Letztens sprach ich mit einem lieben Bekannten, da kam sein kleiner Junge weinend angelaufen. – Oh, was war passiert?!
War der Kleine hingefallen?
Hatte jemand ihm wehgetan?
Was für eine Katastrophe mochte geschehen sein?
Der Junge sollte, so stellte sich bald heraus, am folgenden Tag seinen Geburtstag feiern. Er hatte sich ganz schlimm doll ein bestimmtes Spielzeug gewünscht. – Sein Leben war in den Tagen vorm Geburtstag von der aufregenden Ungewissheit bestimmt gewesen, ob sein Wunsch in Erfüllung gehen würde.
Ausgerechnet am Tag vor seinem Geburtstag aber, kurz bevor er weinend hereinlief, hatte sich ein wahres Desaster betreffs seiner Vorfreude ereignet!
Der Vater hatte das betreffende Spielzeug tatsächlich gekauft, und er hatte über WhatsApp der Mutter eine diesbezügliche Sprachnachricht geschickt.
Die Mutter hatte unbedacht eben diese Sprachnachricht in Anwesenheit des Kindes abgehört – und so hatte der Junge vorab erfahren, dass das Spielzeug gekauft worden war.
Die Überraschung war dahin! Keine Erwartung mehr! Kein kribbelndes Bangen! Kein fröhlich-nervöses Nichtschlafenkönnen!
Das war der Grund, warum der Junge weinte: Er hatte etwas erfahren, was doch nur seine Eltern wissen sollten – er hatte das vertrauende Nichtwissen genossen.
Ihr liebster kaffeetrinkender Essayist konnte aber nicht anders, als aus der Freude am Komplizierten zu versuchen, in innerer Stimme die vermutliche Intention des Jungen auszuformulieren.
»Ihr Eltern«, so hatte der Junge implizit gesagt, »ihr solltet mich doch im Unklaren darüber lassen, ob mein Wunsch sich erfüllen würde! Selbst wenn ich euch gefragt hätte, ob es geschehen würde, hättet ihr mir auf die eine oder andere Weise die Information vorenthalten sollen! Ich bin doch nicht wie ihr, ihr Erwachsenen, die ihr alles immer gleich wissen müsst! Lasst mir doch die Freude am Kindsein, am blinden Vertrauen in eure Pläne!«
Projiziere ich zu viel in des Jungen Kindertränen? Vielleicht ja, vielleicht nein – ganz falsch wird es schon nicht sein. Die zentrale Aussage des Jungen war die Bitte, nicht alles gesagt zu bekommen – und das fand ich bemerkenswert.
Der Grundton
Ich genoss dieser Tage den Austausch mit einem Herrn, der sich für »liberal« hält, doch unter jenem Lack auf mich robust »systemgläubig« wirkt (und auch einen Teil seines Einkommens vom Geld bestreitet, dass Bürgern unter Androhung von Knast abgepresst wurde), und dieser Herr sah sich motiviert, mir Begriffe wie »Weltverschwörung« an den Kopf zu schmeißen.
Der mitschwingende Grundton war, ich sei ein »Spinner«, der an »Weltverschwörung« glaubt – anders wohl als er.
Wie beim Weinen des kleinen Jungen meines Bekannten, so frage ich mich auch bei manchem Plärren der Gerngehorsamen gelegentlich (und zur philosophischen Übung), wie sich deren implizite Aussage – samt derer Implikationen wiederum – explizit machen ließe.
Wenn ich die These aufstelle, dass die Mächtigen sich gelegentlich hinter den Kulissen absprechen, im Verborgenen zu ihrem Vorteil zu handeln, so wäre ich ein »Verschwörungstheoretiker«.
Die Gegenthese zu »Verschwörungstheorien« ist aber, dass sich die Mächtigen niemals absprechen!
Ja, formulieren wir es aus: Wer sagt, er sei gegen alle Verschwörungstheorien, der sagt damit implizit und unzweideutig, dass sich seiner Meinung nach die Mächtigen niemals absprechen, dass die Medien in Konzern- und Politikerhand ihm immer die ganze Wahrheit sagen, und dass im Moment der Machterlangung alle Mächtigen sofort zu edlen Menschen wurden, die ihre Macht und Möglichkeiten niemals zu ihrem eigenen Vorteil nutzen würden.
Mit Verlaub: Die These von der Abwesenheit aller Verschwörungen klingt viel »wahnsinniger«, als die simple Annahme, dass die Mächtigen sich bei Gelegenheit absprechen und zu ihrem eigenen Vorteil handeln – und der Lebenserfahrung, dass die Mächtigen bei Gelegenheit meinen, nicht von »gewöhnlicher« Rechtsprechung betroffen zu sein (dank ihrer Macht und ihrer globalen Mobilität sind sie oft genug nicht vom »gewöhnlichen Recht« betroffen, ganz praktisch, wie nun etwa bei Steuern ein jeder weiß).
Die Wahrheit
Wir haben dieser Tage immer wieder von der »Wuhan-Labor-Theorie« gehört. Ich habe die Nachricht dazu etwa in den Essays vom 7.5.2021 und vom 24.5.2021 notiert. (Und ich habe es für Zwischen-den-Zeilen-Leser lange davor angedeutet, etwa in den Essays vom 24.4.2020, vom 28.10.2020 und vom 30.01.2020.)
Wir erleben dieser Tage am Beispiel eben der Wuhan-Labor-Virus-Theorie wie schief, verlogen und gefährlich die Idee ist, dass irgendwelche »Wahrheitsexperten« festlegen könnten, was »die Wahrheit« ist.
Wir lesen aktuell (nypost.com, 26.5.2021), dass Facebook seine Richtlinien dazu ändert, ob man auf der Plattform behaupten darf, dass COVID-19 eventuell menschengemacht sein könnte.
Mit anderen Worten: Es könnte im sprachphilosophischen Sinne die ganze Zeit über wahr gewesen sein, also mit den tatsächlichen Ereignissen kohärent, dass das Virus menschengemacht ist oder zumindest aus einem Labor stammt. Es war allerdings eine »verbotene Wahrheit«, und jetzt wird es zur »erlaubten Wahrheit«.
Als Einleitung zum Essay »Windstöße auf schmaler Brücke« schrieb ich vor etwas über einem Jahr: »Die Verschwörungstheorie von gestern ist die plausible These von heute. Wenn wir etwas aus der Krise gelernt haben, dann dies: Glaubt NICHTS nur deshalb, weil Leitmedien es sagen, und wenn sie etwas laut bestreiten, schaut lieber doppelt hin.«
Im Essay »Merkel muss weg, der Staatsfunk mit ihr!« vom 18.3.2020 beschrieb ich den Fall, als der Staatsfunk es um 13:33 noch »Falschmeldungen« nannte, dass es zu Ausgangssperren kommen würde – und um 14:43 wurde dann die erste Ausgangsperre erklärt.
Die Zeitspanne zwischen »Verschwörungstheorie« (oder: »Verschwörungsmythos«, wie die Propaganda heute sagt) und plausibler Möglichkeit – oder gar blanker Realität – kann manchmal nur eine Stunde betragen – und manchmal etwa ein Jahr.
In der Zeitspanne zwischen »Leugnung von oben« und »offizieller Wahrheit« gilt die wahre Wahrheit als »verboten«, und manche umstritteten »Faktenprüfer« mit spannenden Geldgebern lassen solange die wahre Wahrheit auf Facebook sperren – und diejenigen, welche die verbotene, aber wahre Wahrheit aussprechen, zur »Sicherheit« gleich mit.
Als der letzte unbezweifelt demokratisch gewählte US-Präsident, Donald J. Trump, vom Wuhan-Labor als möglichem Virus-Ursprung sprach, machten sich all die Sumpf-Journalisten über ihn lustig. Die Propaganda griff alle an, die diese Theorie auch nur als denkbar ansahen (vergleiche nymag.com, 24.5.2021). Es ist schon jetzt nicht der einzige Punkt, in welchem man Trump im Nachhinein recht gibt (nachdem Biden ankündigte, den Bau der »Mauer« zu Mexiko – es ist eher ein hoher Zaun – zu beenden, baut er sie im Schatten der Corona-Panik nun doch weiter, siehe etwa news.yahoo.com, 13.5.2021).
Einige »Faktenchecker« und »Wahrheitsprüfer« verteidigen die offizielle Wahrheit, also dass was Konzerne, NGO-Financiers und Regierungen hören wollen (und dies ist nicht immer die jeweils eigene Regierung, fürchte ich). (Randnotiz: Dass diese Gestalten gar nicht »Wahrheit« prüfen können, beginnt schon damit, dass meines Wissens kein einziger davon, anders als in aller Bescheidenheit etwa Ihr treuer Essayist, eine sprachphilosophische Ausbildung absolvierte, wo man sich tatsächlich strukturiert mit der Frage nach dem Wesen von Wahrheit beschäftigt.)
Die Säuglingshaltung
Dass Journalisten sagen, was sie sagen müssen, um ihre monatlichen dreißig Silberlinge überwiesen zu bekommen, damit habe ich mich schon lange abgefunden. Das ist Teil des »neuen Normal«.
Ich ringe aber auch weiterhin mit der Frage, warum ansonsten zurechnungsfähige Menschen mit solcher Vehemenz eine Regierung und einen Staatsfunk verteidigen, die wieder und wieder und wieder gezeigt haben, dass sie für ihre Ziele bereit sind, die Wahrheit zu verbiegen, Gefahren zu leugnen, politische Gegner brutal und antidemokratisch fertigzumachen, offen zu lügen, die Organe des Staates für Parteiziele zu nutzen, das Leben der Bürger zu riskieren und dem Land nachhaltigen, irreparablen Schaden zuzufügen.
Wir wissen, dass Politiker einige Hunderttausend als Provision für die Millionen-Euro-Maskendeals kassierten. Wir operieren zugleich mit der These, dass bei den Milliarden-Impfstoff-Aufträgen keinesfalls irgendwelche Deals und keinesfalls irgendwelche Versprechen für die Zukunft stattfanden, und dass keinesfalls in den nächsten Jahren sehr wohldotierte Deals bekannt werden, und dass man keinesfalls von sehr lukrativen Berater- und Aufsichtsratsposten für einige »Player« hören wird.
Wenn sich, wie Verschwörungsleugner es annehmen, die Mächtigen niemals absprechen, wofür braucht es eigentlich überhaupt das Kartellamt? Wofür Staatsanwälte, die theoretisch auch bei Politiker nach der Legalität schauen können (und komischerweise nur kleinere Fische fangen). – Was wir wirklich bräuchten, das wäre ein Super-Kartellamt, Welche Absprachen zwischen Politik, Konzernen und globalen Akteuren wie Epstein oder Gates untersucht. Dafür waren einst Zeitungen da, doch dann machten sich Politik und Konzerne diese untertan (alles andere wäre ja auch wenig logisch).
Gestern erhielt ich (via @monoeides, 26.5.2021) einen Hinweis auf den Essay eines Autoren, der eine die inneren Vorgänge des Verschwörungsleugners auf wunderbar erhellende Weise beschreibt.
Tim Foyle (reportingforbeauty.substack.com, 5.2.2021) stellt diese brillante These zur Psychologie der Verschwörungsleugner auf:
[…] the innate impulse to trust the mother never evolves, never encounters and engages with its counterbalance of reason (or mature faith), and remains forever on its ‚default‘ infant setting. (Tim Foyle, reportingforbeauty.substack.com, 5.2.2021)
Meine Übertragung ins Deutsche:
[…] der angeborene Impuls der Mutter zu vertrauen entwickelt sich nie weiter, trifft nie auf und beschäftigt sich nicht mit seinem Gegengewicht, der Vernunft (oder gereiftem Vertrauen), und bleibt für immer in seiner ›voreingestellten‹ Säuglings-Einstellung. (Tim Foyle, reportingforbeauty.substack.com, 5.2.2021)
Was für eine großartige These! Es schadet der These fürwahr nicht, dass sie an die Deutschen erinnert, deren verlorenste Propagandaopfer die Zerstörerin des Landes, den schlechtesten Staatschefs seit Beginn der Bundesrepublik tatsächlich »Mutti« nennen.
Je komplexer und gefährlicher die Welt wird, umso vertrauensseliger wirft sich der Verschwörungsleugner jenen um den Hals, welche ihn wieder und wieder belogen haben, welche die Welt überhaupt erst komplexer und gefährlicher werden ließen.
Der Tritt
Selbst wenn man alle freien Medien ignoriert, selbst wenn man nichts als den Staatsfunk und von der Regierung anerkannte Zeitung liest, wenn es einem aber zugleich gelingen sollte, das säuglingshafte Blödvertrauen abzulegen und die blanke Erfahrung heranzuziehen, dann muss man doch sehen, dass diese Leute nicht unser Bestes beabsichtigen.
Die Verschwörungsleugner, die Merkelwähler und Staatsfunkgläubigen, sie sind wie der Hund, der hundert mal getreten wird und doch zurück humpelt, um sich den hundertersten Tritt zu holen, sie sind wie der Hund, dem das Herrchen hundert mal nur so getan hat, als würde es den Ball werfen, und beim hundertersten Mal läuft der Hund dennoch wieder los, im gründlich unbegründeten Vertrauen, diesmal, ja diesmal würde wirklich ein Ball geworfen werden.
Die Milch
Wenn die Kindheit eines Kindes eine einigermaßen gute ist, dann dürfen diese Kinder im Grundvertrauen gegenüber ihren Eltern leben – und sie dürfen es genießen.
Der Junge meines Bekannten genoss es, dass seine Eltern mehr wussten als er, dass sie ohne sein Wissen die Dinge in seinem Sinne und Interesse bewegten. Er wollte gar nicht Teil der Planung sein – und als er es doch wurde, war er enttäuscht.
Als ich davon hörte, dass Facebook jetzt, ein Jahr später, es »erlaubte«, die Wahrheit zum möglichen Wuhan-Labor-Ursprung des COVID-19-Virus zu posten, gehörte ich zu den vielen, die sich sogleich dachten: Bald werden die »höheren Mächte« vielleicht auch erlauben, offen die Merkwürdigkeiten rund um die US-Wahl zu benennen (obwohl das wieder eigene Rahmenumstände hat, siehe die Spenden von Facebook-Chef Zuckerberg und anderen; siehe Essay vom 9.1.2021).
Es scheint recht offensichtlich, dass ein möglicher Labor-Ursprung schlicht China zum emotionalen Gegner aufbauen würde, was Trump stärken und die »Wahl« von »China-Joe« noch aufwändiger machen würde. Wenn es heute erlaubt wird, darüber zu reden, dass das Virus aus einem Labor kommen könnte – wie lange wird es dauern, bis man offen über Nebenwirkungen und mögliche Langzeitfolgen der mRNA-Behandlung reden wird? Ein Jahr? Zwei Jahre?
Ich zitierte gestern den 1. Korintherbrief des Paulus; heute will ich es wieder tun, wenn auch elf Kapitel früher einsetzen.
»Milch habe ich euch zu trinken gegeben und nicht feste Speise«, so schreibt Paulus in 1. Korinther 3:2a, »denn ihr konntet sie noch nicht vertragen. Auch jetzt könnt ihr’s noch nicht…«
Paulus meint die Lehre, er meint die Erkenntnis. Und warum können sie es auch »jetzt« noch nicht? Weil sie, so Paulus »fleischlich« sind. »Fleischlich«, das würden wir heute »tierisch« nennen, »animalisch« vielleicht sogar, also etwas anderes als »aufgeklärt« oder »vernünftig«, eben: »kindisch«.
»Werdet erwachsen!«, so schrieb ich 2018, und ich könnte es den ganzen Verschwörungsleugnern heute wieder zurufen.
Der Erwachsene
Nein, »Mutti« ist nicht eure »Mutti«, und wenn eine echte Mutti sich so verhielt wie diese Gestalt, nähme das Jugendamt ihr die Kinder weg, und andere Behörden würden nochmal ganz andere Dinge erwägen.
Ich habe dem Jungen meines Bekannten am selben Tag noch eine Packung Matchbox-Autos geholt und sie verpacken lassen. So hatte er dann doch eine Überraschung! (Außerdem hätte ich ja nicht nichts tun können, nachdem ich es erfahren hatte.)
Die irrste Verschwörungstheorie ist die, dass es keine Verschwörungen gibt. Verschwörungsleugner sind wie der kleine Junge, der bitterböse wird, wenn man ihm verrät, was wirklich passiert. Was beim kleinen Jungen niedlich ist, ist beim Erwachsenen ein tragischer Fall.
Die rationale und erwachsene Frage ist nicht, ob es Verschwörungen gibt, sondern welche.
Lasst die Milch der Kinderzeit hinter euch und esst festes Brot! Prüft alles, glaubt wenig und denkt selbst – kurz: Werdet erwachsen!