Dushan-Wegner

30.10.2023

Heute so, morgen: ›Oh!‹

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten, »›Klingeling‹, sagt der Wind‹«
2015 hielten Politiker noch »Refugees welcome«-Schilder hoch. Nun wollen immer mehr hart klingen. Wollen Asylgeld streichen und nur echte Flüchtlinge reinlassen. Hört man aber genau hin, wird klar: Nichts wird sich ändern! Soll es wohl auch nicht.
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Klingende Windspiele finden sich in allen Kulturen der Welt und wohl auch in allen Zeiten. In Japan etwa hatten sie Glocken, deren Schlegel vom Wind bewegt wurden. Und die Römer hatten bronzene Windspiele, manchmal in Form eines phallusbetonten Figürchens, dessen Kampf mit den eigenen Instinkten als im Wind klingende Glöckchen hörbar wurde (siehe Wikipedia).

Unsere Windspiele sind höflicher. In unseren Geschenk- und Esoterikläden finden sich klingende Windspiele aus Metall, Holz oder Bambus. Bei einigen bringt ein einzelner hölzerner Schlegel die Metallröhren zum Erklingen, bei anderen schlagen die hohlen Klangkörper gegeneinander.

Der heute aber wohl wichtigste Unterschied in den klingenden Windspielen ist die Frage, ob sie gestimmt und harmonisch klingen oder eher schräg und scheppernd – womit wir bei den Meldungen des Tages wären!

Die Meldungen

Im Jahr 2015 fuhr die BILD-Zeitung unter Kai Dieckmann (engagierter Online-Chef: Julian Reichelt) eine aggressive Kampagne mit den Schlagworten »Wir helfen« und »#refugeeswelcome«, welche den merkelschen Offene-Grenzen-Wahnsinn emotional stützte und wohl sogar anfeuerte.

Als Beispiel für die im deutschen Propagandastaat inzwischen übliche 3P-Verzahnung (Politik, Presse, Propaganda) spannte die BILD am 31.8.2015 eine Reihe von Politikern ein, die das Kampagnen-Logo bereitwillig in die Kamera hielten.

Wenn man durch die Seite bei bild.de, 31.8.2023 (archiviert) scrollt, trifft man etwa in der Seitenmitte auf so gewichtige Namen wie »Sängerin Vanessa Mai (23, »Wolkenfrei«)«, danach »Paulaner-Chef Roland Tobias (52)« – und dann ein gewisser »FDP-Chef Christian Lindner (36)«.

Dazu das Statement: »Flüchtlinge brauchen Hilfe und keine Hetze. Die Freien Demokraten helfen, wo es geht, sei es mit Schulmaterial, Kleiderspenden, Deutsch-Unterricht oder einem Welcome-Dinner. Jeder kann etwas tun.«

»Hilfe und keine Hetze«, lässt Lindner sich zitieren, während er das Schildchen mit »WIR HELFEN« und dem Hashtag »#refugeeswelcome« in die Kamera hält.

»#refugeeswelcome« wurde unter rationalen Bürgern schon damals als Code gelesen, nämlich für »Grenzen offen halten und jeden, wirklich jeden ungeprüft ins Land lassen«.

Und »Hetze« als Code für jede Kritik an Merkels Welteinladung.

Man sollte davon ausgehen, dass PR- und Politsprechprofi Lindner beides bewusst war.

Und jetzt ist Herr »Hilfe und keine Hetze« eben Finanzminister.

Was aber sagt Herr »Hilfe und keine Hetze« im Jahr 2023?

Er lässt sich wieder zitieren:: »So, wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben« (tagesschau.de, 29.10.2023).

Wir lesen: »Finanzminister Lindner will die Leistungen für Asylbewerber verringern«, so erfährt der interessierte Bürger, denn sie »würden wie ein ›Magnet‹ wirken«.

Es ist eine weitere Meldung aus der Kategorie »Nein! Doch! Oh!«.

Wir seufzen und stellen fest: Alles, was heute passiert, wurde von den ach so bösen »Rechten« erschreckend präzise vorausgesagt.

Hat sich also einfach nur der politische Wind gedreht? Haben wir es mit politischen Wendehälsen zu tun, die nur das plappern, wovon sie denken, dass es heute zu sagen nützlich wäre?

Ach, wenn die Sache doch nur so »einfach« wäre!

Wie Politiker entscheiden könnten

Die Stimmen der Politiker sind wie ein Windspiel, das im Wind erklingt, mal harmonisch, mal scheppernd.

Wir zucken mit den Schultern. So ist es halt, so war es immer schon. Bei den Japanern und den Griechen. Auch bei den Römern, auf extra pikante Weise.

Dieselbe BILD-Zeitung, die einst für »#refugeeswelcome« trommelte, listet nun Politiker, die sich selbst mehr oder weniger wörtlich als naiv outen (bild.de, 30.10.2023). Es klingt mir wie würdelose Verlogenheit (siehe dazu auch den Essay »Sind die wirklich so naiv?«).

Das Motto der deutschen Politik: Heute so, morgen: »Oh!«

Glauben wir denen aber noch, wenn sie erstaunt »Oh!« ausrufen?

Wenn es an der Grenze genügt, »Asyl« zu sagen, um ein Leben lang von Deutschland versorgt zu werden, und wenn zugleich jede Kritik an allem Muslimischen quasi kriminalisiert wird, dann macht man Deutschland damit auch zum globalen Rückzugs- und Gruppierungsort von Hamas, Hisbollah und ihren Geistesbrüdern. (Das war schon vor 2015 so, siehe 9/11.)

Und jetzt geben sich die deutschen Politiker plötzlich geschockt, wenn etwa die bösen Hamas-Aufmärsche von einem Syrer organisiert werden (faz.net, 30.10.2023 (€)).

Der Wind hat sich gedreht, und die politischen Windspiele klingen wieder. Anderes Geschepper, da andere Windrichtung, aber doch das gleiche alte Windspiel.

Oder?

Das Detail

Mir ist ein Detail aufgefallen, das mit etwas Kontext die gesamte Forderung des Finanzministers aufhebt.

Wer sich das gesamte Original-Interview anschaut (ardmediathek.de, 29.10.2023, etwa ab 9:45 Min.), hört zunächst vor allem weitere Naivität des Ministers, wenn etwa die Optimierung der Polizeitaktik vor Ort gefordert wird – es ist fast schon auf Grünen-Niveau naiv: Man soll diejenigen feststellen, die bei den Demos »Gewalt verherrlichen und sich antisemitisch äußern«.

Was, wenn es hundert Leute tun? Oder tausend? Oder noch viel mehr, auf einmal?

Soll die Polizei alle verhaften, die Personalien von Hunderten oder Tausenden aufnehmen? (Via Handydaten kann man doch ohnehin wissen, wer da war. Das ließe sich dann mit Videoaufnahmen abgleichen.)

Okay, und dann?

Der Finanzminister erzählt von Strafverfolgung. Glaubt er wirklich, dass deutsche Staatsanwälte Hunderte von »jungen Männern« anklagen und deutsche Richter sie in den Knast werfen, weil sie »Tod den Juden« oder »… from the river to the sea« skandierten?

Doch diese ans Linksgrüne grenzende Naivität ist nicht einmal das große Problem an seiner Forderung.

Da ist noch etwas, und das ist viel ärger – aber unauffällig, weil in sein eigenes Gegenteil eingebunden.

»es könnten nämlich noch mehr«

Etwa ab der 17. Minute leitet die ARD-Dame ihre nächste Frage mit plumpem Propaganda-Framing ein (»es könnten nämlich noch mehr Menschen gezwungen werden zu flüchten«). Dann ergänzt sie ein weiteres propagandistisch-manipulatives Framing, indem sie dem Finanzminister sagt, er habe »heute gefordert, Sozialleistungen für Flüchtlinge zu kürzen«.

Die eigentliche Frage danach ist aber tatsächlich realistisch, nämlich ob sich das mit der aktuellen Regierung durchsetzen lasse, oder ob es um die »FDP-Positionierung bei dem Thema« gehe.

Der Finanzminister befreit sich routiniert aus den recht derben Fragen. Er korrigiert auch zunächst auffällig offensiv das Framing der Moderatorin und macht aus »Geflüchteten« wieder »Asylbewerber«.

Doch dann spricht er ein Detail aus, das alles Übrige aushebeln könnte.

Er sagt: »Es gibt Menschen, die sind nicht auf der Flucht, jedenfalls nicht vor Bürgerkrieg oder vor Naturkatastrophen, sondern die kommen aus wirtschaftlichen Gründen zu uns, und die haben eigentlich kein Aufenthaltsrecht …« (ebenda, ca. 18:05 Min.)

Haben Sie es mitbekommen?

Oha!

Der Finanzminister hat nebenbei unterstrichen, dass wer vor »Naturkatastrophen« flüchtet, damit automatisch ein Aufenthaltsrecht und damit Anspruch auf Vollversorgung in Deutschland hat.

Nun wird über alle Kanäle des Propagandastaates verbreitet, dass sich durch den angeblichen Klimawandel auch die Zahl der Naturkatastrophen rapide erhöhen wird (Beispiel tagesschau.de, 8.9.2022 und viele andere).

Einer der Hauptgründe, warum Menschen in bestimmten Regionen mehr Wohlstand, mehr Kultur und einen höheren Zivilisationsgrad haben, ist das zuverlässige und fruchtbare Wetter (oder andere Faktoren, die eine ähnliche Wirkung entfalten, wie der Nil im alten Ägypten). Wer seinem Getreide beim Wachsen zuschauen kann, statt jede Minute ums Überleben kämpfen zu müssen, hat mehr Zeit für kreativen Müßiggang, kontemplative Reflexion und neugierige Forschung (siehe auch »Geography and Wealth« bei engl. Wikipedia).

Sprich: Das Wetter dort war schon immer besonders mies. Ja, mit vielen Naturkatastrophen. Doch jetzt ist es ein Grund, vom deutschen Steuerzahler versorgt zu werden – zudem sind die Deutschen ja schuld an den Naturkatastrophen in der Welt, weil sie nicht schnell genug zu Wärmepumpen umgedrehte Klima-Anlagen eingebaut haben (oder auch nur magische Herde).

Dem Finanzminister gelingt es, sowohl wie ein Hardliner zu klingen, als auch im Nebensatz zu signalisieren, dass wohl doch alles bleiben wird, wie es ist: Man wird die Migranten eben zu Flüchtenden vor Naturkatastrophen umetikettieren – ist denn nicht jede lokale Dürre eine »Naturkatastrophe«?

Wie hohles Holz

Windspiele gibt es quer durch alle Kulturen. Und Politiker, die gestern dies und morgen das sagen, sind auch nichts Neues – erst recht nicht in sogenannten Demokratien.

So sind sie, unsere Politiker aus dem Esoterikladen »deutsche Demokratie«. Manche wollen hart wie Stahl klingen, andere wirken wie hohles Holz. Manchmal bringt ein hölzerner Schlegel die Metallröhren zum Erklingen, manchmal schlagen die hohlen Klangkörper gegeneinander.

Wir wissen, dass das Windspiel mal unharmonisch scheppern und mal ganz erfreulich singen wird. Doch wir sollten nicht vergessen, dass es immer der Wind der Zeiten ist, der es erklingen lässt – niemals spielt sich ein Windspiel selbst.

Der erfahrene Hörer erkennt am Klang seines Windspiels, woher der Wind weht – und wohin.

Und bisweilen passiert es, dass das Windspiel anders gestimmt wurde, um vorzutäuschen, dass der Wind sich gedreht hat.

Der erfahrene Windspielfreund aber erkennt auch das. Und er merkt, wenn der Wind zum Sturm wird, und er bereitet sich rechtzeitig vor.

Weiterschreiben, Wegner!

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