Der Meister hielt einen Teller hin, auf dem sich acht Reiskuchen befanden. – »Nimm dir einen!«, sagte der Meister.
Der Schüler wählte einen der Reiskuchen. Er dankte und biss hinein. Der Reiskuchen war mit süßen Bohnen gefüllt und erfreute ihn.
»Erkläre mir«, sagte der Meister, »was du eben getan hast!«
Der Schüler schluckte den Bissen in seinem Mund herunter, dann sagte er: »Ich habe mir einen Reiskuchen genommen. Jetzt esse ich ihn. Er schmeckt sehr gut, dankeschön!«
»Das freut mich«, sagte der Meister, »doch sage mir, sind die übrigen Reiskuchen denn schlecht? Alle sieben von ihnen? Weißt du denn, womit jene Reiskuchen gefüllt waren?«
»Gewiss nicht«, sagte der Schüler, »ich habe einen von ihnen ausgewählt, denn einen auszuwählen war meine Aufgabe. Ich könnte wohl nicht einmal sagen, wieso ich den einen auswählte und nicht einen anderen, oder ob ich einen Grund hätte, anders zu entscheiden.«
»Du hast einen der Reiskuchen gewählt«, sagte der Meister, »das stimmt. Du hast dich für den einen Reiskuchen entschieden und damit gegen die übrigen!«
»Einen zu nehmen«, fragte der Schüler, »bedeutet, sich gegen die anderen zu entscheiden?«
Der Meister nickte, und er sagte: »Es ist gut, zu wissen, womit die anderen Reiskuchen gefüllt waren.«
Der Schüler seufzte.
Der Meister zeigte auf den Teller und sagte: »Nimm noch einen Reiskuchen!«
Der Schüler zögerte.
Der Meister lachte, nahm sich selbst einen und biss hinein. Mit vollem Mund sagte er: »Diesen hier hättest du probieren sollen!«
An einem anderen Tag, zu einer anderen Gelegenheit, erklärte der Meister einmal: »Dafür ist dagegen, und dagegen ist dafür. Du entscheidest nicht dafür oder dagegen, du entscheidest dafür und zugleich gegen den Rest der Welt. Entscheide!«
Ewig und täglich
Einer der Unterschiede – fürwahr nicht der einzige – zwischen westlichem und (fern-)östlichem Denken ist die Interpretation der Weltgeschichte als Pfeilflug oder Kreisbewegung – man könnte es auch lineares und zirkuläres Weltbild nennen. Im westlichen Weltbild und dem Weltbild der drei abrahamitischen Religionen interpretiert man die ganz große wie auch die nahe Geschichte wie den Flug eines Pfeils: Ein Bogenschütze schießt den Pfeil ab, und der Pfeil fliegt, sich etwas windend, vom Wind und seinen eigenen Schwingungen bewegt, bis er in sein Ziel trifft. Im Weltbild der ewigen Wiederkehr kehrt alles wieder, wieder und wieder, sogar die Seelen – außer es gelingt ihnen, dem Samsara zu entkommen und ins Nirwana zu gelangen.
Im Text »Murmeltiertag, deutsche Fassung 2019« schrieb ich, wie sich deutsche Nachrichten wie die tägliche Wiederkehr anfühlen, und wir, die Hauptdarsteller (und jeder sollte eben dieser in seinem Lebensfilm sein) zwar dazulernen, die kleine und große Welt um einen herum aber eben nicht – wie auch? Nun, der Film ist viele Jahre alt, Bill Murray hat längst den Quasi-Status eines Meisters oder Gurus erlangt (Interessierte könnten sich mit den Lehren von Georges I. Gurdjieff beschäftigen).
Was liest man in den Nachrichten aktuell denn so? »Mordkommission ermittelt – Gruppe prügelt Mann (18) fast tot« (bild.de, 8.11.2019). 22.284 Ausländer, die seit 2012 ausreisten, sind wieder in Deutschland (jungefreiheit.de, 7.11.2019) – die deutsche Variante der ewigen Wiederkehr. – Ach ja, bevor wir es vergessen, es kehrt wirklich alles täglich wieder, ganz besonders die These, dass die Opposition an allem Bösen schuld sei. Nachdem zwei Abgeordnete im Bundestag in gesundheitliche Schwierigkeiten gerieten, wusste der kluge Karl L. von der SPD zu berichten, »dass die gesundheitliche Belastung höher geworden ist, seit die AfD im Bundestag sitzt.« (spiegel.de, 8.11.2019) – Er ist nicht allein! – »Früher wurden Reden zu Themen, bei denen Einverständnis besteht, meist zu Protokoll gegeben“, beschwert sich ein CSU-Mann, doch die AfD bestehe darauf, zu allen Themen auch zu sprechen« (abendblatt.de, 9.11.2019). Lautet der Vorwurf tatsächlich, dass seit die AfD da ist, Abgeordnete wieder mehr von ihren Job tun müssen? Unter den politischen Vorwürfen, die einer Partei entgegenschwappen können, ist dieser nicht der schmerzhafteste.
Was auch immer passiert, die AfD ist Schuld. Wann haben wir uns eigentlich für diese ewige und tägliche Wiederkehr entschieden?
Dafür und dagegen
Wer sich für etwas entscheidet, der entscheidet sich immer auch gegen vieles andere. Deutschland und die Deutschen haben heute zwei große Entscheidungsprobleme! Man hat sich, so demokratisch wie möglich, für eine Kanzlerin entschieden, deren Leitstern die Unmöglichkeit einer Entscheidung ist, die »Alternativlosigkeit«. Als einige Bürger frech den einen und einzigen Fixpunkt ins Merkels totaler Beliebigkeit anzugreifen wagten, die Lüge von der Alternativlosigkeit, und zwar schon im Namen der Partei, die sie gründeten, erklärte das Establishment diesen Menschen den Krieg.
Die eine und gewiss brennende Frage ist, warum sich die Deutschen für diese Frau und diese suizidale Politik entscheiden. Doch, gemäß der Geschichte vom Meister, vom Schüler und vom ausgewählten Reiskuchen, müssen wir auch fragen: Sind sich die Deutschen dessen bewusst, wogegen sie sich entscheiden?
Wer sich für linksgrüne Politik entscheidet, der entscheidet sich für einen kurzen moralischen Rausch, aber dafür gegen sichere Parks und Innenstädte, gegen Weihnachtsmärkte ohne Grenzschutzanlagen, gegen die Freiheit der Meinung, gegen Industrie und Arbeitsplätze, und letzten Endes gegen die Zukunft des eigenen Landes – ist all das wirklich so wenig wert, dass wir es für ein vergängliches Moral-Besäufnis eintauschen?
Der vom Heroin abhängige Junkie unterscheidet sich vom moralinsüchtigen Gutmenschen darin, dass der Junkie sich in klaren Momenten sehr wohl dessen bewusst ist, was er für seinen Rausch alles aufgegeben hat.
Kluge Zeiten, dumme Zeiten
Die Entscheidungen, die Deutschland getroffen hat und weiter trifft, sind nie nur Entscheidungen für etwas, sondern eben auch Entscheidungen gegen vieles andere – und darunter gegen vieles, was das Leben eigentlich lebenswert und schön macht, aber den Linksgrünen in ihrem Moralinrausch nicht bewusst war, als sie sich dagegen entschieden.
Es gibt kluge Zeiten, es gibt dumme Zeiten – wir müssen nicht diskutieren, was für Zeiten eben diese sind – es gibt sichere Zeiten und es gibt gefährliche Zeiten. Wie auch immer die Zeiten sind, ob das Land klüger oder dümmer wird, freier oder ungerechter, wer lernen will, wer ein Leben lang ein Lernender bleibt, der wird immer lernen können.
Versuchen wir also, uns für einen Augenblick über das Graue und Grausame der Gegenwart zu erheben. Leisten wir – ach, nicht das erste, letzte oder gar das einzige Mal – leisten wir das, was Deutschland wieder einmal nicht zu leisten vermag: Lernen wir! (Übrigens: Ich habe heute Abend gelernt, dass meine Kinder sich bei den Reiskuchen zum Nachtisch sehr deutlich entscheiden können: alle Reiskuchen!!!)
Die Entscheidung für das eine ist immer auch die Entscheidung gegen alle anderen Konstellationen der Welt. Jede Entscheidung für etwas ist auch eine Entscheidung gegen manches andere. Wenn du nicht entscheidest, werden andere entscheiden. Du entscheidest nicht dafür oder dagegen, du entscheidest dafür und zugleich gegen den Rest der Welt.
Wisse, was du entscheidest, wofür und zugleich wogegen. Vor allem aber: Entscheide!