Von Zeit zu Zeit warnen die Behörden davor, diese oder jene Produkte zu kaufen. Letzten Monat etwa wurde davor gewarnt, eine ganz bestimmte im Hamburger Raum vertriebene Wurstmarke zu verzehren (siehe etwa ndr.de, 4.10.2019). Die Behörden tun es, um die Bevölkerung zu schützen? Wovor schützen? Bürger, die eine Wurst essen und dann tot umfallen, zahlen anschließend weniger Steuern, also ist es besser, wenn sie diese Wurst nicht essen, aber ich bin sicher, dass sich eine moralischere Begründung findet.
Stellen wir uns nun vor, die Regierung würde nicht vor einer Marke warnen, sondern vor aller in Deutschland hergestellten Wurst. Oder sie würde vor allen im Hamburger Raum hergestellten Nahrungsmitteln warnen. Stellen wir uns vor, der Staatsfunk mit seinem Milliardenbudget und Ministerien mit weiteren hunderten Millionen dazu würden versuchen, die Bürger davon zu überzeugen, keine Nahrung aus Deutschland mehr zu kaufen. Es wäre, vorsichtig gesagt, problematisch.
Wenn Sie einen Ausländer sehen…
Wenn Ihnen der Gedanke an Propaganda gegen Wurstwaren nicht wirklich in die Seele kneift, dann setzen Sie doch einen anderen Gegenstand ein, und mit »Gegenstand« sei hier ein Mensch gemeint. Ich wurde in der damaligen ČSSR geboren, also bin ich Ausländer – einige Ausländer sind gewalttätig. Stellen wir uns nun eine Propaganda-Kampagne der Behörden, des Staatsfunks und einer Reihe von Ministerien finanzierter Propaganda-Vereine vor, die vor allen Ausländern warnt.
»Wenn Sie einen Ausländer sehen«, so würde jene Propaganda insinuieren, »dann melden Sie diesen!«
Auf Nachfrage würden die Behörden und PR-Facharbeiter dann stets betonen, dass sie nicht alle Ausländer meinen, sondern nur die gewalttätigen und straffälligen, doch die Häufung der Nachfragen würde sie nicht zum Überdenken ihrer Kampagne bewegen, im Gegenteil. Man würde »Ausländer-Meldestellen« einrichten, »Aktionstag gegen Ausländer« und Kampagnen wie »no foreigners« betreiben, doch auf Nachfrage würde man immer versichern, dass man natürlich nicht alle Ausländer meine, sondern nur die kriminellen. Unvorstellbar? Nun, lassen wir das mal so stehen.
Kommen wir von Hamburger Wurstwaren und uns Ausländern, die wir eben nicht alle kriminell oder auch nur verdächtig sind, zu den aktuellen Nachrichten.
Auf zwei Arten lesen
Einmal im Jahr – doch gefühlt irgendwie jeden Tag – erklären deutsche Behörden einen »Aktionstag gegen Hasspostings«.
Die aktuelle Pressemeldung des Bundeskriminalamts zu diesem merkwürdigen Ereignis beginnt so:
Mit dem 5. Aktionstag gegen Hasspostings geht die deutsche Polizei einmal mehr gegen strafbare Posts im Internet vor.
(bka.de, 6.11.2019)
Egal was insinuiert wird, stark negative Gefühle zu äußern ist per se nicht strafbar. Ich hasse den Totalitarismus. Ich hasse Mord und Lüge. Ich hasse Broccoli. Letzteres ist unwahr, aber noch keine Straftat – hoffentlich.
Man beachte nun, dass dieser einleitende Satz der Meldung auf zwei Arten lesbar ist. – Analysieren wir dafür die Struktur:
Mit dem Aktionstag gegen X geht die deutsche Polizei einmal mehr gegen Y vor.
Ich sehe zwei mögliche Deutungen:
- X und Y sind im Prinzip dasselbe.
- Y ist eine Untermenge von X.
Wenn man nachfragt (und inzwischen in anderer Kommunikation), werden Behörden argumentieren, dass selbstverständlich nicht alle »Hasspostings« (was auch immer das nun genau ist) illegal seien, aber die illegalen unter den Postings oft im »Hass« ansetzen.
(Eine zusätzliche Deutungs-Dimension wäre, dass nur an diesen Tagen gegen jene »Hasspostings« vorgegangen wird – ob den Textern klar wird, dass sie dadurch das Gefühl geben, dass man an sonstigen Tagen freier ist? Wenn es ein so wichtiges Anliegen ist, gewisse Meinungen besonders zu bestrafen, warum tut man es nicht jeden Tag? Es gibt ja auch keine »Aktionstage gegen Bankräuber«.)
Der Aktionstag wurde begleitet von Social-Media-Posts, in denen aufgefordert wurde, Hasspostings zu »melden«, und zwar ausgerechnet via Web-Formular einer Stiftung (siehe etwa @LKA_Bayern, 6.11.2019), begleitet von Memes der stramm linken Aktion »no-hate-speech.de«. Warum das bayerische Landeskriminalamt dazu auffordert, mögliche Straftaten (es verschwimmt ja, fast als wäre es Absicht, was verboten ist und was nicht) bei einer in Baden Württemberg angesiedelten Stiftung (demokratiezentrum-bw.de) zu melden, die über ihren Namen einzelne Bürger eventuell zum Irrtum verführen könnte, zu glauben, es handele sich um eine polizeiähnliche Behörde – all das erschließt sich mir nicht unmittelbar. Was ist das Ziel? Sollte die Polizei nicht neutral sein?
Es ist der fünfte Aktionstag dieser Art. Seit Regierung, Behörden, Journalisten und diverse dubiose Vereine unisono gegen angeblichen »Hass« Stimmung machen, weisen Juristen, freie Publizisten und verbliebene Bürgerrechtler darauf hin, dass der sogenannte »Hass«, also die Äußerung eines stark negativen Gefühls, keinesfalls eine Straftat darstellt – man ist »da oben« unbeirrt. Nimmt man die Kritik nicht wahr, oder nimmt man in Kauf, den Bürger derart einzuschüchtern, dass er seine Grundrechte gar nicht erst wahrnimmt?
… also hat niemand Hunger
Die Mehrheit der deutschen Bürger traut sich nicht mehr, ihre Meinung frei zu sagen (siehe etwa welt.de, 22.5.2019). In Umfragen wird inzwischen bestätigt, was doch eigentlich seit langem offensichtlich ist (siehe etwa »Meinung, Freiheit und ›Konsequenzen‹«): Nur und wer in Kauf nimmt, dass es für ihn keinen »Weg zurück« gibt (siehe Fälle wie Prof. Dr. Lucke) oder wer sehr naiv ist, der wird sich noch trauen, seine Meinung einigermaßen frei zu äußern. Wenn die Meinung zu sagen bedeutet, alles verlieren zu können, werden nur noch die frei sprechen, die wenig zu verlieren haben – oder sehr getrieben sind von ihrer Liebe zur Wahrheit.
Diese Umfragen stören jene, welche das Overton-Window zuziehen wollen, machen sie doch den Bürgern überhaupt bewusst, dass sie nicht allein sind mit dem Gefühl, dass sich die Grenzen des erlaubten Denkens immer weiter schließen. In der medienlinken Filterblase, also unter jenen, die alles sagen dürfen, indem und weil sie die richtige »Haltung« vertreten, wurde darüber geklagt, dass entsprechende Meldungen und Umfragen doch nur »das rechte Narrativ« bedienen (siehe etwa Thread zu @niggi, 2.11.2019). Das Motto von Linken, die keine Erosion der Meinungsfreiheit sehen: »Ich bin satt, also hat niemand Hunger.«
Wenn eine Mehrheit der Bürger fühlt, dass ihre Meinungsfreiheit nicht mehr gegeben ist, dass also das Grundgesetz nicht mehr in vollem Umfang gilt, wie sollten Regierung und Behörden reagieren? Diese Behörden und diese Regierung reagieren – oder reagieren nicht – indem sie in Kauf nehmen, dass in den Bürgern die Furcht wächst, für die Äußerung von Kritik und negativen Gefühlen ins Gefängnis geworfen zu werden.
Ich hasse Lügen
»Any customer can have a car painted any colour that he wants so long as it is black«, sagte einst Henry Ford; auf Deutsch etwa: »Jeder Kunde kann das Auto in jeder Farbe lackieren lassen, so lange es die Farbe Schwarz ist.«
Heute fühlt mancher: Jeder Deutsche kann jede Meinung äußern, solange sie linksgrün, antideutsch und für unkontrollierte Einwanderung ist – oder er bereit ist, seine Existenz zu verlieren, von den Behörden verfolgt zu werden oder von Antifa-Schlägern ins Krankenhaus geprügelt zu werden. Nicht alles davon ist wahr, aber durch geschickte PR-Maßnahmen wird suggeriert, dass das Äußern negativer Gefühle per se strafbar sein kann. Drei Jahrzehnte nach dem Ende der DDR lernen wir: Du musst die Menschen nicht hinter einer Mauer aus Steinen und Stacheldraht einsperren, wenn du eine Mauer aus Angst in ihren Köpfen baust, mit der drohenden Vernichtung ihrer Existenz und der sozialen Ächtung als moderner Form der Selbstschussanlage (siehe auch »Deutschlands Einheit und die neue Mauer«).
Es wäre höchst problematisch, wenn die Regierung vor dem Verzehr aller deutschen Lebensmittel warnte und sogar existentielle Angst schürte, weil es in einer Fabrik mutmaßlich zu Problemen kam. Es würde kaum akzeptiert werden, wenn die Behörden dazu auffordern würden, uns Ausländer alle zu melden. Die allermeisten Äußerungen negativer Gefühle und Kritik an der Regierung, im neudeutschen Propaganda-Sprech »Hass«, sind legal. (Ich hasse Lügen. Ich hasse Kriminalität. Ich hasse – und wie ich sie hasse – die Dummheit!) Wir würden nicht akzeptieren, dass die Regierung gegen alle deutsche Nahrungsmittel agitiert oder gegen alle Ausländer hetzt, wir sollten also zumindest aufhorchen, wenn Behörden durch geschickte (und manchmal plumpe oder schlicht irreführende) Sprache das Gefühl wecken, dass das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nicht mehr gilt und alle Äußerungen negativer Gefühle einen ins Gefängnis bringen können.
Was ist das denn für ein »Hass«, den man melden soll? Wenn etwa ein linker Prominente auf Twitter fragt, ob man »diese rechten Arschlöcher nicht mal ausbürgern, für ein Jahr nach Mali schicken, zurückholen, in ein Asylheim stecken und anzünden?« (@pertsch, 16.6.2015, archiviert), oder wenn man seine Mitmenschen ganz selbstverständlich als »Idiot« bezeichnet (Screenshot 7.11.2019)? Nein, wir ahnen, was das für ein »Hass« ist. Nein, der »gute« Hass scheint gesellschaftlich akzeptiert zu sein, und wird sogar explizit gefordert, solange er sich nur gegen Andersdenkende richtet. (Während Deutschland sich damit beschäftigt hält, bekommt es vieles eigentlich wichtige nicht mit, etwa dass zum ersten Mal seit der Wirtschaftskrise seine Exporte sinken werden, siehe reuters.com, 30.10.2019. Wäre ich als Politiker für das alles verantwortlich und dazu weitgehend gewissenlos, dann würde ich wollen, dass sich die Bürger noch mehr und noch lebhafter über für ihre Zukunft irrelevanten Unsinn zerfleischen.)
Im Text »System Error und der Clan-Chef« erwähnte ich den neuen Aufruf der Verfassungsschutzes und deren »Hinweistelefon« zur Meldung von Rechtsextremismus. Der Präsident des Verfassungsschutzes sagt: »Es geht nicht um Denunziantentum, sondern wir wollen jede Möglichkeit nutzen, an Informationen zu gelangen«, und es heißt: »Bitte missbrauchen Sie es nicht zur Denunzierung von Bürgerinnen und Bürgern.« – Ich wage eine spontane These: Wenn du in deinen Maßnahmen wiederholt darauf hinweisen musst, dass deine Maßnahmen nicht X sind, solltest du überprüfen, ob du nicht bereits gefährlich nah an X bist. – Man könnte ja auch Süßigkeiten vor einer Schule verteilen, und die Kinder darum bitten, sie nicht zum Naschen zu verwenden.
Es wäre zu wünschen
Wer sich nicht bewegt, so lautet eine alte Sponti-Weisheit, spürt auch seine Fesseln nicht. Der Satz wird fälschlicherweise oft Rosa Luxemburg zugeschrieben, was ihn noch längst nicht falsch macht, ein anderer Satz ist aber tatsächlich von ihr, nämlich: »Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden.«
Wer immer nur das meint, was Linksgrün meint, der könnte tatsächlich meinen, die Meinung in Deutschland sei frei. Der Vogel, der davon überzeugt wurde, außerhalb des Käfigs zu fliegen sei moralisch verderblich, sei gar kein richtiges Fliegen, der könnte tatsächlich bestreiten, dass der Käfig seine Freiheit einschränke – oder die irgendeines anderen Vogels.
Meine Familie erinnert sich an die Fälle in der ČSSR, die so lange selbst zu den 150-Prozentigen gehörten, und die laut erklärten, wie angenehm es sich doch im Sozialismus lebe, wie moralisch überlegen das System doch sei, bis sich eben dieses System plötzlich gegen sie wandte, und dann versuchten sie so panisch wie buchstäblich enttäuscht, samt ihrer Kinder aus dem Sozialismus zu fliehen.
Die linken Schläger, die Andersdenkende bedrohen und an Universitäten aufmarschieren, um abweichende Meinung zu verhindern, sie nehmen nicht nur anderen Menschen die äußere Freiheit, sie sind auch innerlich unfrei. Wie labil, zerbrechlich und innerlich unfrei musst du in deiner Meinung sein, wenn du anderen Argumenten nur mit verhindernder Gewalt zu begegnen weißt? (Es sei hier notiert, dass es Polizei-Beamte sind, die etwa Professor Dr. Lucke ermöglichen, seine Vorlesung zu halten, trotz linker Verhinderungsversuche.)
Es gab in der Geschichte wieder und wieder Phasen der äußeren Einschränkung von Freiheit, und es fühlt sich an, als hätte in Deutschland wieder eine solche begonnen. Es wäre zu wünschen, dass die Freiheit der Meinung in Deutschland ein so wichtiges Anliegen wäre wie die Qualität der Wurst. Die Unfreiheit der Menschen beginnt immer mit der Unfreiheit der Meinung. Was mir aber noch mehr Sorgen bereitet als die Einschränkung der äußeren Freiheit ist das Schwinden der inneren Freiheit.
Was bedeutet es, in Zeiten äußerer Unfreiheit selbst innerlich frei zu sein? Was soll man noch sagen, wenn seine Meinung frei zu äußern und sich gegen die linksgrüne Einheitslinie zu stellen einen die Existenz kosten kann? Wenn man Familie hat und Verantwortung trägt, wird man es sich heute doppelt überlegen – nicht dass es noch als »Hass« gilt.
Was ist die innere Freiheit wert, wenn vom Horizont her die äußere Unfreiheit dräut? Ich sage: Die innere Freiheit ist alles wert. Die innere Freiheit ist der aufrechte Gang der Seele. Geh aufrecht und denke selbst – und sei es nur, für eine Zeit, geschützt in deinem Innenhof, innen in dir, in deiner Seele.