Dushan-Wegner

23.07.2023

Resignation vs. Realismus

von Dushan Wegner, Lesezeit 3 Minuten, Bild: »Und wenn es nicht mehr fliegt?«
Realismus bedeutet, anzuerkennen, dass das Flugzeug abstürzt. Resignation bedeutet, sitzenzubleiben. Klugheit bedeutet, den Fallschirm umzuschnallen – oder, wenn möglich, das Flugzeug doch noch zu retten!
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Ein Leser schreibt mir via Twitter: »Herr Wegner, ich verfolge Ihre Texte mittlerweile schon seit einigen Jahren. Ich komme nicht umhin, bei Ihnen in letzter Zeit eine gewisse … Resignation oder Ratlosigkeit festzustellen. Ich bin mir noch nicht sicher, was das mit mir macht.« (@graf_hagen, 22.7.2023)

Tatsächlich tragen einige meiner neueren Texte solche Titel wie: »Hast du deinen Fallschirm parat?« – Und die Einleitung zu diesem Essay beginnt mit: »Es ist vorbei. Wir bewegen uns im freien Fall auf den Boden zu, ökonomisch, kulturell und gesellschaftlich.«

Ich verstehe, was der Leser sagt, und ich verstehe auch den emotionalen Kontext, aus welchem heraus die Deutung meiner Haltung als »Resignation« oder gar »Ratlosigkeit« möglich sein könnte.

Der Essay über den Fallschirm endet sogar mit einer denkbar sarkastischen Frage: »Das Pfeifen, das ihr täglich hört, was meint ihr, was das für ein ›Wind‹ ist?«

Bin ich also »resigniert«, von »Ratlosigkeit« ergriffen?

Lassen Sie mich bitte mit einem eindeutigen »Jein!« antworten. Ich will es gern erklären.

Unterschiedliche Ideen

Laut duden.de ist Resignation ein »Sichfügen in das unabänderlich Scheinende«.

Stimmt, das klingt nah an »sich die Tatsache eingestehen, dass es ist, wie es ist«.

Doch das sind zwei unterschiedliche Ideen!

Resignation bedeutet, sich seinem unabänderlichen Schicksal zu fügen, es ist also eine denkbar passive Haltung.

Resignation ergreift nicht nur Einzelmenschen! Resignation kann auch ein ganzes Volk erfassen.

Und: Resignation kann politisch gewünscht sein, wenn das Sichfügen in politische Gewalt als »alternativlos« gilt. Die Forderung, auch Alternativen und andere Denkmöglichkeiten zu erlauben (sprich: demokratisch zu debattieren), wird dann als Revolution empfunden, und entsprechend bekämpft.

Meine Position ist auch heute gewiss nicht, dass man sich »fügen« soll – oh nein! Das einzige, was sich »fügen« soll, ist der Verstand, der soll sich in die Realität »einfügen«, sprich: Man soll vor sich selbst zugeben, dass es ist, wie es ist.

Resignation wäre das Sichfügen in einen als »unabänderlich« gedeuteten Zustand, also quasi in ein Schicksal.

Dieses Wort »unabänderlich« ist aber – gerade mit dem von mir hinzugefügten Wort »Schicksal« verbunden – etwas unklar. Was ist gemeint?

Ob du deine Tage

Es ist ein Unterschied, ob ich das Schicksal des Landes für unabänderlich halte oder mein eigenes.

Halte auf keinen Fall dein eigenes Schicksal für unabänderlich! Solange du handeln kannst, so klein deine Handlung auch scheint, du kannst Einfluss auf dein Schicksal nehmen!

Ob du deine Tage mit Unsinn und Konsum verbringst oder mit Kultur, Weisheit und Lernen, ist deine Entscheidung. Gib nicht dem Schicksal die Schuld an deiner emotionalen Faulheit.

Nein, dein Schicksal und deine mentale Gesundheit sind natürlich nicht unabhängig von den Umständen, und doch ist dein persönliches Schicksal ganz sicher nicht »unabänderlich«.

Doch was ist mit dem Zustand der Nation? Wären da Resignation und Ratlosigkeit nicht gerechtfertigt?

Solange noch möglich

In Bezug auf die Nation empfehle ich dem Einzelnen zwei parallele Gedanken: Gehe davon aus, dass sich etwas zum Guten ändern ließe – doch kalkuliere auch für den Fall, dass es nicht besser wird. (Beispiel: Deuten Sie die Regenbogenflagge als Eroberungsflagge eines gewissen US-Investors, und ziehen Sie Ihre persönlichen Schlüsse daraus, dass sie über Konzernen und sogar dem Bundestag weht.)

Wenn das Flugzeug abstürzt, ist es nicht Resignation sondern Realismus, diese Tatsache anzuerkennen. Weisheit war es, den Fallschirm parat zu haben. Klugheit ist es, ihn rechtzeitig umzuschnallen. Und dann ist es staatsbürgerliches Engagement, zu versuchen, den Absturz des Flugzeugs abzuwenden, falls und solange noch möglich.

Ich empfehle das Gegenteil von Resignation, nämlich aktives Handeln im Sinne der relevanten Strukturen – ausgehend von der Realität, wie sie eben ist.

Weiterschreiben, Wegner!

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