Dushan-Wegner

30.04.2023

Ich wäre gern wirklich der Riese, gegen den sie kämpfen

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Was siehst du, Mann von Welt?
Ganze Behörden und viele Gesetze dienen dem einen Zweck, den »weißen Mann« zu benachteiligen. Weil er angeblich sonst so bevorteilt ist? Ach, ich wäre gern wirklich der Riese, für den sie mich offenbar halten.
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Ich wäre gern der Riese, gegen den sie alle kämpfen zu müssen meinen. Ich wäre gern dieser übermächtige Gulliver, der mit tausend Ketten niedergehalten werden muss, weil er sonst all die Liliputaner zermalmen könnte.

Ich bin ein alter weißer Mann, so höre ich. Ganze Behörden, immer neue Gesetze, ein milliardenschwerer Propaganda-Apparat, der Unterricht an den Schulen des Westens, alle verfolgen sie ein Ziel: Die alten weißen Männer zu benachteiligen, weil diese angeblich »bevorteilt« sind.

Keine/viele Nachteile

Sie meinen, ich übertreibe? Kleiner Test: Von wie vielen Maßnahmen zur Förderung von nicht weißen Männern haben Sie allein letzte Woche gehört? Wir kennen Myriaden gesetzlicher Maßnahmen zur Förderung von Nicht-Weißen-Männern – und keine zur Förderung von Männern.

Männer sind eher obdachlos, sind vor Gericht nachweislich benachteiligt und sterben früher, auch durch die weit höhere Quote »erfolgreicher« Suizide. Wann haben Sie zuletzt von irgendeinem Gesetz gehört, das Männern helfen soll?

Ein Mann zu sein hat rechtlich ausschließlich Nachteile. Interessanterweise werden allerdings derzeit Möglichkeiten geschaffen, sich rechtlich zur Frau zu erklären, um die vielen rechtlichen Vorteile des Frauseins zu genießen (für eine poetische Aufarbeitung siehe meine Geschichte »Lucy, ich und unser Eskimo-Baby«).

Die neuen Gesetze zur Normalisierung psychischer Schräglagen sollen ja vermutlich eigentlich die Bevölkerung davon ablenken, wie sie entrechtet und enteignet wird. Man beschäftigt das Volk mit Bullshit-Debatten wie der Engel-auf-Nadelspitze-Frage, ob das Geschlecht eine biologische Tatsache sei oder nur gefühlt (inklusive irrer Sektensprache, siehe beispielhaft etwa tagesspiegel.de, 28.4.2023).

Sollte jedoch ein Krieg ausbrechen, so viel ist klar, dann kann man sich nicht mehr plötzlich »als Frau fühlen«, denn dann gilt es zu sterben wie ein Mann (nzz.ch, 28.4.2023) – wenn man seinen Geschlechtseintrag nicht rechtzeitig ändern ließ. (Ich sehe keinen rationalen Grund, warum nicht alle Männer sich umtragen lassen; auch bei den Krankenkassenbeiträgen ändert sich übrigens nichts unmittelbar, da geht es weiter nach »richtigem« Geschlecht, siehe lto.de, 28.4.2023.

Für Männer wird die legale Umtragung zur Frau ein ganz selbstverständlicher Vorgang werden. Die rechtzeitige Umtragung zur Frau wird viele rechtliche Vorteile bringen und keine konkreten Nachteile – aber viele Nachteile, wenn man es nicht tut.)

Ähnlicher Grund, anderes Ergebnis

Ach, ich alter weißer Mann, ich wäre so gern dieses Genie, dessen Genialität so übergroß ist, dass alle anderen Gruppen mit einem riesigen Apparat an Gesetzen und Maßnahmen meinen Genius kompensieren müssen.

Warum aber, trotz täglich heftigerer systemischer und systematischer Benachteiligung, finden sich immer wieder Männer vorn?

Ich wage eine These: Elon Musk ist aus einem ähnlichen Grund reich, aus welchem ich nicht reich bin. Wir leben beide eine Eigenschaft aus, die womöglich weit häufiger dem Mann angeboren ist – und die frei auszuleben in der westlichen Kultur noch am ehesten als »männlich« gilt: Besessenheit mit einem Thema bis zur Selbstzerstörung, allein der Schönheit der Sache wegen.

Die Besessenheit des Elon Musk gilt hochprofitabler Technologie – meine Besessenheit gilt dem politisch-philosophischen Essay in deutscher Sprache. Wo andere es »jetzt auch mal gut sein lassen« und nach »work life balance« suchen, diskutiere ich zu unheiligen Zeiten mit meinen Korrektoren (allesamt »besessene« Männer), ob dieses oder jenes Wort präziser sei.

Auf Abstand

Ein guter Teil westlicher Politik dient explizit und offen dem Zweck, alte weiße Männer zu benachteiligen. (In der Praxis benachteiligt man nur Männer aus den unteren bis mittleren Schichten, weshalb reiche weiße Männer sehr großes Interesse an diesem »woken« Feminismus haben – man hält Konkurrenz auf Abstand, wenn statt des fleißigen, aber fremden Arbeitersohns die eigene Frau/Schwester/Bettgenossin via Quotenstelle eingestellt werden kann, natürlich ohne Ausschreibung, wie heute üblich.)

Der politische Männerhass des Westens hat allerdings eine Reihe von (hoffentlich) ungeplanten Konsequenzen: Männer werden aktiv benachteiligt, weil sie aufgrund gewisser Eigenschaften gewisse Erfolge einfuhren. Diese Erfolge allerdings waren es auch, die den Westen einst nach vorn brachten!

Was raten?

Mein Sohn überlegt bereit, was er mit seinem Leben so anstellen soll.

Was soll ich ihm raten?

Mein Sohn ist in einer Zeit geboren, in welcher sein angeborener Drang, rational zu denken, Dinge zu erfinden und die Menschheit so voranzubringen, als »männlich«, also »toxisch« gilt.

Ich könnte ihm Matthäus 10:14 nahelegen: »Und wenn euch jemand nicht aufnehmen und eure Rede nicht hören wird, so geht heraus aus diesem Hause oder dieser Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen.«

Ich könnte für ihn natürlich auch aus meiner anderen Lektüre zitieren. Ich könnte ihm »Die Bürde des Weißen Mannes« nahelegen – oder doch »nur« das andere, weit bekanntere Gedicht von Rudyard Kipling, »If–«.

If you can keep

Das immerhin ist tröstlich: »If–« wurde 1895 geschrieben, doch gleich der erste Satz beschreibt exakt die Lage des »alten weißen Mannes« im Jahr 2023: »If you can keep your head when all about you are losing theirs and blaming it on you …«.

Um uns her verlieren alle ihren Verstand und geben uns die Schuld dafür. Wenn es uns gelingt, dennoch nicht den Verstand zu verlieren, dann sind wir Männer.

Ich wäre wahrlich gern der übergroße Riese, den man wohl in mir sieht, den man mit tausend Gesetzen niederringen und binden will, wie einst die Liliputaner den großen weißen Gulliver (siehe Wikipedia) niederbanden. (»Ich versuchte aufzustehen, konnte mich aber nicht bewegen; während ich auf dem Rücken lag, bemerkte ich, daß meine Arme und Beine festgebunden an dem Boden hafteten.«, via zeno.org)

Of those ye better

Doch ich bin leider nicht der Riese, den all die Gesetze niederhalten sollen. Das heißt aber nicht, dass die, die uns anketten wollen, die uns mit ihren lästigen Pfeilchen beschießen, nicht Liliputaner wären, die trotz niedrig stehender Sonne keine Schatten werfen – so klein sind sie.

Ich seufze, und ich lese mir zu Trost und Ermutigung ein paar Zeilen Kipling vor: »Take up the White Man’s burden, and reap his old reward: The blame of those ye better, the hate of those ye guard.«

Zu Deutsch etwa: »Nimm die Bürde des weißen Mannes auf dich und ernte seine alte Belohnung: Die Beschuldigungen derer, denen du Gutes tust, den Hass derer, die du beschützt.«

Hmm.

Es geht mir nie um mich. Mir geht es um die Sache – wie so vielen »alten weißen Männern«. Bevor man mich täglich darauf hinwies, dass ich ein (alter) weißer Mann bin, alles Böse der Welt meine Schuld sei, und dass ich daher meine Erniedrigung und Benachteiligung hinzunehmen habe, war ich mir dessen nicht bewusst.

Gefährlich viele

Jetzt ist es, so höre ich, sogar »rassistisch«, wenn ich sage, dass ich »farbenblind« und mir nicht meines Melaninmangels bewusst bin. Besessenheit von einer Sache, die auch anderen Menschen zugute kommt, dazu etwas rationales Denken und ein Minimum emotionaler Ordnung – das ist doch nicht »von Natur aus« auf eine Hautfarbe oder ein Geschlecht beschränkt! Wenn man aber einer Gruppe beharrlich genug einredet, dass es so sei, werden gefährlich viele Personen in dieser Gruppe es glauben.

Die, die den alten weißen Mann niederringen wollen, die ringen auch seine »Sache« nieder – und damit schießen wir uns kollektiv ins Bein, nämlich wenn es genau jene »Sache« war, die den gemeinsamen Wohlstand schuf und bewahrte.

Die benachteiligen mich, weil sie meinen, dass ich ein Riese bin, der ohne künstliche Fesseln alle um sich herum zertrampeln würde – ich bin es aber nicht. Ich will ja auch niemanden zertrampeln!

Ich meine nicht, dass der Fokus auf eine Aufgabe, die auch anderen Menschen nützlich erscheint, eine bestimmte Hautfarbe oder ein bestimmtes Geschlecht des Handelnden voraussetzt. – Ja, seit wir mit Künstlicher Intelligenz spielen, glaube ich nicht einmal, dass hochwertige intellektuelle Ergebnisse zwingend das Menschsein ihres Erzeugers voraussetzen.

Ich wäre gern der Riese, gegen den sie alle kämpfen zu müssen meinen, allein schon um Gutes zu tun und gegen die riesige Dummheit anzukämpfen.

Doch ich bin nur ich.

Ein wenig besessen, ein wenig hilflos – und aus rätselhaftem Grund noch immer motiviert.

Weiterschreiben, Wegner!

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