Dushan-Wegner

05.12.2023

Weihnachtsmarkt ohne Weihnachten – was ist das Problem?

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten, Bild: »Man trägt wieder Winterbaum«
Immer öfter wird »Weihnachten« von den Weihnachtsmärkten verbannt. Wofür auch? Es geht ja ohnehin nur um Glühwein und Backfisch … oder?
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Wie würden Sie reagieren, wenn ich Ihnen sagte, dass Merkel richtig lag?

Bin ich nun endgültig durchgeknallt? Bin ich zum Journalisten mutiert? Bitte – bleiben Sie höflich!

Wenn die Opposition sagt, dass die Sonne scheint und es warm ist, dann wird ein Linker automatisch behaupten, dass es schneit und hagelt (und es außerdem noch nie so heiß war, »wegen Klima«). Ich bin kein Linker. Ich kann zugeben, wenn jemand, dessen Politik ich für falsch halte, etwas Richtiges sagt – selbst dann, wenn er es in vermutlich böser Absicht tut.

Ich halte Merkel auch weiterhin für das politische Pendant zum Antichristen, doch zur Wahrheit gehört, dass, wenn Merkel etwas Wahres sagt, dies wahr bleibt.

»Seiner eigenen Kultur«

2005 sagte Pfarrerstochter Merkel in ihrer Regierungserklärung diese durchaus provokanten Sätze:

»Wir müssen im Übrigen darauf achten, dass wir unsere eigene Religion, das Christentum, ausreichend verstehen, soweit wir Christen sind – das gilt auch für andere, die anderen Religionen anhängen –; denn einen Dialog der Kulturen kann man nur führen, wenn man sich seiner eigenen Kultur auch wirklich bewusst ist.« (Angela Merkel, Regierungserklärung, 30.11.2005)

Merkel wiederholte es ein paarmal, so etwa zehn Jahre später.

»Wenn ich was vermisse, dann ist es nicht, dass ich irgendjemandem vorwerfe, dass er sich zu seinem muslimischen Glauben bekennt, sondern dann haben wir doch auch den Mut, zu sagen, dass wir Christen sind.« (Angela Merkel, tagesspiegel.de, 18.12.2015)

Als ich das damals hörte, am Ende des Unrechtsjahres 2015, sträubte sich alles in mir gegen diese Anmaßung.

Ausgerechnet diese schreckliche Person, die unserem Land solchen Schaden zufügte, maßte sich an, uns in Sachen Christentum und christliche Identität zu belehren?

Christliche Himmelsrichtung

Ich will Ihnen ehrlich sagen: Die Person Merkel lag richtig in dieser Feststellung, was auch immer der sonstige Kontext war (etwa, dass sie damit die Schuld an den schlimmen Folgen ihrer eigenen bösen Taten den Opfern, nämlich den deutschen Bürgern, zuschob).

Abends steht die Sonne im Westen. Das »christliche Abendland« bedeutet der »christliche Westen«. Ohne Christentum ist »christliches Abendland« aber nur eine Himmelsrichtung – und seit Flugzeuge kreuz und quer um den Globus fliegen, nicht einmal mehr das.

Alle Jahre wieder liest man Alarm-Meldungen dazu, welcher Weihnachtsmarkt in »Wintermarkt« umgetauft wurde. Ein Weihnachtsmarkt wurde sogar von einem Imam eröffnet. (Mit was für Glühwein stieß man anschließend an?)

Es tut weh, seine Heimat zu verlieren, in allen Bedeutungen von »Heimat«.

»Linke« und »Tolerante« antworten auf solche Bedenken zynisch mit Sprüchen wie: »Du willst Weihnachten zurück? Dann erklär doch mal, warum du an die Rettung durch Jesus glaubst! Wann hast du zuletzt in der Bibel gelesen?«

Funktioniert es auch ohne?

Als moderner Mensch im Westen stehe ich vor einem Dilemma: Einerseits vermag ich nicht buchstäblich an Adam und Eva und die Schlange zu glauben, nicht an Engel und Teufel und so weiter.

Andererseits habe ich das ganz starke Gefühl, dass ich und unsere Kultur – also wir als etwas, das »wir« sagen kann – ohne diese Wurzeln verloren sind.

Ich habe durchaus erfolgreiche Menschen erlebt, die ihren Verstand aufspalten und im Kontext ihrer Religion ganz anders denken als im »normalen« Leben. Auch das kann ich nicht – und ich will es auch definitiv nicht können.

Nun können viele sagen: »Klar, die Geschichten der Bibel sind nicht ›wörtlich‹ gemeint.«

Ich stimme zu. Doch ich frage scharf zurück: »Wie sind diese ›Geschichten‹ dann gemeint?«

Bewährte Werkzeuge

Ich will hier einen möglichst simplen Versuch wagen, wie ich im Smalltalk erklären könnte, warum ich es für klug halte, Christentum zu praktizieren (und dieses Praktizieren von mir aus »Glauben« zu nennen).

Ein Unterschied zwischen Mensch und Tier ist, dass der Mensch über das Universum nachdenken kann und das Tier nicht. (Soweit wir wissen. Douglas Adams stellt etwa bezüglich Delphinen und Mäusen in seinem Standardwerk bekanntlich eine weiter greifende These auf.)

Das Universum, sprich: die Summe aller Dinge, kann Dinge aus sich selbst heraus hervorbringen (indem es sich selbst teilt, siehe »Relevante Strukturen«). Für dieses Phänomen hat der Mensch den Begriff »Gott« gefunden – oder, im Fall der Antike, den »Götterhimmel«.

Der denkende und fühlende Mensch versucht, seine Rolle und Position innerhalb dieses Universums zu begreifen und zu gestalten. Das versucht er mit den Werkzeugen der Religion, mit Geschichten, Moral, Ritualen, Gebeten und so weiter.

Indem wir Rituale, Mythen (sprich: Metaphern) und sonstige Werkzeuge (wie etwa die Beichte) aufgaben, verloren wir auch die Funktion dieser Werkzeuge. Wir sind verloren im Universum, verloren in unserer eigenen Existenz.

Was tun?

Es ist, während ich diese Gedanken hier zusammentrage, die frühe Adventszeit des Jahres 2023.

Ich darf Ihnen ein Scheitern vorschlagen. Ja, ein Scheitern.

Wenn Sie keine eigene Bibel besitzen, besuchen Sie doch eine Website wie »bibleserver.com/LUT« und lesen Sie los: »Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde …«.

Wenn Sie bereits in weihnachtlicher Stimmung sind, beginnen Sie vielleicht lieber mit dem Neuen Testament, etwa mit dem Lukas-Evangelium.

Versuchen Sie zu spüren, welche alte Weisheit, welche »Einordnung ins Universum« in diese Zeilen codiert ist. Scheitern Sie daran, dass Sie nicht einmal die Hälfte verstehen! Vielleicht nicht einmal ein Zehntel.

Es gibt Wahrheiten, die sind selbst dann die Zeit und die Mühe wert, wenn man nur ein Hundertstel versteht.

Sie müssen es ja nicht wörtlich »glauben«.

Viele Menschen in vielen Generationen vor Ihnen befanden, dass Wahrheiten auch dann »wirken«, wenn man sie nicht gleich und nicht vollständig versteht.

Und in Generationen vor uns, als Menschen noch keine Smartphones, kein Internet, keine Wärmepumpen und nicht mal den »Herd der Herde« hatten, da waren einige der Menschen glücklicher und klüger als irgendwer heute. Denen dürfen wir glauben. Oder ausprobieren, denen zu glauben.

Klüger als die Leute, die Ihnen heute das Denken vorgeben wollen, waren die Klugen vergangener Generationen allemal!

Weiterschreiben, Wegner!

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