25.06.2019

Verantwortung als Lebenskonzept

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Bild von diana spatariu
Polizisten sind sauer, so wird (jetzt!) berichtet, dass die Folgen von 2015 bei ihnen abgeladen werden. In Berlin ist man darüber ganz erschrocken. – In welcher Parallelgesellschaft leben die Leute, die das erst jetzt mitbekommen?
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Zu Beginn unserer Reise durch die Täler und über die Höhen unseres Lebens, als Säuglinge, da braucht es zunächst eine ganze Weile, bis wir überhaupt erst begreifen, dass es eine Welt außerhalb unserer selbst gibt, bis wir zwischen »ich« und »nicht-ich« unterscheiden, und auch dann ist die erwünschte Außenhandelsbeziehung zur Welt eher eine nehmende und fordernde (und wenn wir uns nicht weiterentwickeln, werden wir politische Aktivisten).

Die Welt der Kinder dreht sich ums Lernen und Spielen – im Idealfall um Beides zugleich (gewissenlose Menschen erschaffen Spiele, die Kinder eigentlich nur das Konsumieren und das Füttern ihrer Daten in Konzernrechner lehren – ein anderes Thema).

Wenn das Kind eine Familie gründet und der Welt eine geldwerte Nützlichkeit anbietet – sprich: Geld verdient – bekommt das Leben einen kämpfenden Charakter. Ob Vater, Mutter, Arbeitnehmer oder Unternehmer, die aktivste Phase des menschlichen Lebens ist zuerst vom Kämpfen geprägt (und die Aufgabe des demokratischen Rechtsstaates ist es, den Kämpfen der Bürger faire Regeln zu geben und diese auch durchzusetzen).

Zu leben bedeutet zu kämpfen. Wir kämpfen gegen Krankheiten, gegen die eigenen Schwächen, gegen die Absichten der anderen, gegen die Armut und schließlich gegen die drohende Sinnlosigkeit.

So richtig, wichtig und zeitweise schön das Spielen, das Lernen und auch das Kämpfen sind, mein eigenes Leben wird seit einigen Jahren zunehmend von einem anderen Gefühl angetrieben. Warum stehe ich morgens vor der Familie auf? Warum tue ich gewisse Dinge, die weder Lust bereiten noch profitabel sind? Da ist etwas anderes, und ein früheres Ich wäre überrascht von mir.

Was motiviert sie – was motiviert Sie?

Wer das laufende Jahrzehnt nicht in einer Höhle lebte, unter einem Stein oder in den weltfremden Fluren des Berliner politmedialen Betriebs, wer sich auch nur kurz privat mit einem Polizisten oder einem der übrigen Beamten und Behörden vor Ort unterhalten hat, der ahnt, was in Deutschland wirklich passiert.

Ganz erstaunt hört man in der politisch-medialen Parallelgesellschaft davon, dass diejenigen, welche die realen Konsequenzen linken Wahns aufräumen sollen, echten Frust entwickeln (siehe auch: »Warum Demokratie?«).

Selbst ein einfacher Satz genügt heute, nervöse Skandallaune zu wecken. Die Polizisten sind »sauer«, so Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, »dass die Folgen von 2015 bei ihnen abgeladen werden« (welt.de, 24.6.2019).

Das Bemerkenswerte an den Meldungen über den Frust der Polizisten ist doch, dass man es erst jetzt merkt – hat sich in all den Jahren seit 2015 wirklich kein einziger Journalist mit einem Polizisten unterhalten? Selbst jetzt braucht es Prominente wie Merz oder Wendt, um zögernd zu formulieren, was »unten am Boden« längst fast jeder weiß. Sind Haltungsjournalisten wirklich dermaßen weltfremd, jahrelang nicht mit einem Polizisten gesprochen zu haben, sind sie einfach nur Lügner, oder ist es noch etwas anderes?

Polizisten halten ihre Knochen hin, und sie müssen sich von weltfremden, moralbesoffenen und dabei komplett unmoralischen Linksgrünen zugleich beschimpfen und herumkommandieren lassen. Die Frage, die ich mir stelle, wenn ich vom Frust der Polizisten höre, 2015 schon, und heute nicht minder: Was motiviert diese (meist) Männer, dennoch weiterzumachen? Warum haben sie angefangen? Warum machen sie weiter?

Definieren und erklären

Ich genieße sehr gern die Freuden des Lebens, vom perfekt gebratenen Burger bis zum romantischen Sonnenuntergang, von Tupac bis Tschaikowsky, von Rick and Morty bis Romeo und Julia, ich habe noch immer Spaß am Lernen und manche sagen, meine Texte zeugten von Freude am Kampf ums bessere Argument. Doch, in den letzten Jahren spüre ich noch etwas, eine andere Motivation, eine Eigenschaft in mir, die wohl immer da war, aber über die ich mich erst heute definieren und erklären würde. Es ist die Verantwortung.

Warum stehe ich morgens früher als der Rest der Familie auf? Aus dem Gefühl der Verantwortung. Warum schreibe ich Texte, die mir und den Menschen helfen sollen, zumindest in Gedanken einen Pfad aus dem Irrsinn zu finden? Aus Verantwortung. Und, ganz banal: Warum nehme ich in Kauf, von meinen Kindern »doof« gefunden zu werden, wenn ich ihnen nicht erlaube, unbegrenzt Bonbons zu essen? Aus Verantwortung.

Ich will nicht gemocht werden, ich will nicht gelobt werden und ich brauche kein Kopftätscheln von irgendwem (wenn auch mir wie jedem anderen Menschen etwas Anerkennung gut tut – es ist dennoch nicht, was mich antreibt).

Polizisten kümmern sich um die gefährlichen Konsequenzen gutmenschlichen Wahns. Polizisten übernehmen die Verantwortung, welche Gutmenschen und Gesinnungsethiker nicht übernehmen wollen. Polizisten übernehmen Verantwortung für die Welt, in der sie leben, für die Bürger und für die Bewohner, und von moralisch verlotterten Linksgrünen erhalten sie dafür Hohn und Verachtung. Ich fühle mich den Polizisten und Soldaten, den Aufräumern und Ordnern vor Ort, weit näher, als den schmalschultrigen Schwätzern in Berlin. 

Der simple Vergleich

Kürzlich ließ ein linkes Wochenblatt via Twitter wissen:

Liebe ZEIT-Leserinnen, liebe ZEIT-Leser, bitte beachten Sie: wegen des morgigen Weltfrauentags arbeiten die weiblichen Mitarbeiterinnen des ZEIT-Verlags morgen nicht.

Der Betrieb läuft wie gewohnt weiter.
(@DIEZEIT, 7.4.2019, nur noch archiviert verfügbar)

Stellen wir uns einmal vor, all die Männer und Frauen, die aus dem tiefen Gefühl der Verantwortung für die Demokratie ihre Knochen hinhalten, all die Ordner und Bewahrer würden für einen Tag ihren Job ruhen lassen.

Stellen wir uns vor, einen Tag lang legten alle Journalisten ihre Arbeit nieder und die Bürger würden sich via Internet selbst darüber informieren, was wirklich passiert. Und stellen wir uns vor, einen Tag lang legten alle Polizisten ihre Arbeit nieder – die Folgen mag man sich kaum ausmalen. Der simple Vergleich zeigt, welche Gruppe wirklich Verantwortung trägt, und welche eher verantwortungslos schwätzt.

Das inhärente Wesen

Verantwortung baut darauf auf, dass der Einzelne weiß und spürt, was seine »relevanten Strukturen« sind. Der Unternehmer, der Verantwortung für das Gehalt seiner Angestellten und die Zufriedenheit seiner Kunden übernimmt, oder der Polizist, der Verantwortung für die Ordnung der Gesellschaft übernimmt.

In der Stadt aufgewachsene Demo-Touristen, für die das Essen aus dem Supermarkt kommt und der Strom aus der Steckdose, trampeln durch Felder und verhöhnen die Bauern (siehe etwa bild.de, 24.6.2019). Es ist das inhärente Wesen des Gutmenschentums, dass man explizit keine Verantwortung für die potentiell tödlichen Folgen seines Handelns übernimmt (siehe auch »Die Schuld der Gutmenschen«).

Ja, ich definiere mich heute über die Verantwortung, die ich gern übernehme, und also könnten mir Linksgrüne emotional kaum fremder sein. Wann bin ich am Abend zufrieden mit dem Tag? Wenn ich mit Elli und den Kindern zusammensitze, wenn die Aufgaben des Tages erledigt sind und der nächste Tag vorbereitet ist, und wenn ich bei all dem dabei das maximal befriedigende Gefühl habe, meiner Verantwortung gerecht geworden zu sein.

Die linksgrünen Schwätzer in Berlin wirken auf mich wie Menschen, die in ihrem Leben nie gelernt haben, Verantwortung zu übernehmen (siehe auch »Werdet erwachsen!«) – und wenn sie eines Tages die Bedeutung von Verantwortung begreifen werden, werden sie bereits irreparablen Schaden angerichtet haben; die Verantwortungslosen werden ihre Verantwortung leugnen – es wird nicht das erste Mal sein.

Ich wünsche den Polizisten in Deutschland die Kraft, auch morgen und jeden weiteren Tag aus Verantwortung für die Gesellschaft zur Arbeit zu gehen, auch wenn buchstäblich verantwortungslose linksgrüne Rotznasen in Berliner Behörden und Redaktionen sie dafür anpampen.

Hoffen wir, dass all die Menschen, die ihre Knochen hinhalten aus Verantwortung für die Gesellschaft, es auch weiterhin tun. Hoffen wir, dass bald klügere Zeiten kommen.

Weiterschreiben, Dushan!

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