Stellt euch vor, der Drosten tritt zurück – und keinen kümmert es wirklich. Halt, nein! Wir müssen es uns nicht vorstellen: Es ist wirklich passiert. Jedenfalls so halb.
Erst meldete es der weiterhin völlig normal wirkende Karl Lauterbach – via Twitter: @karl_lauterbach, 28.4.2022 – dann meldete es der deutsche Medienapparat – etwa tagesschau.de, 28.4.2022 – dass Herr Prof. Dr. Drosten »die Auswertung des Infektionsschutzgesetzes für die Bundesregierung und das Parlament nicht weiter begleitet«.
In der für deutsche Qualitätspolitiker typischen sprachlichen Unbeholfenheit ergänzte Lauterbach noch, dies sei ein schwerer Verlust (wörtlich: »Das ist ein schwerer Verlust«), »weil niemand könnte es besser.«
Drosten ist aber in seiner Rolle als »Drosten vom Dienst« tatsächlich nur eher so halb zurückgetreten. Er zieht sich nur von der »Auswertung des Infektionsschutzgesetzes« zurück. Er »bleibt aber Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung«, so der deutsche Staatsfunk.
Als Grund für den Rückzug aus jenem Umsetzungs-Gremium gibt Drosten an, »dass Ausstattung und Zusammensetzung nicht ausreichten, um eine wissenschaftlich hochwertige Evaluierung gewährleisten zu können«.
Aha.
Moment!
Wir schauen nochmal hin, und uns fällt etwas auf. Drosten war mit für die verheerenden Corona-Maßnahmen verantwortlich, und dann sollte er sie selbst auswerten?!
Diese Frage ist auch der Gegenstand einer Anfrage von Wolfgang Kubicki (FDP) an den wissenschaftlichen Dienst des Bundestags (bild.de, 28.4.2022): Wie können die Experten eines prüfenden Gremiums unabhängig genannt werden, »wenn diese Sachverständigen beim Erlass von den zu evaluierenden Maßnahmen beteiligt waren«?
Aber gut.
Jetzt ist er halt zurückgetreten. So halb. Er macht ja weiterhin Panik, berät weiter die Regierung. Er will nur nicht dabei sein, wenn die Effektivität der Maßnahmen konkret bewertet wird. Anfang des Monats hieß es, er sei ausdrücklich dagegen, siehe welt.de, 8.4.2022(€). Ein Schuft, wer Böses dabei denkt – doch was ist einer, der nichts Böses dabei denkt? – Wir räuspern uns, und bleiben höflich.
Die Causa Drosten erinnert mich an einen alternden Rockstar, der nicht einsehen will, dass seine große Zeit vorbei ist. Drosten will uns mit den »neuen Mutationen BA.4 und BA.5« (n-tv.de, 28.4.2022) weiter Grusel einjagen. Ein »Immunescape« sei wahrscheinlich, wie in Südafrika, wo die Fallzahlen »zunächst schleichend zunahmen«, seit Mitte April »jedoch exponentiell ansteigen«.
Ich fragte eine Gruppe von Menschen, die ich besonders schätze – meine Leser – nach ihrer Einschätzung der wahren Gründe von Drostens (Halb-) Rückzug (@dushanwegner, 28.4.2022).
@DilUlenspiegel1 antwortet: »Wenn die Wahrheit öffentlich wird, will er weit weg sein.«
@liedhaft legt ironische Satire vor: »An Drostens Stelle würde ich mir eine neue Identität beschaffen und auswandern, untertauchen. Sicher hat er auch Freunde, die ihm ein Haus beschaffen. Drosten hat schließlich sehr viel für die Pandemie getan. Sein PCR-Test allein schon war unverzichtbar.«
@NorbertSeemann konstatiert knallhart: »Drosten weiß was kommt und möchte nicht dabei sein.«
Einige Leser zitieren eine bekannte deutsche Redensart, welche sinkende Schiffe und eine gewisse »größere Maus« enthält. Dieses Tier darf in aktueller deutscher Debattenmoral auch bildsprachlich nur auf Nicht-Linke und Opposition gemünzt werden. (Siehe dazu etwa die beiden Essays »»im Kanal die Rattenschar« – Humor im deutschen TV 2019« und »Es ist 2019 und in Deutschland werden wieder Menschen mit Ratten verglichen« – ich glaube, die Essays stammen aus dem Jahr 2019.)
Da Herr Drosten kein Nicht-Linker oder Oppositioneller ist, sollten wir das R-Wort nicht verwenden, auch nicht als Teil alter Redensarten. @ChrisVeber1 umschreibt es also derart: »Denken Sie an Schiffe. An Schiffe, Wassereinbruch und Nagetiere.«
Aufgeschoben
Es steht fest, dass Corona-Maßnahmen viel Leid und erheblichen finanziellen Schaden verursacht haben – es ist noch immer unklar, ob und inwiefern sie wirklich nutzten. Nicht jeder ist sich sicher, ob Gesundheitsminister Lauterbach die Auswertung fördert oder eher aktiv behindert (siehe merkur.de, 28.4.2022).
Kinder und Familien haben teils das Gefühl, als seien ein bis zwei unwiederbringliche Jahre aus dem Lebenslauf der Kinder herausgeschnitten. Konzerne und Politiker sind reicher geworden, doch die Opfer der Corona-Maßnahmen haben einen hohen Preis gezahlt.
In anderen Ländern sind tatsächlich Menschen gestorben (so Berichte von Angehörigen), weil aufgrund fragwürdiger Corona-Panik ihre Krebs-OP aufgeschoben wurde. In Deutschland haben einige Menschen die Behandlung von Krankheiten selbst aufgeschoben, weil Politik und Propaganda übergroße Angst und Hysterie schürten, bis einige Menschen die mögliche Corona-Infektion mehr fürchteten als die bereits reale Krankheit in ihrem Körper.
Wer glaubt, dass von Konzernen gesponserte Politiker, welche die Corona-Maßnahmen beschlossen, und Gerichte, welche die Corona-Maßnahmen dann zuließen, das alles irgendwann ehrlich und ernsthaft aufbereiten werden, den beneide ich für seinen unerschütterlichen Optimismus (und ich möchte ihm zugleich zu Vorsicht raten, wenn jemand an seiner Haustür klingelt und sich als sein Enkel ausgibt).
Nein, die-da-oben werden tun, was sie bereits jetzt tun: Die werden tun, als sei nichts gewesen.
Das Geld der Konzerne ist gesichert, die Posten der Funktionäre auch. Drosten bleibt großes Tier an der Charité und er berät auch weiter die Bundesregierung. Was aber den Bürgern und dem Land angetan wurde, das ist eben »Kollateralschaden«.
Auch überm Wasser des schmutzigsten Teichs kann Stille herrschen. (Ich habe diese aktuelle »Stille« übrigens in »Hört nicht auf« beschrieben.)
Schockiert!
Ich bin ehrlich schockiert, wie gleichgültig solche Meldungen inzwischen auch jenen Bürgern sind, die bis eben noch darüber emotional geworden wären.
Ich fragte einen sonst lautstark kritischen Bürger, warum er inzwischen so wenig lebhaft auf solche Meldungen reagierte. Er sagte: »Es ist einfach zu viel geworden, in zu kurzen Zeiträumen.«
Und nein, ich konstruiere uns keinen Vorwurf daraus, dass wir es quasi hinnehmen. »Merkel – ihr Erbe wird ein Land ohne Verantwortungsgefühl sein«, so schrieb ich 2016 wörtlich im Titel eines Essays. Leider lag ich auch damit richtiger, als mir lieb ist.
Es ist menschlich und also es ist verständlich. Es würde sich reichlich sinnlos anfühlen, Verantwortung zu übernehmen für Dinge, an denen man nichts ändern kann.
Ich will Verantwortung übernehmen für die Dinge, die ich greifbar beeinflussen kann. Nur dort sind meine Zeit und Energie sinnvoll investiert. Das setzt innere Stabilität und generell Motivation voraus.
Zur Sicherung der inneren Stabilität ist es also zwingend notwendig, rechtzeitig hinzunehmen, dass die Dinge sind, wie sie sind.
Drosten tritt halb zurück. Ich nehme es zur Kenntnis.
Wir können wenig dran ändern. Warum sollte ich es auch wollen? – Wir können nur versuchen, irgendwie die Folgen seiner »Maßnahmen« zu überwinden.
Ansonsten gilt aber für dein und mein Leben: Weiter geht’s!