08.11.2023

Regierung Respektlos

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten
Regierung trifft sich mit Verfassungsgericht, um über »Krise als Motor der Staatsmodernisierung« zu reden. Nicht das erste Treffen. Man will wohl nicht mal mehr »so tun, als ob«. Was für eine Respektlosigkeit gegenüber der Bevölkerung!

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Das Bundesverfassungsgericht trifft sich wieder einmal mit der Bundesregierung (faz.net, 6.11.2023).

Konkret: mit dem Justizminister – das ist ein Herr von der FDP – und mit der Chefin des Familienministeriums. Also jenem Ministerium, das man schon mal als »deutsches Quasi-Propagandaministerium bezeichnen« könnte (siehe dazu Essay vom 27.11.2020). Das Ministerium verfügt über ein riesiges Propagandabudget und agitiert damit gegen Andersdenkende und Opposition.

Es ist skandalös und problematisch genug, dass die beiden sich treffen, das oberste Gericht und Vertreter der Regierung. Warten Sie aber, bis Sie erst erfahren, was diesmal das offizielle Thema ist!

Mir zumindest blieb da kurz die Luft weg.

Und es ist nicht das erste Mal, dass sich Bundesverfassungsgericht und Bundesregierung zum Plausch treffen.

Wir erinnern uns etwa an dieses Treffen unter Merkel in der Corona-Zeit, das hatte ein extra Geschmäckle (siehe etwa focus.de, 11.7.2021). Wir erinnern uns auch, was das Gericht selbst über dieses Treffen später sagte. Es war ein Skandal dadurch, dass es kein viel größerer Skandal war.

Wenn Regierung und oberstes Gericht sich zum romantischen Abendessen treffen, zum Rendezvous, dann offenbart das durchaus eine interessante Beziehung. In mir wächst aber das nagende Gefühl, als würde dabei zugleich hinsichtlich einer anderen Beziehung fremdgegangen werden. Ich werde dazu gleich etwas zitieren, doch erlauben Sie mir etwas Erklärung, etwas Beleuchtung.

Respekt beim ersten Date

Stellen wir uns vor: ein Pärchen beim ersten Rendezvous, oder wie man auf Neudeutsch sagt, beim Date. Vielleicht kennen sich die beiden ja von der Arbeit oder aus dem Freundeskreis.

Wahrscheinlich wissen beide, wie der jeweils andere in gewöhnlichen Klamotten aussieht, im Alltag. Doch für das erste Date haben sich beide fein herausgeputzt, sich extra schick gemacht. Warum eigentlich? Man könnte es doch als Verstellung deuten, als Kostümierung.

Und doch ist die schicke Kleidung beim Date ja keine Lüge. Beide wissen ja, dass auch der andere weiß, dass man sonst nicht diese schicke Kleidung trägt. Zumindest nicht im Alltag.

Und genau das ist der Punkt. Es ist nicht nur kein Problem, dass der jeweils andere weiß, dass man nicht immer derart schicke Kleidung trägt.

Es ist wichtig!

Es ist notwendig!

Indem man sich schick anzieht, gibt man unmissverständlich zu Protokoll: Dieser Anlass, diese Zeit und diese Interaktion mit dir sind mir wichtig. Dies ist kein Alltag, dies ist besonders.

Und zu besonderen Anlässen tue ich so, als wäre ich ein feiner Schnösel, und dies ist mir ein besonderer Anlass. Das hat etwas mit Respekt zu tun. Respekt – das klingt wie ein Gefühl, doch tatsächlich ist Respekt eine Handlung.

Ich bezeuge Respekt, indem ich die Handlungen ausführe, die notwendig sind, um meinen Respekt zu bezeugen. Zum Date gehört es, Respekt für das Gegenüber und für die Situation zu bezeugen. Nehmen wir nun einmal an, dass dieses Date klappt.

Das Pärchen wird zum Paar. Aus aufregenden Momenten werden Jahre, doch dann – die Schmetterlinge im Bauch verflattern sich, der Alltag übernimmt. Wie verhält es sich mit dem Respekt?

Der zuverlässigste Hinweis darauf, dass eine Beziehung eigentlich vorüber ist, ist der Verlust des gegenseitigen Respekts. Irgendwann ist das stinkende T-Shirt gut genug, wenn man die Tür öffnet, falls man sie überhaupt noch öffnet für den anderen, und so weiter. Sie wissen schon, irgendwann tut man nicht einmal mehr so.

Ab da sind die weiteren Entwicklungen meist nur noch praktische Manifestationen des ohnehin Realen.

Genug »beleuchtet« – zurück zur Politik!

Den (und das) kennen wir doch!

Es ist erstaunlicherweise Usus, dass die Regierung sich mit Angehörigen des Bundesverfassungsgerichts trifft, um sich über aktuelle Angelegenheiten zu besprechen. Das Ansehen jenes Gerichts wurde ja ohnehin leicht beschädigt, als ein gewisser Herr Harbarth zu dessen Chef berufen wurde. Der CDU-Mann war mir bis dahin zumindest im Bundestag durch 150-prozentige Reden aufgefallen, etwa wenn es um den meiner Meinung nach recht offen antidemokratischen UN-Migrationspakt ging. (Siehe dazu auch mein Essay vom 9.11.2018)

Dieser Herr Harbarth war auch mit der Anwaltskanzlei verbandelt, die den Steuerraub Cum-Ex mit ausgetüftelt haben soll (so lese ich etwa t-online.de, 5.52020).

Eine Delegation dieses illustren Gerichts also, dessen Chef Herr Harbarth ist, traf sich zu Merkels Zeiten auch mit dieser, während das Gericht wohlgemerkt über Fragen zu Merkels, ich sag mal, »legalem Corona-Unrecht« zu entscheiden hatte.

AfD-Abgeordnete hatten damals ein »Ablehnungsgesuch« wegen »Befangenheit« gestellt. Das Bundesverfassungsgericht aber lehnte es ab. Es sei »offensichtlich unzulässig«.

Die Richter bescheinigten sich selbst, die innere Unabhängigkeit und Distanz zu besitzen, über das Handeln der Politiker zu richten, mit denen sie sich zum Abendplausch treffen – das kann man auf deren eigener Website bundesverfassungsgericht.de nachlesen!

Diese Begründung aber trieft vor Zynismus, meiner Meinung nach.

Es »käme darin ein Misstrauen gegenüber den Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck, das dem grundgesetzlich und einfachrechtlich vorausgesetzten Bild des Verfassungsrichters widerspricht, wenn man diesem Gesuch nachkäme«.

Ich finde, wir sollten diese Unverfrorenheit goutieren. Die Richter bescheinigen sich selbst, komplett unabhängig zu sein, quasi Heilige, egal, was der Augenschein nahelegt.

Etwas anderes anzunehmen, würde dem Bild des Verfassungsrichters widersprechen und ist deshalb »offensichtlich unzulässig«.

Es ist »unzulässig«, weil es dem Bild widerspricht, egal, welches Bild die eigentliche Handlung hergibt. Nun gut, nun trifft man sich also wieder zum Plausch mit Vertretern der Regierung. Und man ist natürlich »unabhängig«, klar.

Den Respekt verloren

Mich stört gar nicht so sehr, dass die sich treffen. Jeder plauscht gern mit Seinesgleichen, auch die Mechaniker des Machtbetriebs.

Mich schockiert viel mehr, dass sie es anscheinend nicht einmal versuchen, unabhängig und erkennbar rechtsstaatlich zu wirken. Sie haben den Respekt verloren, den Respekt uns gegenüber.

Doch diese Story hat noch mehr Schockierendes zu bieten! Auch das Thema des aktuellen Treffens hat es in sich!

Es lautet: »Krise als Motor der Staatsmodernisierung« (faz.net, 6.11.2023).

Das erinnert mich zumindest an das inoffizielle Motto von Obama, WEF, Gates und dem Rest der freundlichen Herren. Jenes inoffizielle Motto, das manchmal durchaus ausgesprochen wird, lautet: »Let no good crisis go to waste«. Das bedeutet etwa: Keine gute Krise verschwenden.

Jede Krise ist eigentlich eine »gute« Krise, wenn man daraus politischen und manchmal finanziellen Gewinn schlagen kann. Wir wissen aber auch, wie der gedachte Nachsatz lautet: Wenn keine »gute« Krise ansteht, dann inszenierst du eben eine.

Und dann kannst du die Gesellschaft »modernisieren«.

Dieses Modernisieren aber, so lehrt die neuere Erfahrung, hat selten etwas mit Freiheit zu tun. Das ist es, was mich am meisten daran stört.

Nicht, dass die sich irgendwann mal getroffen haben, sondern dass die sich nicht mal mehr Mühe geben, den Eindruck von Kollusion zu vermeiden, stört mich so sehr. Das ist, als würden die ihr »Spiel« ganz offen »spielen«, respektlos. Diese Eliten scheinen (nicht nur) die emotionale Beziehung zum Volk aufgekündigt zu haben.

Wie wenig

Die zeigen null Respekt. Schmutziges, stinkendes T-Shirt zum Öffnen der Türen. Wir können die nicht respektieren – es fällt zumindest täglich schwerer –, auch wenn sie diesen Respekt bisweilen sehr nachdrücklich einfordern. Und sie zeigen offen, wie wenig sie uns respektieren.

Ich denke, es wird in irgendeiner Form einen Neuanfang geben müssen. Die Frage ist, wie er aussieht. Ein Weg zurück, wenn, dann zu einem neuen Zurück und damit zu einem neuen Anfang, wie auch immer der in einem Jahr oder in einem Jahrzehnt aussehen wird.

Neue Schmetterlinge?

Deren Beziehung zu uns wird durch Respektlosigkeit aufgekündigt, doch wir wollen nicht allein sein! Und: Jemand wird ohnehin den Laden organisieren müssen.

Ich sehne mich heute nach politischen Geigen, nach romantischen Geigen, nach Rosen auf dem Tisch und Schmetterlingen im Bauch. Auf Deutsch: Ich sehne mich nach der Möglichkeit, zu hoffen. Nach Hoffnung. Nach berechtigtem Grundvertrauen.

Werden wir das noch mal erleben? In unserer Lebenszeit, in den nächsten Jahren? Hoffnung und Grundvertrauen, ein politisches Fundament des Grundvertrauens? Was meinen Sie? (Schreiben Sie es gern in die Kommentare bei YouTube.)

Weiterschreiben, Dushan!

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