Dushan-Wegner

11.09.2021

11. September 2041

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten, Foto von Gauravdeep Singh Bansal
Am 11.9.2001 hat ein junger Mann (zuvor Student in Hamburg) mit seinen Kumpels den tödlichsten Terroranschlag der Geschichte verübt. Kurz vorm 20. Jahrestag hat Biden den Taliban den Sieg (und viele Waffen) geschenkt. Wo wird die Welt in 20 Jahren sein?
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Es ist der 11. September 2021, und die Taliban haben gewonnen. Am 11.9.2001 hat ein Student aus dem toleranten Hamburg mit seinen Kumpels in New York den tödlichsten Terroranschlag der Geschichte verübt.

Ich lese in den sozialen wie auch den beruhigend gleich schaltenden alten Medien aktuell die Bekundungen von Politikern und Prominenten.

Wenn einer, der in den letzten Jahren offene Grenzen forderte, oder gar offen log, von solcher Unvorsicht ginge keine Terrorgefahr aus, bezüglich 9/11 groß betroffen tut, dann möchte mir übel werden.

Wenn einer sich den notorischen Lügner Joe Biden als »Präsidenten« wünschte, also jenen senilen Grabscher, der den Taliban zum zwanzigsten Jahrestag von 9/11 den Sieg über Afghanistan und unvorstellbare US-Dollar an Waffen schenkte, wenn so einer irgendwas von Werten redet, dann schüttelt es mich.

Es ist 20 Jahre nach 9/11 und die Taliban haben in Afghanistan gewonnen – ich ergänze: die Taliban haben vorübergehend gewonnen.

Im Essay »Die Kreise der Taliban« (16.8.2021) habe ich notiert, dass China bereits diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen zu den neuen Herrschern Afghanistans aufgenommen hat. Anderswo höre ich, dass auch Russland wieder aktiv ist (ein Zyniker fügt hinzu: diesmal wohl freundlicher als beim ersten Versuch).

Die Taliban haben gewonnen – bis sie sich Geld von China leihen. (Ist es ein Motivator für den Westen, den Taliban jetzt Geld zu schenken, damit sie sich nicht Geld von China »leihen«, womit China womöglich bald Afghanistan übernehmen würde, erst einmal ganz ohne Waffen? (Anders als Deutschland wird China nicht Geld verleihen, von dem es nicht genau weiß, wie es die Summe samt Zinsen oder natürlich einem anderen Gegenwert wieder eintreiben wird.))

Als 9/11 passierte, war ich 27 Jahre alt.

Vielleicht kennen Sie ja »meine« 9/11-Story: Am Morgen jenes Tages kam ich in den Genuss einer Wurzelbehandlung am Backenzahn. Nach der OP, auf dem Weg zur U-Bahn am Kölner Neumarkt, sah ich in der Richmodpassage eine Traube von Menschen vorm Fernseher. Es lief CNN, was damals ein ernsthafter Nachrichtensender war. Ich sah die Bilder aus New York, und ich fragte mich kurz: »Wieviel Narkotikum hast du noch im Gehirn?« – Ich nüchterte sehr schnell aus. – Heute, 20 Jahre später, denke ich beim Schreiben von »Menschentraube« unwillkürlich »Corona-Risiko«, »Mindestabstand« und »sicher hatten die alle Masken auf«. Ach, das Trauma der einen Zeit greift ins Trauma einer anderen über.

In weiteren 20 Jahren werde ich, so das Schicksal es gestattet, 67 Jahre alt sein. Hmm.

Ich halte weder Terror noch Viren für »die große Katastrophe«, welche die wirklich großen Linien unserer Zukunft bestimmen wird. Ich sehe für die Welt in zwei Jahrzehnten zwei andere bestimmende Faktoren, und beide formen unsere Welt bereits heute.

Der erste Trend: In zwanzig Jahren werden wir dümmer sein. Wir werden erleben, dass selbst Ärzte, Ingenieure und Juristen zwar bei Intelligenztests mit Bestwerten abschneiden und doch spektakulär blöd sein mögen. Ja, wir sind dümmer geworden – genauer: »un-weiser« – und wir werden noch viel dümmer werden. Sich als Einzelner (wie auch als Unternehmen) darauf vorzubereiten, das wiederum wäre klug.

Der zweite Trend: Schon heute ist der Umgang mit Daten sehr profitabel. Wir bewegen uns auf eine Zeit zu, in welcher der Umgang mit Daten nicht nur eine Nische der Wirtschaft sein wird, sondern die Wirtschaft. Wer wirklich etwas Handfestes liefert, etwa als Energieproduzent oder Arzt, der wird es tun, um Datenverkehr möglich zu machen (etwa Rechenzentren zu betreiben), oder wird nach Anweisung von Algorithmen handeln (wie Ärzte, die nach Computerdiagnose operieren, nachdem sie den Computern die Patientendaten lieferten). Und warum ist Afghanistan heute überhaupt interessant? Vielleicht weil in Afghanistans Erde die Rohstoffe zu finden sind, welche es für die Geräte zur Datenverarbeitung braucht?

Vor zwanzig Jahren wurde klar, dass die nächsten zwanzig Jahre vom Kampf gegen sehr unscharf definierte Feinde geprägt sein würden (erst wurde gegen den Terror gekämpft – heute wird nun im Kampf gegen Rechts gegen jene gekämpft, die Terror fürchten).

Der westliche Kampf gegen Abweichler und Andersdenkende in den eigenen Reihen sieht wie eine Auflösungserscheinung aus, wie ein dem Abgrund geweihtes Regime, das sich in seinen Todeswehen noch schnell einen Feind sucht. (Es wirkt funktional aber auch wie ein »letztes Aufräumen«.)

Die nächsten Jahre werden immer weniger von Kampf geprägt sein, sondern mehr von geistiger Wehrlosigkeit – nicht nur die Taliban haben gewonnen.

Wir werden dümmer werden, und »die Wirtschaft« wird »Datenanalyse plus Hilfskräfte« sein.

Es ist der 11. September 2021. Ich denke zurück an den 11. September im Jahr 2001. Und ich versuche, mir den 11. September 2041 vorzustellen.

Ich wünsche uns sehr viel Glück, guten Mut und eine robuste Gesundheit.

Und ich hoffe auf Klugheit.

Weiterschreiben, Wegner!

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11. September 2041

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