Gestern lauschte ich im Café dem Gespräch zweier Briten am Nachbartisch. Ein Herr berichtete, er habe an Rückenschmerzen gelitten, doch sein Physiotherapeut habe ihm die Wirbelsäule zum Glück wieder geradegebogen.
Die Worte, mit denen der Brite den Physiotherapeuten lobte, machten mich froh, denn er sagte über seinen Heiler: »He is a German, he knows his stuff.«
Zu Deutsch etwa: »Er ist ein Deutscher, er weiß, was er tut.«
Kein Widerspruch
Jenes überraschende Gespräch am Nachbartisch ist nicht die einzige Art von Meinungsäußerung, die ich über Deutsche und ihre Angelegenheiten höre. – Nein, leider sind nicht alle diese Äußerungen positiv.
Ich erlebe, dass Leute zwar die Deutschen loben – sich aber in anderem Kontext über Deutschland lustig machen oder richtiggehend harsch reden.
Das ist kein Widerspruch.
Höflich zu beschreiben
Es war Alice Weidel, welche die Frage in die deutsche Debatte einbrachte, wann man feststellen muss, dass das Land von Idioten regiert wird.
Die tatsächliche Herkunft jenes Zitats von Idioten in der Regierung mag unbekannt sein, an der Kernaussage ist aber etwas dran: Wir Deutschen sind oft kluge Menschen, die gute Werte praktisch leben, doch wir werden von Gestalten regiert, die höflich zu beschreiben täglich schwerer wird.
Ich grübele sehr ernsthaft darüber, warum kluge, anständige Menschen eine dumme, unanständige Regierung über sich dulden, denn es ist offensichtlich eine ernste Angelegenheit mit ernstzunehmenden Konsequenzen.
Warum ist das so?
Fitzelchen Selbstrespekt
Wir wissen natürlich, dass der Politikberuf keine formelle Qualifikation voraussetzt, also etwa wie Journalismus oder Prostitution.
Wer im Leben scheitert, aber für die Prostitution zu hässlich ist, jedoch durch ein letztes Fitzelchen an Selbstrespekt vom Journalismus abgehalten wird, der kann noch immer in die Politik gehen.
Einige Politiker waren aber ja durchaus im richtigen Leben erfolgreich, zum Beispiel im Dunstkreis illegaler und die Steuerzahler plündernder Cum-Ex-Geschäfte. Bei solchen Gestalten fragt man sich aber vielleicht, ob sie hohe politische Ämter anstrebten, um sich der Strafverfolgung zu entziehen, weil kein Staatsanwalt sich dann traut, sie anzuklagen, oder ob sie durch den Eintritt in die Politik ihr Geschäftsgebiet erweiterten – oder ob sie wirklich ihre persönliche Saulus-Paulus-Transformation erlebten und die Politik für sie eine große Bußübung ist.
Exkurs übers Schimpfen
Ja, es schimpft sich gut über Politiker. Ja, in diesen Tagen besteht so viel guter Anlass, über Politik zu schimpfen, dass der offen politisch auftretende »Verfassungsschutz« im DDR-Stil gegen vermeintliche »Verächtlichmachung« von Politikern zu Felde zieht (siehe etwa tichyseinblick.de, 14.6.2022) – in mindestens gefühltem Widerspruch etwa zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2011 (bundesverfassungsgericht.de).
Noch 2011 positionierte sich das oberste Gericht, dass Meinungen ihren Schutz auch dann nicht verlieren, »wenn sie scharf und überzogen geäußert« sind. Selbst die »Anforderungen an die Wahrheitspflicht« sollten »nicht so bemessen werden, dass darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leidet«.
Eine solche klare Positionierung vertrat das Gericht allerdings im Jahr 2011, und damals war Andreas Voßkuhle dessen Präsident.
Inzwischen ist Merkel-Parteifreund und Politik-Superverdiener Stephan Harbarth der Chef des Bundesverfassungsgerichts. Zuvor hatte der Jurist zwar kein einziges Richteramt bekleidet, war aber im Bundestag mit fake-emotionalen, aber stramm parteitreuen Reden aufgefallen (siehe Essay vom 9.11.2018).
Andreas Voßkuhle aber mahnt in diesen Jahren, es sei »wichtig, dass sich Verfassungsgerichte an das Recht halten, nicht an den Zeitgeist« (zeit.de, 13.5.2020 (€)). Das Vertrauen ins Verfassungsgericht aufzubauen dauere eine Generation – es zu zerstören, dauere nur wenige Monate.
Das Schimpfen aber, wenn es denn erlaubt ist, mag kathartisch wirken und die Seele erleichtern, es erklärt allein noch nicht, warum die Dinge sind, wie sie sind.
Ja, unser Schimpfen kann sogar dazu beitragen, dass wir den Anlass unseres Schimpfens belassen. Ja, indem wir »Dampf ablassen«, lassen wir eben auch »Druck vom Kessel«, und so ertragen wir einen weiteren Tag und ein weiteres Jahrzehnt lang das vermeintlich Unerträgliche.
Spinnen und abwehren
Ich würde heute nicht in die Politik gehen.
Ich würde nur sehr begrenzt lokal mitmischen wollen, und ganz gewiss zieht es mich nicht in die höhere Politik.
Auch ich habe nur ein Leben, und das Leben ist begrenzt, und ich will mein Leben nicht in Kungelgruppen und Ausschusssitzungen verbringen.
Wie viel Zeit verbringt ein Politiker denn tatsächlich damit, das Leben der Menschen zu verbessern, statt vor allem Intrigen zu spinnen und andere Intrigen abzuwehren?
Ja, ich kenne Politiker, die einst in die Politik gingen, um die Welt besser zu machen. Ich konnte ihnen aber förmlich dabei zusehen – egal welche Partei – wie sie ihre Seele verloren und die Eigenschaften eines Politzombies annahmen.
Jedoch, wer den Job des Politikers verachtet, weil Politikersein nur von Täuschern und Trotteln angestrebt wird, von wem wird der wohl regiert werden?
Touristen und Mieter
Deutschland als Land wird von einigen südlicheren Ländern eher so als williger Zahltrottel betrachtet. Im Osten Europas verachtet man Deutschland für seine Übergriffigkeit und den Versuch, im Osten neuen Lebensraum für Migranten zu finden oder in die Rechtsprechung reinzureden.
Der einzelne Deutsche aber wird noch immer geschätzt. Hotelpersonal lobt deutsche Touristen. Vermieter loben deutsche Mieter. Arbeitgeber stellen deutsche Arbeiter mit Kusshand ein. Und Briten mit Rückenweh empfehlen einander den deutschen Physiotherapeuten.
Solche Regierungen wählen
Ja, der einzelne Deutsche wird geschätzt. Wird es so bleiben?
Letztens notierte ich, wie die deutsche Regierung etwa eine rassistische Deutschenhasserin zur Antidiskriminierungs-Funktionärin erhob (Essay vom 22.6.2022).
Es ist ein Hohn, ja. Offensichtlich soll es bewusst spalten. Ich frage mich dabei, wie lange der Respekt für einzelne Deutsche anhalten wird, wenn sie als Gruppe und Volk so wenig Respekt vor sich selbst haben, dass sie von ihren Steuern antideutsche Rassisten fürstlich bezahlen und dafür als »Kartoffeln« beschimpft werden, dass sie sich solche Regierungen wählen.
Neue Regel
Wer sich von Idioten regieren lässt, sollte darauf achten, nicht selbst bald wie ein solcher dazustehen.
Es tut mir weh, was unserem Land angetan wird. Es freut mich aber, wenn die Werte, die mir wertvoll sind, noch immer existieren und von vielen einzelnen Deutschen praktisch gelebt werden – und zwar so glaubwürdig, dass Menschen aus anderen Nationen einander davon erzählen.
Ich will uns heute mit einer neuen Regel ermuntern, einem neuen Imperativ: Sei die Art von Deutscher, von dem gesagt wird: »He is German, he knows his stuff.«
Oder natürlich, denn hier ergibt das Gendern tatsächlich Sinn: »She is German, she knows her stuff!«