12.10.2021

Deine große Kündigung

von Dushan Wegner, Lesezeit 3 Minuten, Foto von Nastya Kvokka
Sagt der eine Boss: »Feure die Hälfte deiner Leute, egal welche! Die andere Hälfte wird sich dreifach anstrengen!« – Sagt der zweite Boss: »Ich werfe immer die Hälfte der Bewerbungen weg. Die hatten Pech, und Pechvögel kriegen keinen Job bei mir.«
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Ein zynischer Spruch unter Bossen: »Feure die Hälfte deiner Leute, egal welche! Die andere Hälfte wird sich dreifach anstrengen!«

Er tut weh, dieser Spruch. Es liegt ja etwas Wahrheit in diesem flapsigen Witz – wie überhaupt in jedem witzigen Witz – und diese Wahrheit schmerzt!

Falls Ihnen dieser alte Business-Witz weh tat, dann wird das folgende Scherzlein noch schmerzhafter sein!

Sagt ein Unternehmer zum anderen: Ich nehme immer den Stapel mit den Bewerbungen und werfe die Hälfte gleich weg. Warum? Die hatten halt Pech, und mit Pechvögeln will ich nichts zu tun haben.

Autsch, auch diese Variante schmerzt. Warum? Weil wir uns schmerzhaft realistisch vorstellen können, dass irgendwelche zynischen Bosse wirklich genau so denken. Und weil es leider auch ein klein wenig stimmt, das mit dem Pech.

Es gibt Menschen, die immer wieder Pech zu haben scheinen (oder denen das Leben täglich »Zitronen gibt«). Vor allem aber: Es gibt tatsächlich Pech im Leben, und dieses Pech kann ganz konkret dir passieren.

Das ursprüngliche Pech ist eine klebrige Masse, aus Teer destilliert. Pech ist klebrig. Damit Pech aber an dir kleben kann, braucht es etwas, woran es festkleben kann, eine Klebefläche. Die These ließe sich aufstellen, dass die Federn von Pechvögeln mehr als das normale Maß an Klebefläche aufweisen.

Zurück aber zum Anfeuern des inneren Feuers durch feuriges Leutefeuern! Ich will die Weisheit jenes fiesen Witzes auf mich selbst anwenden: Wenn ich die Hälfte meiner Pflichten feuern würde, müsste ich doch nach selber pragmatischen Logik die übrig bleibenden Pflichten mit doppelter Kraft und Verve angehen!

Weder du noch ich wissen, wann das Leben uns plötzlich die Hälfte unserer Pflichten nimmt – gegen unseren Willen. (Zumindest gegen unseren Willen in dem Moment. Im Nachhinein könnten wir durchaus dankbar sein für das, wogegen wir zunächst heiß und heftig protestierten.)

Ein Teil von Ihnen, liebe Leser, hat ein solches »Feuern von Pflichten« bereits durchlaufen, vielleicht sogar häufiger als einmal.

Ein Teil von Ihnen wird, so ist statistisch zu erwarten, innerhalb des nächsten Jahrzehnts von Pflichten entbunden werden, welche heute noch zu dem gehören, was er meint, wenn er »Ich« sagt.

Es könnte eine kluge Übung sein, schon jetzt und vorab zu fragen: Wenn du gezwungen wärest, die Hälfte deiner Pflichten zu »feuern«, welche wären es?

Du und ich sind, wir alle Menschen, sterblich, und das bedeutet konkret: Irgendwann ist sowieso mit allen unseren Pflichten für immer Schluss.

Eine These, zur Probe: Wer heute die Hälfte seiner Pflichten feuert, nimmt lediglich vorweg, was ohnehin passieren wird.

Wenn ich heute die Hälfte meiner Pflichten feuern müsste, welche Hälfte wäre es?

Entlasse den »unglücklichen« Teil deiner Pflichten doch, bevor das Leben es für dich tut!

Kündige doch der Hälfte deiner Pflichten! Was aber an Pflichten übrig bleibt, das gehe mit dreifacher Kraft und ganzer Klugheit an.

Weiterschreiben, Dushan!

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