Dushan-Wegner

20.02.2019

AfD dämonisieren, aber SPD wie normale Partei behandeln?

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten, Bild von Carles Rabada
Wer hat NetzDG und VDS eingeführt? Range gefeuert? Maaßen gemobbt? Wer will freie Wahlen einschränken? Wer hetzt gegen Andersdenkende? – Hört auf mit dem Theater! Es ist lächerlich, die AfD zu schneiden, aber die SPD wie eine normale Partei zu behandeln.
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In der einen Hand hielt sie eine Zigarette, in der anderen Hand ihr Smartphone. Vor ihr stand der dritte Sahnelikör dieser Sitzung. Neben dem Glas lagen die Schachtel und das Feuerzeug.

Sie scrollte mit dem rechten Daumen durch Facebook, mit dem linken Daumen drehte sie an der rasch brennenden Kippe, während sie diese immer wieder an ihr Gesicht führte.

Ihr gegenüber saß ein Mann. Es war ihr Mann, nehme ich an, und es war ein ähnliches Bild, nur um geschätzte dreißig Kilogramm allein am Bauch schwerer und vor sich mit einem großen Bier statt Sahnelikör.

»Er will wieder ein neues Computerspiel kaufen«, brummte der dicke Mann, ohne von seinem Smartphone aufzusehen, stetig scrollend.

»Ja, schon wieder«, sagte die Frau, und zog an der Zigarette.

Der Mann nahm einen Schluck vom Bier und sagte: »Er spielt fast jeden Abend.«

Die Blicke der beiden einst Liebenden klebten an ihren kleinen Bildschirmen. Ihre Daumen schoben immerzu neue Nachrichten von vermutlich immenser Wichtigkeit nach.

Die Frau trank ohne aufzublicken ihren Sahnelikör leer, dann murmelte sie: »Ich fürchte, der Junge ist süchtig.«

Er brummte: »Ja, wir sollten ihm das Computerspielen verbieten. Mit Sucht muss man aufpassen.«

An dem Punkt zuckte sie zusammen, nur um sofort ihre Handtasche vom Boden hochzureißen, darin zu kramen und einen Akkupack herauszuholen. Die Frau schloss ihr Smartphone zum Laden an den externen Akku und atmete durch. Der Kellner brachte den nächsten Sahnelikör.

Schnitt – ich würde mir wünschen, diese Szene wäre gänzlich ausgedacht, doch ich habe sie aus wahren Fragmenten komponiert und komprimiert – besonders die Aufstellung zweier am Bildschirm klebender Cafébesucher, vereint in digitaler Einsamkeit, ist recht echt – und offensichtlich Süchtige, welche die Hobbys anderer als »Sucht« bezeichnen, auch das ist eine so moderne wie wenig seltene Wahrheit.

Pauschal – und wahr?

Es ist gut, es ist richtig und wichtig, dass es in einer Demokratie unterschiedliche Meinungen und Lösungsvorschläge gibt. Selbst wenn eine Gruppe von Menschen die Positionen einer anderen Gruppe pauschalisiert und pauschal angreift, kann das im Prinzip berechtigt sein – wenn es denn Substanz in der Sache hat!

Man könnte etwa den Grünen pauschal vorwerfen, ein politischer Ablasshandel für Vielflieger und Seelengeplagte zu sein, die ihr schlechtes Gewissen und andere Formen von Sinnleere auszufüllen versuchen, indem sie anderen Leuten die Freude am Leben durch Verbote und Lebenserschwerung mindern. Ein solcher Vorwurf, selbst wenn pauschalisierend, wäre dann in der Sache berechtigt, wenn er in eben dieser gewisse Begründung fände.

Wenn aber eine Gruppe oder eine politische Meinung angegriffen wird, diese Angriffe zur sonstigen Debatte und besonders der Faktenlage nicht passen, dann wird demokratische Debatte unmöglich – und Demokratie ohne Debatte ist keine ganze Demokratie.

Jede Partei verdient und braucht Kritik, da ist die neue Partei AfD wahrlich keine Ausnahme. Vom Sound eines Höcke bis zu den Ausführung des inzwischen ausgetretenen Poggenburg, von fragwürdigen Äußerungen der Jungen Alternative bis hin zu gewissen Chat-Protokollen, da gibt es einiges, das sich kritisieren ließe – das kritisiert werden muss.

Hier aber kommt das Aber: Wer aber tut, als sei die AfD bei Moral oder Demokratieaffinität schlechter aufgestellt als etwa die SPD, der spielt doch Theater, oder nicht?

Nicht die AfD

Der AfD wird Populismus vorgeworfen. Doch: Es ist die SPD, welche im Wahlkampf populistische Fake News plakatierte (die 21%-Lüge, siehe welt.de, 19.9.2017) – oder schlichten Nationalismus/Rassismus (welt.de, 24.5.2014).

Der AfD wird ihre Kritik am Islam vorgeworfen. Das Problem ist, dass das Islambild der AfD-Kritiker erschreckend wenig mit der Realität zu tun hat. Während die Warnungen der AfD als »Rassismus« etc. abgetan werden, zeigen soziale Spannungen und antisemitische Übergriffe im Kontext des Islam, dass es zunehmend die Verharmloser sind, welche die Zuverlässigkeit der Demokratie und des Rechtsstaates durch ihr Schönreden indirekt gefährden. (Selbst im Gutachten des Verfassungsschutzes scheint mindestens gefühlt stellenweise ein von westlichen Gutmenschen ausgedachter Phantasie-Islam mitzuschwingen.) – Sorry, aber der AfD vorzuwerfen, sie gefährde den Staat, indem sie eine Ideologie kritisiert – während genau diese Ideologie zu massiven Spannungen führt – welches moralische Standing soll das haben? In Deutschland gilt ja bekanntlich derjenige, der auf ein Problem hinweist, als gefährlicher als das Problem selbst – die Islam-Kritik der AfD ist zweifellos ungemütlich, doch die weitgehende Ignoranz bis hin zur mutwilligen Lüge, wie sie weite Teile der übrigen Parteien und Berliner Elite betreiben, ist buchstäblich lebensgefährlich und führt unter anderem dazu, dass Juden wieder aus Europa zu fliehen erwägen (siehe z.B. welt.de, 19.2.2019 (€)).

Halb im Humor: Einzelnen in der AfD wird aktuell und immer wieder (angebliche) inhaltliche Nähe zu den sogenannten »Reichsbürgern« vorgeworfen (siehe etwa handelsblatt.com, 18.2.2019) – doch ich bin nicht sicher, wie ich es bewerten soll, wenn SPD-Mitglieder und Regierungsminister auf Twitter irgendwelche europäischen Phantasie-Pässe posten, in denen sie sich als Bürger mit Staatsangehörigkeit »European« bezeichnen, also nicht deutsch (siehe etwa @heikomaas, 18.2.2019) – die AfD versucht Deutschland zu verändern, SPD-Politiker scheinen innerlich Deutschland bereits hinter sich gelassen zu haben – das ist ein Unterschied.

Es war nicht die AfD, sondern die CDU-CSU-SPD-Koalition, welche mit dem NetzDG den Rechtsstaat vors Schienbein traten, indem sie de facto Rechtsweg und Meinungskontrolle privatisierten. Es war nicht die AfD, sondern die CDU-CSU-SPD-Regierung, welche die Grenzen offenhielt und so eben auch Terroristen nach Deutschland ließ – während man Deutschland zu belügen schien, es gäbe da keine Verbindung. Es ist nicht ein AfD-Politiker, sondern die SPD-Ministerin, welche in einer hoch fragwürdigen Doppelrolle auch ZDF-Verwaltungsratvorsitzende ist (siehe zdf.de, 30.6.2017), Vermischung von Regierung und Medien sind keine besonders demokratische Qualität. Ja, es gibt Äußerungen von blankem Hass durch AfD-Mitstreiter, doch in der AfD werden sie sanktioniert – es gibt auch etwa in der SPD blanken Hass, besonders auf Andersdenkende und Abweichler, doch in der SPD wird Hass selbst von der Parteispitze verbreitet und oft nicht sanktioniert, sondern gefeiert – das ist ein Unterschied (siehe »Markenzeichen Hass«, 2017). Der Kanzlerkandidat welcher Partei ließ sich mit Stinkefinger ablichten? Der Minister welcher Partei schimpfte über Bürger als »Pack«, wieder mit Stinkefinger? Und so weiter. – Der AfD wird von Linken vorgeworfen, sie sei schlecht für die Demokratie, doch war es etwa ein AfD-Minister, der sich in die »TeamGinaLisa«-Debatte einmischte, der den Generalbundesanwalt entließ, der die Vorratsdatenspeicherung einführte? (siehe auch Weniger Demokratie wagen«, 2017) – Es ist die SPD, nicht die AfD, die das Grundrecht auf freie Wahl einschränken möchte, damit die Wahlergebnisse ihrer Ideologie entsprechen (siehe etwa zeit.de, 16.1.2019).

Als der Arbeitskreis »Juden in der AfD« gegründet wurde, waren die AfD-Gegner irritiert, denn ihr Narrativ von der AfD als »Nazis« bekam ernsthafte Risse. Es wurde zu Demonstrationen aufgerufen, de facto gegen das moralische Recht von deutschen Juden, sich ihre Partei selbst auszusuchen (vergleiche etwa faz.net, 7.10.2018), wenn man sich aber so sehr um das Judentum in Deutschland und Europa sorgt, warum kritisiert man nicht die Partei, deren Politiker mit Israels Feinden schäkern, aus der heraus eine antisemitische US-Politikerin beklatscht wird, die obskure antisemitische Sprüche feiert (Schulz zu Abbas), die Antisemiten ungeprüft nach Deutschland lässt – die SPD (siehe »Die Ausrutscher«)?

Und, weiter: Spätestens seit dem ARD-Framing-Manual wissen wir, dass die Kritik der AfD an ARD und ZDF eher zu milde als zu harsch ist – wer echte Demokratie will, der kann nicht zulassen, dass zwangsweise eingezogenes Geld in Propaganda und Manipulation gepumpt wird (man fragt sich, was alles passiert, das noch nicht geleaked wurde).

Hase und Pfeffer

Und so weiter, und so fort. Wir haben ja eine Ahnung, warum die Parteien die ungeliebte Konkurrenz dämonisieren, während sie selbst bei Gelegenheit weit Übleres anstellen. Wir ahnen, warum dem so ist, besonders wenn wir heute in den Kommentarspalten lesen: »Wahl im Mai – Die gefährlich gut gemachte Europa-Agenda der AfD« (welt.de, 20.2.2019). Bald sind Europa-Wahlen EU-Wahlen (korrigiert nach Leserhinweis) und die Parteien fürchten schon jetzt, wie die Wähler das andauernde Elitenversagen quittieren. Die AfD hat ein Programm vorgelegt, dass »gefährlich gut« ist, heißt es. Kann es sein, dass da der Hase im Pfeffer liegt?

Arg Transparent

Man könnte obige Liste seitenweise weiterführen. Wieder und wieder werden der AfD einzelne Details vorgeworfen, teilweise mit wild ausgedachten Horrorszenarios, während SPD & Co. ganz real der Demokratie mit Gusto vors Schienbein treten.

Ich sage nicht, dass die AfD nicht kritisiert werden sollte – um des demokratischen Himmels willen! Die Afd muss und soll kritisiert werden, aber tut es auch!

Ich werde das Gefühl nicht los, dass die AfD-Gegner echte Angst haben, beim Angriff auf die AfD ihre Munition bereits verschossen zu haben. Man kann oder will sich nicht in echter Kritik versuchen. Man geht zur blinden Dämonisierung über. Man sagt, man will die Demokratie retten, doch man scheint eher seine Pfründe zu meinen. – Es wird allmählich arg transparent.

Wer die SPD wie eine normale Partei behandelt, aber bei der AfD tut, als wäre sie »unrein«, der macht sich lächerlich.

Ihr könnt nicht den vierten Likör bestellen, seit zwei Stunden auf dem Handy scrollen, eine Zigarette nach der anderen rauchen, und glaubwürdig jemanden vorwerfen, »süchtig« zu sein.

Kritisiert die AfD, die SPD, die CDU und die Fahrradfahrer, die ja das giftige Kohlendioxid ausatmen! Pampt sie an und widerlegt sie! Macht sie fix und macht sie fertig, aber tut es mit Argumenten und mit besseren Ideen!

Weiterschreiben, Wegner!

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