Dushan-Wegner

13.09.2021

Der Triel ist ein schnepfenartiger Vogel

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Foto von Julian
Das »Triell«-Niveau ist unterirdisch. Schlimmer ist nur die Vorstellung, dass diese Figuren so in der nächsten Regierung sitzen könnten (mit ein paar Sozialisten dazu). Ist das wirklich das Beste, was die deutsche Demokratie aufbieten kann?
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Wenn du aus einem Fenster fallen solltest, um folglich bald auf den harten Asphalt zu treffen, dann ist das für dich ohne Zweifel unangenehm, doch ab dem Beginn deines Fallens wäre für einen Außenstehenden nichts an diesem Ereignis wirklich überraschend.

Die absehbaren Konsequenzen des persönlichen Fenstersturzes mögen dramatisch sein und ultimativ schmerzhaft. Womöglich wird es tödlich enden und mindestens für die Familie tragisch, kein Zweifel. Intellektuell betrachtet jedoch – »intellektuell« nach Duden: »den Intellekt betreffend; verstandesmäßig, geistig« – intellektuell ist die Angelegenheit des Fallens aus dem Fenster samt des folgenden Aufschlags eher langweilig, ja, geradezu banal.

Wo wir aber von Banalität reden, wären wir – Sie ahnen es… – bei den Nachrichten des Tages angelangt!

Eine Herde von Böcken

»Triell«, ein Wort, so merkwürdig wie seine Zeit und das Land, in und von welchem es verwendet wird. »Triell«, das steht nicht im Duden. Dafür steht der Triel als »schnepfenartiger Vogel« drin (siehe Wikipedia) und als Mundart-Ausdruck fürs tierische Maul, aber auch als Bezeichnung für die Hautfalte am Hals von Rindern.

Ich weiß nicht, ob sich die Schöpfer des Wortes »Triell« von den Schnepfen, den Mäulern oder den faltigen Rindern inspirieren ließen. Vielleicht wollten sie auch einfach nur das Wort »Duell« auf drei ausweiten.

In den Wochen zur Bundestagswahl werden nun also »Trielle« abgehalten, mit Olaf »Was ist Cum Ex?« Scholz, Armin »Klausurnotenerfinder« Laschet, und Annalena »Was habe ich nicht plagiiert?« Baerbock.

Frau Baerbock hat im Wahlkampf mit ihren Versuchen, den Leuten einen Bären aufzubinden, nicht nur einen Bock geschossen – sie hat eine ganze Herde von Böcken niedergemäht! Frau Baerbocks Chancen, die nächste Merkel zu werden, sind vermutlich zwar noch immer größer als ihre literarische Eigenleistung, aber doch zu gering, um noch ernst genommen zu werden. Dass für Baerbock überhaupt ein »Triell« abgehalten wird, ist wohl eine Art von Wahlkampfhilfe für die Grünen, vielleicht auch ein Beweis der Parteitreue der Redaktionen oder schlicht der Versuch, es noch nicht allzu offensichtlich werden zu lassen, dass nun wieder die »alten weißen Männer« übernehmen werden.

»mit klebrigen Herzwärmstorys«

Was soll man zu den Inhalten und Ereignissen etwa des letzten »Triells« schreiben? Der Spiegel lügt nicht, wenn er »Ingesamt enttäuschend« titelt; siehe spiegel.de, 13.9.2021. »Was war das denn?«, wundert sich welt.de, 13.9.2021.

Sogar »Die Zeit«, das Lifestylemagazin des gefühligen Bessermenschen, mäkelt erstaunlich deutlich, etwa dies:

Baerbock übergießt viele ihrer Programmpunkte mit klebrigen Herzwärmstorys. Beim letzten Triell waren es arme Kinder ohne Schultüte und die Kinder in Afghanistan. Diesmal die Oma, deren Rente nicht für das Geburtstagsgeschenk der Enkelin reicht. Solche Kitschbilder braucht nur, wer seinen Themen wenig zutraut. (zeit.de, 13.9.2021)

Quer durch den sonst eher zu Hurra-Rufen neigenden Mainstream zeigt man sich besorgt ob der Qualität dieser Kandidaten und ihrer Debatten; focus.de, 13.9.2021 hat das mal zusammengestellt. Es wirkt, als würde die Presse sich nach 16 Jahren Merkelapologetik darauf vorbereiten, wieder Journalismus zu treiben. Jedoch: Die Journalisten, die 16 Jahre lang die alte Debattenkultur niederbrannten und politisch korrekte Dummheit als neues Niveau etablierten, stellen plötzlich fest, dass auf dem Feld, das sie selbst abfackelten, wo sie das Salz des linken Irrsinns in jede Krume streuten, nichts mehr wächst.

Eine programmatische These, die selbst abgebrühte Politikbeobachter nach Luft schnappen ließ, kam in zuverlässiger Dummheit von Baerbock. »Jedes Verbot ist ein Innovationstreiber«, hieß es von der Kanditatin der Grünsozialisten. Es stimmt ja auf seine eigene Weise, dass Verbote »erfinderisch« machen – die Bürger des real existierenden Sozialismus haben es am eigenen Leib erlebt. Diese »Erfindungen« sind dann Bückware, Schwarzmarkt, blanker Mangel – oder eben Republikflucht.

Ach, ich habe nun schon wieder viel zu viele Worte über meine Pein gesagt – meine Pein ob der Unsäglichkeit, dass sich über das Gesagte und die Aufsagenden nichts Sagenswertes sagen lässt. Ich will das letzte Wort zum »Triell« dem zuverlässig brillanten Norbert Bolz überlassen:

Nach diesem »Triell« muss man sich fragen, ob deutsche Politik nach dem Prinzip der Negativauslese funktioniert. (@NorbertBolz, 13.9.2021)

So nicht zulassen

Der Ausdruck, »einen Bock schießen«, kommt übrigens von der Tradition, auf Schützenfesten dem schlechtesten Schützen zum Trost einen Ziegenbock zu schenken. Der Bock war ein buchstäblicher Ziegenbock, und er war als humorvoller Trostpreis gedacht. – Was wird unser »Trostpreis« sein?

Im Essay »Wozu wählen?« (30.8.2021) notierte ich meine Einschätzung, dass die einzige realistische (!) Koalitionsoption, die den langfristigen Abstieg Deutschlands in die zweite Liga vielleicht aufhalten könnte, Schwarz-Gelb-Blau wäre.

Wir ahnen, dass »höhere Mächte« es so nicht zulassen werden. Wir alle ahnen auch, warum die SPD etwa ihre Sozialisten im Wahlkampf versteckt hält. bild.de, 13.9.2021 titelt »Saskia Esken versteckt sich vor Anne Will an der Pommesbude«. Die werden sehr bald wieder Hummer statt Pommes bestellen können, dann auch ganz öffentlich. Es ist keineswegs auszuschließen, dass die »Triell«-Figuren genau so in der nächsten Regierung genauso wieder auftauchen werden – mit ein paar Sozialisten dazu. 

Fluss oder Ozean

Wenn einer aus dem Fenster fällt – achte darauf, dass du nicht drunter stehst. Man wird leicht zustimmen, dass die Debatten der Kanzlerkandidaten ein ausgezeichneter Gradmesser für den Zustand der Demokratie sind. Und außer den reichlich lustlos wirkenden Sprechern der Wahlkampfteams bestreiten wenige, dass das Niveau der Debatten ein Elend ist.

Wenn wir aber schon vor der Wahl wissen, dass es nachher nicht so hübsch wird, dann ist der Vergleich mit dem Beobachten eines Aus-dem-Fenster-Gefallenen angemessen.

Wenn wir ehrlich zu uns sind, ahnen wir doch, wie es enden wird. Wenn wir die erste Frage, ob es passieren wird, bejahend beantwortet haben, drängt sich als zweite Frage auf, ob wir darauf reagieren wollen, und als dritte Frage dann, wie unsere Reaktion aussehen soll.

An dieser Stelle könnten uns ja die sprichwörtlichen Lemminge in den Sinn kommen. Im Essay zu den EU-Wahlen 2019 notierte ich aber, dass die Legende von deren regelmäßigem kollektiven Suizid auf einem Pseudo-Dokumentarfilm von Disney zurückgeht. Es ist allerdings durchaus denkbar – und wohl in jedem Film zu sehen – dass Lemminge den Ozean mit einem Fluss verwechseln. Die Tiere springen dann von der Klippe und ins Wasser, in der Erwartung, zum anderen Ufer schwimmen zu können. Vielleicht ist genau dieses Verhalten der Lemminge aber eine noch präzisere Metapher für Deutschland und die Deutschen: Wir springen von der Klippe der Vernunft in die wilden Wellen linken Wahnsinns – doch welches Ufer soll uns auf der anderen Seite erwarten?

Okay, zurück zur Fenstermetapher, heruntergefallen wird so oder so: Wenn nicht nur einer, sondern gleich eine Gruppe aus dem Fenster springt, dann kannst du natürlich versuchen, diese Gruppe aufzuhalten. Deine Erwartung, dass es dir gelingen wird, sollte allerdings fortlaufend dynamisch ans reale Feedback und bisherige Erfolge angepasst werden.

Wenn das Risiko besteht, dass deine Gruppe sich nicht früh genug überzeugen lässt, und wenn du die Gruppe doch nicht verlassen willst – oder kannst – dann willst du überlegen, wie du selbst »weich landen« wirst. »Innenhöfe« sollen da helfen, habe ich gehört.

Weiterschreiben, Wegner!

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