Zwei Bürger in der Straße, und sie bleiben stehen. Der eine sagt: »Das, was du hier nicht siehst, das ist unsere unsichtbare Bibliothek! Die ist wichtig. Die gibt es eigentlich gar nicht. Doch wehe, du weiß nicht genau, welche Bücher drinstehen.«
Der zweite Bürger sagt: »Ich sehe da nichts. Da steht keine Bibliothek. Und außerdem weiß ich genau, welche Bücher drinstehen. Ich bin ja nicht blöd.«
Der erste Bürger sagt: »Man muss vorsichtig sein, in diesen Tagen.«
»Ja«, sagt der zweite Bürger, »man muss wissen, welche Titel in jener Bibliothek stehen, die nicht existiert. Und warum sie drinstehen.«
Der erste Bürger nickt, und dann gehen sie weiter. Es gibt ja nichts zu sehen.
Nichts zu sehen in Brüssel
Wir lesen heute die Schlagzeile: »Unfassbare Gewalt nach 2:0-Sieg: Marokko-Fans zerlegen Brüssel und Holland«. (bild.de, 27.11.2022)
Es kam »zu Ausschreitungen«. In Lüttich etwa »attackierten rund 50 Menschen eine Polizeiwache, schlugen Fenster ein und beschädigten zwei Polizeifahrzeuge«, »Schaufenster von Geschäften und eine Bushaltestelle wurden zerstört« (ebenda).
Macht und Ahnungslosigkeit
Weiß man Näheres darüber, wer die »Marokko-Fans« sind? Weiß man, was sie etwas von den »Japan-Fans« unterscheidet, die ebenfalls bei der WM auffielen – allerdings dadurch, dass sie den wenigen Müll, den sie produziert hatten, hinter sich aufräumten (foxnews.com, 27.11.2022).
Okay, wir wissen nicht, was »Marokko-Fans« und »Japan-Fans« unterscheidet.
Wir wissen aber, dass Fußball ein »Ersatz für Krieg« ist (siehe Buch »Talking Points«), und dass Krieg mit Macht zu tun hat.
Wir erlauben uns also zu schlussfolgern, dass beide, sowohl »Japan-Fans« als auch »Marokko-Fans« nach dem Sieg ihrer jeweiligen Manschaft so etwas wie Macht fortführen wollen.
Die einen demonstrierten die Macht über sich selbst und ihre eigenen Fehler, indem sie den Müll aufräumten. Die anderen demonstrierten Macht über die verachteten Gastgeberländer, indem sie deren Innenstädte demolierten und Polizisten angriffen.
Wir wissen natürlich nicht, was die einen dazu bewegte, das vom Fußballsieg angeheizte Machtgefühl auf die eine Weise auszuleben, und die anderen eben auf die andere Weise.
Das einzige, was wir wissen, ist ja, dass die Gestalten, welche für diese sozialen Verwerfungen und bürgerkriegsartige »Partyszene« in Europa verantwortlich sind, von den Folgen eher selten be- oder getroffen werden.
Wissen oder Nichtwissen
Lebenskompetenz besteht heute auch daraus, initiativ und zuverlässig zu wissen, was alles man nicht zu wissen hat.
In Deutschland steht eine unsichtbare Bibliothek, und sie steht überall, und in dieser unsichtbaren Bibliothek stehen Bücher zu all den Themen, die niemand weiß, über die folglich auch nicht gesprochen werden kann, darf und sollte!
Was »Japan-Fans« von »Marokko-Fans« unterscheidet, ist nur eines von vielen Büchern in der unsichtbaren Bibliothek; ein ganzes Regal ist dort etwa dem unsichtbaren Thema Übersterblichkeit gewidmet.
Lest, Freunde!
Es ist schon eine vertrackte Angelegenheit mit der unsichtbaren Bibliothek!
Einerseits kann es sozial tödlich sein, wenn man öffentlich zu erkennen gibt, dass man nicht nur die Buchtitel in der unsichtbaren Bibliothek kennt, sondern auch einige der Inhalte. – Und wenn man die Inhalte nicht nur kennt, sondern auch einige der Meinungen teilt, dann: Gute Nacht!
Andererseits kann es physisch tödlich sein, die Titel und Inhalte der unsichtbaren Bibliothek nicht zu kennen – oder sie nicht ernst zu nehmen.
Der Sehende muss sich blind stellen, der Wissende unwissend – und der Kluge blöd!
Lest, Freunde! Lest zwischen den Zeilen, bei (dank Ihrer Leserbeiträge nicht unsichtbaren) Freien Denkern. Seht und hört genau hin – wofür sonst sind euch Sinne und Verstand gegeben?
Und, wenn ihr euch ausreichend sicher sein, dass derjenige euch nicht denunziert, dann teilt auch schonmal ein Buch aus der unsichtbaren Bibliothek mit einem Freund!