28.11.2021

Pläne in Zeiten der Panik

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten
Früher nannten wir einen Menschen »planlos«, wenn er so viele verschiedene Pläne verfolgte, dass diese einander neutralisierten. Heute, in Zeiten der Panik, sind erschreckend viele Menschen tatsächlich »ohne Plan«, sprich: ihrer Pläne beraubt.
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Damit ein Mensch sinnvoll auf seine Leiter steigen kann, müssen zunächst natürlich einige Details geklärt sein. – Ist die Leiter stabil? Bin ich an Beinen und Händen gesund, bin ich schwindelfrei?

Steht die Leiter überhaupt da, wo ich hinauf möchte? Wie sicher steht sie? Der Boden, ist er fest genug? Tragen die Sprossen mein Gewicht, oder ist das Holz morsch und gefährlich?

Und, wenn wir die Leiter gleich als Metapher für des Lebens Mühe deuten: Lehnt unsere Leiter überhaupt an irgendwas, oder wankt und schwankt sie mehr so in der Luft herum?

Destruktive Interferenz

Man sagt manchmal, dass ein Mensch »planlos« sei. Doch, bei näherer Betrachtung ist ein solcher Mensch oft nicht ohne Plan, sondern einer mit viel, viel zu vielen Plänen. Die vielen Pläne des scheinbar »Planlosen« heben einander im Effekt auf, es ist, was die Physiker eine destruktive Interferenz nennen.

In Zeiten der allgemeinen Panik aber kann es passieren, dass Menschen im wörtlichen Sinne planlos sind – und es ist sehr anders, sehr viel weniger fröhlich als die vermeintliche Planlosigkeit eines liebenswerten Chaoten.

Ein Mensch sagte zu mir: »Ich wollte im nächsten Jahr meine Kinder besuchen, doch es fällt mir schwer, Pläne zu machen. Wer weiß, welche Schikanen sich das Regime noch ausdenkt?«

Ein anderer sagte zu mir: »Ich wollte meine Ausbildung beginnen, doch die Behörden machen meinem künftigen Betrieb das Leben so schwer, dass meine Pläne erstmal auf Eis gelegt sind.«

Die Konzerne und Politikprofiteure, sie haben die Panik längst eingepreist und, ja, eingeplant, doch für nicht wenige der kleinen Leute wurden in diesen Monaten und nun Jahren alle großen Pläne nichtig.

Es fällt schwer, ein neues Geschäft zu planen, eine Karriere zu beginnen – oder auch »nur« ein Erwerbsleben, gar eine Familie zu starten, wenn das Regime dir morgen schon, zu deinem eigenen Schutz natürlich, die Freiheit nehmen kann.

Einst schmunzelten wir über uns selbst: »Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, zeige ihm deine Pläne.« – Heute sind wir es selbst, die halb-bitter lachen, und wir fragen: »Welche Pläne?«

Das Leben in den Zeiten der Panik, es fühlt sich planlos an.

Dreck oder Wind

Manche Leiter steht heute etwas verloren, nutzlos herum. Weit gruseliger als eine umgefallene, im Dreck liegende Leiter, wäre eine Leiter, die frei in der Luft steht und an nichts angelehnt im Wind schwankt, und doch nicht umfallen will – manches seiner Pläne beraubte Leben heute ist wie jene Geisterleiter.

Vielleicht ist unser Denkfehler an der Leiter-Metapher, das Denken von der Leiter her zu beginnen.

Der Sinn der Leiter ist es, irgendwo hinauf zu gelangen. Die Leiter ist nicht Musik und ist nicht Liebe, die Leiter ist nicht ihr eigener Zweck. Wir stellen die Leiter auf, um irgendwo hin zu gelangen – um ein Ziel zu erreichen.

Jetzt seist du eben

Nicht für alle von uns, und nicht für alle Leitern, aber doch für einige wage ich diese These: Nicht unsere Pläne sind kaputt – unsere Ziele sind nicht gut genug.

Mancher, der »planlos« scheint, ob im alten oder im neuen Sinn, scheint mir in Wahrheit »ziellos« zu sein.

Das Regime hat dir deine Pläne kaputtgemacht, so sagst du, und es mag stimmen, doch ich frage: Haben die Behörden dir denn auch deine Ziele genommen?

Du sagst, deine Pläne seien alle über den Haufen geworfen, und jetzt seiest du eben planlos.

Ich aber sage dir: »Wenn du gute Ziele hattest, wirst du dir Pläne bauen«, und ich verschärfe es weiter: »Wenn du gute, starke Ziele hattest, dann werden sich deine Ziele bald neue Pläne schaffen, werden einen neuen Weg finden, wie sie dich hinaufbringen.

Wenn du mit Herz und Verstand weißt, wohin du hinaufsteigen willst, dann wird sich gewiss auch eine neue Leiter finden.

Das dich antreibt

Klage nicht, dass die Regierung deine Pläne zerstörte. Klage dich selbst an, dass du keine Ziele hattest, die gut und stark genug gewesen wären, dich zu bewegen, sofort drei neue Pläne parat zu haben.

Rede dich nicht auf die Unmöglichkeit des Planens heraus, wenn es dir in Wahrheit an guten Zielen mangelt, an Zielen, für die es sich immer wieder neu zu planen lohnt.

Deine und meine Pläne werden noch tausendmal umgeworfen werden. Unsere Pläne sind nie mehr als nur halb in unserer Hand – und heute nicht einmal das.

Ein würdiges Ziel schafft sich seinen Plan, wie ein Magnet, der die Metallsplitter aus allen Richtungen zu sich zieht.

Suche dir ein höheres Ziel, ein besseres Ziel, ein Ziel, das dich antreibt, immer wieder neue Leitern aufzustellen, wie oft sie deine Pläne auch in Stücke hauen, bis irgendwann und endlich ein Plan – dein Plan – funktioniert.

Wenn deine Ziele dich nicht täglich neu antreiben, dich erfinderisch werden lassen, wenn deine Ziele dir nicht genug Kraft geben, immer wieder neue Pläne zu schmieden, immer wieder eine neue Leiter zu zimmern, dann suche dir bessere Ziele.

Weiterschreiben, Wegner!

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