Dushan-Wegner

26.11.2023

Gottschalk: »dann sage ich lieber gar nichts mehr«

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Bild: »Wieder sehen, aber nicht hören«
Gottschalk erklärt vor Millionenpublikum, dass sogar er sich gezwungen sieht, öffentlich anders zu reden als daheim – sprich: als er wirklich denkt. Also sagt er lieber nichts. Es ist ein Symptom eines Landes, in dem es so einfach nicht weitergehen darf.
Telegram
Facebook
𝕏 (Twitter)
WhatsApp

Am 27. Januar 2018 twitterte Thomas Gottschalk einen Screenshot seiner DNA-Aufschlüsselung (@herbstblond, 27.1.2018/archiviert). Diese ergab offenbar, dass Gottschalk zu 0,8 % Nigerianer ist, zu 1,9 % Nordafrikaner, zu 45,1 % von der Gruppe der Nord- und Westeuropäer abstammt und zu 52,2 % von Osteuropäern.

Gottschalk scherzte dazu: »Hab meine DNA aufschlüsseln lassen. Afrika war ja klar. Aber über 50% Prozent Osteuropäer!Deswegen hab ich als Kind so geklaut.«

Oha, ein Witz über Nichtdeutsche! Das rief natürlich die Witzpolizei auf den Plan.

Ein Tobias Blanken (heute zumindest WELT) schimpfte: »Alter, weißer Mann haut rassistischen Schenkelklopfer raus, deutscher Humor in a nutshell.« (@Tobias_B, 27.1.2019/ archiviert)

(Dass er in der Kritik am angeblichen Rassismus selbst rassistisch wurde, würde er vermutlich bestreiten. In woke-orwellsch-gegenteiliger Umdeutung von »Rassismus« kann dieser sich prinzipiell nicht gegen Weiße richten.)

Ich schrieb dazu damals einen Essay mit dem Titel »Dušan Grzeszczyk gegen die Witzpolizei«. Der Text steigt bereits mit einem Witz ein, der die thematische Verbindung von Osteuropäern und Diebstahl zum Gegenstand hat.

Den Witz können Sie dort nachlesen. Im Essay stellte ich halb amüsiert fest, dass ein Deutscher sich in härtestem Vokabular beschwerte, während ich, ein gebürtiger Osteuropäer, diesen Witz durchaus lustig fand und gerne einen drauflege.

Es schien und scheint fast so, als suchte der Journalist Blanken bloß nach einem Grund, empört zu sein – und da sich der Deutsche nach linker Denkungsart nicht in eigener Angelegenheit empören darf, musste sich vielleicht auch dieser Journalist wie eine selbsterklärte Witzpolizei stellvertretend für andere empören.

Ein letztes Mal

Deutschlands Journalisten können sich heute ein letztes Mal über Thomas Gottschalk empören, wieder in der vergeblichen Hoffnung, der Zwerg, der dem Riesen auf den Fuß pinkelt, sei dadurch irgendwie über diesen hinausgewachsen.

Thomas Gottschalk, »der letzte Priester des Heiligen Lagerfeuers deutscher Nation« (Essay vom 14.6.2021) hat ein letztes Mal »Wetten, dass…?« abgehalten.

Er hielt seine letzte Messe im Staatsfunk. Seine »letzten Worte« aber sorgten für Aufsehen. Er nannte zwei Gründe für seinen Abschied.

Der eine sei, dass er schlicht keine Verbindung zu heutigen Künstlern habe. (Da kann ich Thomas Gottschalk trösten: Das geht auch manchem Jugendlichen heute so – mein Sohn hört Beatles, Queen & Co. – und zwar von sich aus!)

Und dann, in seinen eigenen Worten: »Und der zweite Grund ist natürlich der, dass ich, und das muss ich wirklich sagen, immer im Fernsehen das gesagt habe, was ich zu Hause auch gesagt habe. Inzwischen rede ich zu Hause anders wie im Fernsehen. Und das ist auch keine dolle Entwicklung. Und bevor hier irgendein verzweifelter Aufnahmeleiter hin- und herrennt und sagt: ›Du hast wieder einen Shitstorm hergelabert‹, dann sage ich lieber gar nichts mehr.« (zitiert als Transkript von @manaf12hassan, 26.11.2023)

Der Staatsfunk selbst berichtet Gottschalks Finale so trocken wie irgend möglich (tagesschau.de, 26.11.2023). Hauptsache vorbei.

Die Tagesschau zitiert allerdings nicht, dass die »Aggression« vom Aufnahmeleiter ausgeht, sondern bloß die Passage, in der sich Gottschalk selbst der Doppelzüngigkeit zu beschuldigen scheint (»Inzwischen rede ich Zuhause anders als im Fernsehen, das ist auch nicht schön.«). »Gottschalk hat Sorge vor Shitstorms«, framen die Staatsfunker, doch unterschlagen sie, dass es Aufnahmeleiter ist, der Stress macht, weil er (und damit der Staatsfunk) die Shitstorms fürchtet.

Zu sagen, was ist

Nicht alle Journalisten verabschieden Gottschalk so nüchtern, wie die Tagesschau es tut.

Bei focus.de, 26.11.2023 (wohl von »Bunte« übernommen) darf eine Beate Strobel hinterhergiften, es sei »höchste Zeit für einen Abschied«, denn er habe »Frauenarme, -hände und -knie mit Altherrencharme getätschelt«. (Laut ihrem Auftritt bei freischreiber.de interessiert sich Frau Strobel für Fragen zum Menschen: »Was motiviert ihn? Was bildet ihn und hält ihn gesund? Wo ist er verwurzelt und wonach strebt er? Wie wurde er, was er ist?«)

Würde ich solchen Journalisten die Ernsthaftigkeit ihrer Fragen und Absichten abnehmen, würde ich antworten: Mich motiviert der Mensch, des Menschen Leiden zu lindern, was immer auch damit beginnen muss, zu sagen, was der Fall ist – und was zu tun ist.

Mich »bildet« und »hält gesund« – oder so gesund wie möglich –, dass ich über meine Schmerzen auch mal lachen kann (auch über die Eigenheiten meiner geographischen und sonstigen Herkunft, Herr Blanken).

Mein Gefühl und meine Identität sind in dem verwurzelt, was man gemeinhin »deutsche Kultur« nennt. Dazu gehören nicht nur Goethe und Grass, sondern eben auch Thomas Gottschalk.

Waren Gottschalks »Altherrenwitze« womöglich Kunst, die sich der Gleichschaltung widersetzte und schon deshalb abgeschaltet werden musste? Das Urteil der Zeit wird es zeigen, aber worüber man lacht, das ist immer der Seele wie auch der Kunst nahe. Im Übrigen gilt aber heute ohnehin: Die Kunst ist tot, lang lebe die Kunst!

Wie könnte ich sein, wenn ich nur wollte? Nein, die Frage ist: Wo könnte ich sein, wenn ich nur wollte? Und die Antwort ist: An genau dem Ort, an dem möglichst viele Menschen aus denselben Seelenwurzeln wachsen wie ich.

Nicht die Witze

»Kaum gestohlen, schon in Polen«, so scherzten wir früher über Autodiebstähle. (Kommt jetzt ein Journalist und meldet mich? Hey, in der Abstammung bin ich Viertelpole, das weiß ich auch ohne Gentest. Ich darf also diesen Scherz verüben, zumindest zu einem Viertel!)

Heute fallen allen klar denkenden Deutschen zum Stichwort »Polen« aber »kluge Staatsführung« und »Zero« ein (ob dies der tatsächlich Realität entspricht oder nicht) – es ist zumindest als Idee dort aussprechbar).

Nein, Osteuropäer sind nicht die Diebe, welche die Deutschen am meisten fürchten müssen.

Deutsche werden vor allem von einer moralisch vollständig verwahrlosten »Elite« ihrer Heimat beraubt. Dass wir keine Scherze über Unterschiede machen dürfen und man »lieber nichts sagt« ist nur ein Nebeneffekt des großen Raubs an den Deutschen, verübt durch ihre eigene Regierung – in wessen Auftrag auch immer. (Ich wette, das ist auf irgendwelchen Notebooks gespeichert, doch wer hat die bloß?)

Vor allem aber: Wir alle ahnen ja, dass es nicht die Witze sind, vor deren Aussprechen sich Thomas Gottschalk wirklich fürchtet. Und dass es so ist, muss nicht einmal ausgesprochen werden.

Das Publikum applaudiert

Ein Detail aber könnte bei der Debatte um Gottschalks letzte »Wetten, dass…?-Sätze untergehen: Als Gottschalk sagte, dass er lieber nichts sagt, applaudierte das Publikum.

Über Deutschland hat sich längst der giftige Mehltau äußerer wie auch innerer Zensur ausgebreitet.

Thomas Gottschalk sprach es aus.

Das Publikum applaudierte, stimmte ihm zu. Man stand auf, man klang frenetisch.

War das »nur« Abschiedsschmerz?

Es war Abschiedsschmerz, kein Zweifel, doch nicht nur am Abschied vom Showmaster. Es war Abschied von einer besseren, freieren Zeit.

Abschied von einer Zeit, in welcher man noch nicht die Existenz verlor und die Polizei einem morgens um vier die Wohnung stürmte, wenn man unvorsichtig gewesen war und ausgesprochen hatte, was doch jeder mit eigenen Augen sehen kann.

Das Publikum stimmte dem Moderator zu – enthusiastisch.

Doch dann ging das Publikum nach Hause.

Und tat nichts.

Oder doch?

Solange Sie, liebe Leser, sich die Mühe machen, Texte wie diesen bis zur letzten Zeile zu lesen – hoffentlich mit satzweise immer wütender geballter Faust –, lebt meine Hoffnung, dass in den Deutschen ein Funke des Widerstands glimmt.

Weiterschreiben, Wegner!

Danke fürs Lesen! Bitte bedenken Sie: Diese Arbeit (inzwischen 2,036 Essays) ist nur mit Ihrer Unterstützung möglich.

Wählen Sie bitte selbst:

Jahresbeitrag(entspr. 1€ pro Woche) 52€

Augen zu … und auf!

Auf /liste/ finden Sie alle Essays, oder lesen Sie einen zufälligen Essay:

Mit Freunden teilen

Telegram
Reddit
Facebook
WhatsApp
𝕏 (Twitter)
E-Mail

Wegner als Buch

alle Bücher /buecher/ →

Gottschalk: »dann sage ich lieber gar nichts mehr«

Darf ich Ihnen mailen, wenn es einen neuen Text hier gibt?
(Via Mailchimp, gratis und jederzeit mit 1 Klick abbestellbar – probieren Sie es einfach aus!)