Dushan-Wegner

11.04.2021

Was tun, wenn man sich verfahren hat?

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten, Foto von Javier Martinez
Deutschlands Problem ist nicht (nur), dass es sich fürchterlich verfahren hat. Deutschlands Problem ist, dass es ratlos ist und nicht sagen kann, wo es überhaupt hin wollte.
Telegram
Facebook
𝕏 (Twitter)
WhatsApp

Nehmen wir an, Sie sind von A losgefahren, und Sie zielten nach B. Sie sind rasch unterwegs, doch allmählich merken Sie, dass Sie sich verfahren haben.

Was tun Sie?

Im Essay »Ein Los in der Trostlotterie« (8.4.2021) erwähnten wir den »texanischen Scharfschützen«, der das zufällige Ergebnis im Nachhinein zum ohnehin zu erreichenden Ziel erklärt. Das ist eine Denkmöglichkeit, kein Zweifel, doch nehmen wir an, Sie erkennen erstens den Fehler (was keine Selbstverständlichkeit ist), und zweitens Sie beschließen den Fehler zu korrigieren (statt sich resigniert abzufinden).

Wie korrigieren Sie Ihre Fahrt?

Die geplante Route

Wenn Sie sich verfahren haben, und wenn Sie es erkennen, und wenn Sie diesen Zustand korrigieren möchten, dann wäre es nur natürlich, zunächst zu sagen: »Kein Problem, dann fahren wir halt wieder richtig!«, doch bald stellen Sie fest, dass Ihnen bereits prinzipiell mindestens zwei Arten von Korrektur offenstehen.

Die naheliegendste Art der Korrektur besteht darin, auf den ursprünglich geplanten Weg zurückzukehren. Dies wiederum können Sie angehen, indem Sie die falsch gefahrene Strecke zurückfahren bis eben zum Punkt, an welchem Sie falsch abbogen. Wenn Sie zwar falsch abbogen, aber sich dennoch grob in die richtige Richtung bewegten, bestünde eine Möglichkeit darin, die geplante Route anzuvisieren, aber an einem anderen, vielleicht späteren Punkt wieder aufzufahren.

Was aber soll der Autofahrer tun, der feststellt, dass aus diesem oder jenen Grund die ursprüngliche Route für ihn nicht mehr zu erreichen ist? Womöglich ist es zwar denkbar und theoretisch möglich, zurück zur ersten Route zu finden, der Aufwand wäre jedoch derart hoch, dass sich der eigentliche Zweck der Reise, nämlich das Erreichen des Ziels innerhalb eines bestimmten Zeitfensters durch den Mehraufwand nicht zu erreichen wäre?

Aufgearbeitet und überwunden

Ich sehe in der politischen Debatte heute zu viele Bürger, die erstmal zurück wollen.

Die Kandidatur eines Herrn Maaßen etwa – so sehr ich seine Handlungen von 2018 würdigenswert finde; siehe Essay vom 17.9.2018 – ihn zu wählen, bedeutet eben auch, die Partei zu wählen, welche Merkel an der Macht hielt und mit den Grünen paktieren wird, um Deutschland endgültig zu zerstören. Ein Maaßen macht noch keine Kohl-Ära, und es sind nicht die Überdruckventile, an denen man etwas Dampf ablässt, welche die Maschine antreiben. Es gibt kein Zurück zur ursprünglichen Route, und wer es verkauft, hat der auch Schlangenöl im Angebot?

Ich sehe zu viele Menschen, die erstmal zurück zur alten Route wollen – selbst wenn die ursprüngliche Route unerreichbar ist. Die Welt wird nicht warten, bis Deutschland sich wieder von der verheerenden Merkel-Ära erholt – und bei anhaltender, aktiver Verdummung durch den Propaganda- und Staatsfunkapparat sehe ich auch noch nicht, wie diese Ära überhaupt aufgearbeitet und überwunden werden soll/kann/wird.

Wie also soll der Autofahrer seinen Weg korrigieren?

Nun, moderne Navigationsgeräte, sei es im Auto eingebaut oder als App im Smartphone, berechnen uns nicht nur die ideale Fahrtroute; wenn wir uns verfahren oder eine gesperrte Strecke nicht nehmen können, berechnen sie für uns in Sekundenschnelle eine neue Strecke.

Wenn wir auf dem Weg von A nach B uns plötzlich in C befinden, dann gilt es eben, eine neue Route von C nach B zu berechnen.

Vom Navi gelernt

Ich kann mich noch daran erinnern, als ich zum ersten Mal mit einem Navi durch Köln fuhr. Das Gerät lotste mich zeitsparend durch die Schleifen und kleinen Straßen zwischen Ostasiatischem Museum und den Ringen – ich war positiv geschockt! Das Navi lehrte mich erst, auf wirklich kluge Weise eine Gegend abzufahren, die ich doch zu kennen meinte.

Ich habe eine wichtige Denkweise vom Navi gelernt: Wann immer ich mich verfuhr oder eine Route nicht wie vorgeschlagen befahren konnte, kalkulierte es die Route automatisch neu. Man kann von seinen Geräten etwas Weisheit lernen (sie wurden ja von klugen Menschen ausgedacht), etwa diese: Behalte dein Ziel vor Augen, doch plane deine Route immer wieder neu. (Es könnte auch eine kluge Weisheit gerade im Wahljahr sein – es wird noch darüber zu sprechen sein.)

Zielstrebigkeit bedeutet nicht, immerzu denselben Weg in derselben Richtung zu befahren. Zielstrebigkeit bedeutet in der Realität, immer wieder seinen Weg anzupassen. »Zielstrebigkeit«, nicht »Wegbeharrlichkeit«!

Zielstrebigkeit, Zielverständnis

»Plane deinen Weg immer wieder neu, doch behalte dein Ziel im Auge«, es ist ein guter Satz, dem Sie gewiss innerlich oder sogar ganz körperlich zustimmen werden.

Die Anwendbarkeit und Gültigkeit dieser Weisheit baut jedoch auf eine grundlegende Prämisse: Um dein Ziel im Auge zu haben, musst du zunächst wissen, was dein Zeil überhaupt ist!

Nicht nur vom Wunsch nach Ordnung in den privaten Gedanken getrieben, sei der nächste Schritt getan: Um dein Ziel mit sicheren Worten nennen zu können, musst du anzugeben wissen, was dir wirklich wichtig ist, deine relevanten Strukturen. Ist dein Ungestörtsein im Augenblick deine relevanteste Struktur? Deine Freiheit im Sinne von praktischer Unbeschränktheit? Deine Freiheit im Sinne von, tun zu können, was du in den Tiefen deiner Seele für wirklich richtig erachtest? Wenn du dich zwischen deinem Land und deiner Familie entscheiden müsstest, wie würdest du dich entscheiden – und würde die begünstigte Partei es dir danken?

Nicht Wegbeharrlichkeit brauchen wir, sondern Zielstrebigkeit. Zur Zielstrebigkeit aber braucht es Zielverständnis.

Äpfel, Milch und Brot

»Der Weg ist das Ziel«, so heißt eine Redensart, und ich halte nicht sehr viel von ihr (ich gehe in den Supermarkt, um Äpfel, Milch und Brot zu kaufen, nicht um mich am Weg zu erfreuen).

Nein, der Weg ist nicht das Ziel – doch oft ist auch nicht das Ziel das Ziel, und es ist gar nicht esoterisch: Dein eigentliches Ziel ist das Warum des Ziels. (Warum wolltest du nach Gelsenkirchen oder Gütersloh fahren? Um diesen oder jenen Freund zu besuchen? Und wenn sich herausstellt, dass der Freund kurzfristig woanders ist? Dann fährst du eben dorthin, wo er jetzt ist. Falls du das überhaupt darfst, wegen Lockdown und so.)

Beharrt auf dem Ziel, nicht auf diesem oder jenem Weg. Seid zielstrebig, nicht wegbeharrlich. Für die Zielstrebigkeit braucht es aber ein Ziel, und für die Kenntnis des Ziels braucht es Wissen darum, warum man es erreichen wollte.

Nicht der Weg, sondern das Warum ist das Ziel! Es wäre eine interessante Marktlücke: Ein Navigationsgerät, das uns in Navi-Stimme nicht nur das Wie unserer Fahrten erklärt, sondern auch das Warum: »In zweihundert Metern haben Sie Ihr Ziel erreicht. Ihre Mutter, die Sie geboren und aufgezogen hat, wird sich sehr freuen, Sie zu sehen. Ihr Vater steht schon am Fenster und erwartet Sie.«

Weiterschreiben, Wegner!

Danke fürs Lesen! Bitte bedenken Sie: Diese Arbeit (inzwischen 2,037 Essays) ist nur mit Ihrer Unterstützung möglich.

Wählen Sie bitte selbst:

Jahresbeitrag(entspr. 1€ pro Woche) 52€

Augen zu … und auf!

Auf /liste/ finden Sie alle Essays, oder lesen Sie einen zufälligen Essay:

Mit Freunden teilen

Telegram
Reddit
Facebook
WhatsApp
𝕏 (Twitter)
E-Mail

Wegner als Buch

alle Bücher /buecher/ →

Was tun, wenn man sich verfahren hat?

Darf ich Ihnen mailen, wenn es einen neuen Text hier gibt?
(Via Mailchimp, gratis und jederzeit mit 1 Klick abbestellbar – probieren Sie es einfach aus!)