 13.2.2024).

Zuverlässige Eindeutigkeit

Bei wem an dieser Stelle nicht alle, wirklich alle relevanten Alarmsirenen zu schrillen beginnen, der ist kein Demokrat, und der war wohl nie einer.

Es ist das erste, letzte und wesentliche Kennzeichen eines Rechtsstaats, dass eben – wie das Wort schon das sagt – ein zuverlässiges Recht gilt.

Im Rechtsstaat ist eindeutig geregelt, was erlaubt ist, und was nicht. Und alles, was nicht verboten ist, ist erlaubt.

Was aber verboten ist, wird in einem demokratischen Rechtsstaat nicht willkürlich von einem Behördenchef festgelegt, sondern nach transparenter Debatte der in wirklich freier Wahl gewählten Volksvertreter beschlossen.

Mit dem 2. sehen wir alt aus

Der deutsche Inlandsgeheimdienst aber schafft sich Kriterien, um mit Geheimdienstmitteln ein paralleles Recht zu etablieren.

Wir kennen von Haldenwang ja bereits den gruselig schwammigen Kampfbegriff »Delegitimierung«. Praktisch jede Kritik an der Regierung kann potenziell als »verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates« gedeutet werden.

Schwammige Rechtsbegriffe, die nicht vom Parlament, sondern vom Geheimdienstchef willkürlich festgelegt wurden und unter die dann jede Kritik an der Regierung fallen kann – klingt das nach Demokratie oder nach totalitärer Diktatur?

Wir wissen, dass Politiker in Deutschland die Wähler praktisch beliebig beschimpfen können, als »Ratten«, »Fliegen auf Haufen Scheiße« und so weiter; schimpft aber ein Bürger zurück, dann greift Paragraph 188 des Strafgesetzbuchs, der explizit nur die Beleidigung von Politikern adressiert.

Wiederkehr im weißen Gewand

An dieser Stelle könnte man einwenden: »Das war aber schon immer so. Warum nennen wir es erst jetzt eine ›Mutation zur Diktatur‹?«

Nein, es war nicht schon immer so. Dieses konkrete, im Geist antidemokratische »legale Unrecht« trat 2021 in Kraft, und zwar mit dem Gesetz »zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität«.

Ihr kennt dieses Bonmot: »Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er sagen, er sei der Antifaschismus«. Nun, wir können es aktualisieren, konkretisieren und das »Wenn« streichen: Der Geist des Faschismus ist wieder da – falls er denn je ganz fort war – und nennt sich nun »Kampf gegen Rechts« und »Kampf gegen Hass«.

Es ist ein Kennzeichen von Demokratien, dass Politiker äußerst hart attackiert werden können. Es ist ein Kennzeichen von Diktaturen, dass störende Bürger als »Ratten« und »Fliegen« herabgewürdigt werden, während Politiker verbal zu attackieren richtig Ärger einbringen kann.

Bewusst unscharf

Zurück aber zum Inlandsgeheimdienst: Der will nun also ein Auge auf Äußerungen haben, die zwar legal, aber nach Meinung der Hobbyphilosophen des Verfassungsschutzes »staatswohlgefährdend« sind.

Die Sprache des Rechts ist scharf und präzise, um gerecht zu sein. Es ist die Sprache des Unrechts, die bewusst unscharf daherkommt.

Das ganze Zitat von der Pressekonferenz über das zu verhindernde »Gedankengut« lautet: »Das hat keine strafrechtliche Relevanz, aber es ist trotzdem staatswohlgefährdend« (siehe YouTube).

Es ist kein Zufall, dass man das Wort »staatswohlgefährdend« unwillkürlich im Honecker-Singsang aussprechen will.

Und auf tragische Weise ist es logisch, dass ausgerechnet das Ministerium und die Behörde, welche die Demokratie in erster Front verteidigen sollen, diese aktiv zerstören wollen. Der Ladendetektiv als Ladendieb, die Feuerwehr als Feuerteufel.

Who watches the watchmen? Wer verteidigt die Demokratie vor denen, die sie eigentlich verteidigen sollten?

Das Volk könnte es tun, doch das wurde weichgekocht, von Propaganda und Existenzangst.

Irrtum? Rettung? Oder egal?

Ich werde manchmal gefragt, auch von mir selbst: Wenn ich dies glaube, was ich sage, warum sage ich es dann?

Die Antwort ist, dass es drei logische Möglichkeiten gibt:

Die erste Möglichkeit ist, dass ich mich irre. Ich sehe leider noch nicht, wie das der Fall sein könnte, aber da ich kein Linker bin, muss ich diese Möglichkeit immer berücksichtigen. Und glaubt mir, in wenigen Angelegenheiten wünsche ich mir so sehr, mich zu irren, wie in dieser.

Die zweite Möglichkeit ist, dass die Mutation Deutschlands zur offenen Diktatur doch noch gestoppt werden kann, und zwar natürlich demokratisch. Schauen wir.

Die dritte Möglichkeit ist, dass ich richtigliege und die Entwicklung auch nicht gestoppt und zurückgefahren werden kann. Dann ist es an diesem Punkt eigentlich egal, denn Diktaturen sind nachtragend. Die werden mir irgendeinen Bullshit-Terminus anhängen wie »staatswohlgefährdend« oder »delegitimierend«.

So oder so oder so: Jeder Tag kommt nur einmal, und jeder von uns hat nur ein Leben. Was aber wäre ein Leben wert, wenn man nicht sein Bestes gab, seinem Gewissen zu folgen?

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