Dushan-Wegner

25.01.2022

Unter Decken hervor

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Foto von Glenn Carstens-Peters
Während an immer mehr Orten weltweit die Corona-Maßnahmen gelockert werden, denkt man sich in Berlin neue Schikanen aus, will mehr Zwang, keine Lockerungen. Was ist das für eine Geisteshaltung, die sowas möglich macht?
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Stellen Sie sich einmal vor, Sie wären noch ein Kind. Stellen Sie sich bitte weiter vor, Sie hätten Geschwister oder Freunde, und Sie alle spielen daheim in Ihrem Kinderzimmer.

Sie tun das, was man im Deutschen so schön »sich balgen« nennt. Ein Kind kommt auf die lustige Spielidee, eine Decke auf Sie zu werfen. Ein anderes Kind wirft noch eine Decke. Ein weiteres Kind wirft eine weitere Bettdecke, dazu Kissen und sogar einen Mantel, und so fort.

Immer mehr Decken kommen dazu. Erst war es ein lustiges Spiel. Dann wird Ihnen plötzlich die Luft knapp. Das Gewicht der Bettdecken lastet auf Ihnen, drückt die kindliche Brust zusammen.

Panik setzt ein. Sie wollen unter den Bettdecken hervorkriechen, doch Ihre Arme sind wie gefesselt. Sie wollen schreien, dass es genug sei, doch man hört Sie nicht.

Es war ein Spiel, doch für Sie, der unter den vielen Bettdecken liegt, ist es kein Spiel – Sie wollen raus, wollen an die Luft, wollen durchatmen können und die Decken von sich werfen und wieder frei sein, doch Ihre Arme vermögen sich nicht unter der Last zu bewegen, Ihre Lunge ist zusammengedrückt.

Wie kann der Gefesselte seine Freiheit erringen, wie kann der Geknebelte tief Luft holen?

So vieles

Ich lese die Nachrichten, und eine jede legt sich wie eine schwere, unfreundliche Decke auf mich – es ist wenig spielerisch.

Länder wie Island leben wieder halbwegs »normal« und haben die meisten »Maßnahmen« eingestellt – so sie diese überhaupt je einführten; welt.de, 24.1.2021(€): »Das Erstaunliche: Die Strategie hat großen Erfolg.« – Sogar die reichlich umstrittene, zum Teil von Bill Gates gesponserte »Weltgesundheitsorganisation« hält ein Ende der Pandemie nach Omikron für »plausibel« (welt.de, 24.1.2022).

In Deutschland aber scheinen die Corona-Panik-Maßnahmen längst zum Selbstzweck mutiert zu sein – so etwa wie mit der »Grundlage zur Ermächtigung« zu befürchten war. Olaf Scholz besteht ungeachtet der globalen Realität weiter auf »Impfpflicht« – und ist natürlich gegen »Lockerungen« (spiegel.de, 23.1.2022). Weltweit schwenken die sogenannten »Lockdown-Propheten« um (so welt.de, 23.1.2022(€)), nur in Deutschland denkt sich der weiterhin völlig normal wirkende Herr Lauterbach offenbar gewiefte Tricks aus, um Menschen zur mRNA-Injektion zu»motivieren«.

An der Grenze zur Hinterfotzigkeit agierend verkürzte Lauterbach jüngst die Dauer, in welcher ein Genesener als solcher gilt, auf 3 Monate (siehe etwa rp-online.de, 24.1.2022) – die lupenreinen Demokraten im Bundestag gewähren sich selbst derweil weiter großzügige 6 Monate (bild.de, 25.1.2022, Stand 12:00). Das Impfdiktat soll so total werden, wie es in der aktuellen Atmosphäre möglich ist – zumindest für den »Pöbel«. Regisseur Tom Bohn zitiert dazu Orwell: »Alle Tiere sind gleich, aber manche Tiere sind gleicher.« (@realTomBohn, 25.1.2022)

Sollte irgendwer glauben, diese Einschätzungen seien übertrieben, seien zu düster, ich malte hier die nahe Zukunft zu dunkel, dem sei eine ganz gegenwärtige Verlautbarung der Polizei Sachsen vorgelegt:

In der Wilsdruffer Vorstadt haben unsere Einsatzkräfte ein Auto samt Anhänger mit einer kritischen Äußerung zu den Corona-Maßnahmen festgestellt und kontrolliert. Wir haben eine Gefährderansprache sowie einen Platzverweis ausgesprochen. #dd2201 #Dresden (@PolizeiSachsen, 22.1.2022)

Polizeiliche Maßnahmen, nachdem ein »Auto samt Anhänger« mit »einer kritischen Äußerung zu den Corona-Maßnahmen« unterwegs war? Von »Gefährderansprachen« hört man sonst eher etwa im Kontext potentieller Terroristen. Um es mit Bob Dylan zu sagen: Ich brauche keinen Wettermann, um zu wissen, wohin der Wind bläst.

An die Luft

All diese politischen Ereignisse und gesellschaftlichen Entwicklungen, sie legen sich wie schwere Decken auf uns, und der Deckenberg wiegt immer schwerer.

Als sie nur etwas Masken veordneten (nachdem sie diese als nutzlos abgetan hatten), als sie nur einen Lockdown verhängten (nachdem sie diesen als »Verschwörungstheorie« abgetan hatten), als sie die Impfung »empfahlen« (und eine kommende Impffplicht als »rechte Angstmache« abtaten), es war jedes Mal wie eine schwere Decke mehr. Decke um Decke legte sich über uns, bis wir keine Luft mehr bekamen, und zwar allzu oft nicht wegen eines Virus, sondern wegen der staatlichen Übergriffigkeit im vorgeblichen Kampf gegen eben dieses.

Es herrscht kein Mangel an lauten Stimmen heute, welche uns auffordern, dieses oder jenes zu tun – oder es auf keinen Fall zu tun. Es kann ja durchaus passieren, dass wir eine Stimme hören, deren Argumente wir stichhaltig finden und deren moralische Argumentation mit unserer eigenen übereinstimmt (sprich: es werden Strukturen angesprochen, die auch uns relevant sind, und Veränderungen skizziert, die wir realistisch finden). Dann bleibt aber die Frage, ob wir überhaupt noch die Kraft aufzubringen vermögen, unserem Gewissen und unserem eigentlichen Wunsch zu folgen.

Da wo ich Verantwortung trage, da pflege ich meine eigenen Einschätzungen – zu denen regelmäßig ein Eingeständnis von Unsicherheit gehören kann – und ich treffe Entscheidungen aufgrund meiner besten und ehrlichsten Erkenntnis. Ich bin aber viel zu schüchtern, um irgendwem aufzutragen, es mir in meiner Entscheidung gleichzutun (deshalb bleibe ich gern vage, den letzten Schritt betreffend).

Einer Angelegenheit bin ich mir heute sehr sicher: Wohl dem, der schon seit Monaten oder sogar Jahren darum kämpft, die Decken, die über uns geworfen wurden, von sich abzuwerfen! Respekt vor denen, die im demokratischen Geist auf die Straße gehen, um für Freiheit und Grundrechte zu demonstrieren – und Mitgefühl mit der Familie jenes Mannes, der am Wochenende nach Feststellung seiner Personalien durch die Polizei einen »medizinischen Notfall« erlitt und später im Krankenhaus verstarb (welt.de, 25.1.2021).

Denjenigen aber, die erst heute beginnen, oder denen es vielleicht überhaupt erst bevorsteht, sich unterm Deckenberg hervorzukämpfen, denen wünsche ich Mut, Kraft und für einige Zeit wohl auch Durchhaltevermögen.

Die Sache mit den Decken, sie klingt wie ein Albtraum, und aus einem Albtraum lässt sich aufwachen, ob amüsiert oder schweißgebadet.

Aus der Realität lässt sich nicht »aufwachen«, aber sehr wohl aus dem fixen Glauben ans eigene Unvermögen, aus der Gewissheit ob der eigenen Hilflosigkeit.

Eine »Challenge«

Du kannst nur begrenzt verhindern, dass sie dich unter den dunklen, schweren Decken ihrer Perfidie begraben wollen. Du kannst aber beschließen, alle Kraft aufzubringen, um dich zumindest zur inneren Freiheit vorzukämpfen, um wieder Luft zu holen.

Es gibt ja durchaus Zeichen der Hoffnung! Ein eher unerwartetes Zeichen der Hoffnung könnte es sein, dass aktuell viele »Pandemie-Aktien« an der Börse auf Talfahrt gehen (visualcapitalist.com, 21.1.2022). Eine Reihe von Aktien, die von Lockdowns und Impfungen profitierten, sinken dieser Tage rapide im Kurs. Es scheint fast so, dass zumindest für die Börsen-Profis – anders als für die Diäten-Profis im Bundestag – die Pandemie wieder vorbei ist.

Stellen wir uns vor, wir wären noch Kinder, und wir besäßen noch den festen Glauben an eine Welt der vielen Möglichkeiten. Stellen wir uns vielleicht sogar vor, der Deckenberg über uns wäre uns zuerst eine Herausforderung, oder wie die jungen Leute heute sagen, eine »Challenge«.

Es ist ein doofes Spiel, das sie mit uns spielen. Es ist ein tödlich gefährliches Spiel. Diese Decken werden uns nicht nur über die Augen gezogen. Wir sollten dringend prüfen, ob und wie weit wir noch mitspielen wollen – mitspielen müssen – mitspielen können.

Ach, das Spiel ist ja kein Spiel mehr, es ist gefährlicher Ernst. Und wenn sie uns unter tausend schweren Decken begraben, wollen wir uns aus dem inneren Dunkel herauswagen.

Erstmal herauskämpfen.

Erstmal wieder frei durchatmen.

Erstmal die letzte Kraft sammeln – und sie zur ganz neuen Kraft, zu neuem Mut, ja, sogar zu neuer Wut entfachen.

Weiterschreiben, Wegner!

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