Dushan-Wegner

25.04.2022

25. April 2022 – Zwischenstand

von Dushan Wegner, Lesezeit 3 Minuten, Foto von Dimitri Kolpakov
Es ist wichtig, bei den WICHTIGEN Dingen nicht aufzuhören (und die unwichtigen Dinge dranzugeben – das Leben ist kurz). Und es ist extra wichtig, zuerst und zuletzt aufs eigene Gewissen zu hören. Und deshalb: »Hört nicht auf …«
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Extra-Links vorab: Zum Motto des diesjährigen »Zwischenstands« gibt es auch ein (kurzes) Buch und ein (schwarzes) T-Shirt!

Vor zwei Jahren, am 25.4.2020, schrieb ich in der Einleitung zum Zwischenstand jenes Jahres: »Wir fahren durch die Geschichte wie Autofahrer mit defektem Navi. Einige Daten stimmen, andere sind falsch, und wir hoffen, uns nicht allzu schlimm zu verfahren.«

Ein Jahr darauf ergänzte ich: »Heute ist die Frage, ob wir noch wissen, auf welchem Planeten wir eigentlich herumfahren!«

Nun ist ein weiteres Jahr vergangen, und ich setze den Jahreszähler wieder hoch. Noch zwei Jahre, und ich schreibe »die große 50«.

Was vor zwei Jahren nur wenige Wochen dauern sollte, ein »Wellenbrecher-Lockdown« wurden zwei Jahre Corona-Panik. (Bis auf Karl Lauterbach und einige chinesische Funktionäre haben die meisten von uns aber inzwischen herausgefunden aus dieser Panik.)

Es ist das Jahr 2022, und ich frage mich nicht mehr, ob »unser Navi defekt ist«. Jene Frage ist obsolet, wir sind zwei Jahre und viele, viele Meilen weiter. Und ich habe das Gefühl, dass wir uns in einer merkwürdigen Zwischenstation der Geschichte befinden, einer Schwelle, einer Transitstrecke.

Es ist mein Job als Essayist, in die Gesellschaft hineinzuhören, doch heute geht es mir wie John Tuld im Film Margin Call: Ich höre nichts. Genauer: eine ohrenbetäubende Stille.

Eine Krise folgt auf die andere, und es überlagert sich wie gegenläufige Schallwellen. Ich spreche mit Menschen darüber, wie sie diese Zeit des dauernden Krisenzustands bewältigen, und ich kann die Strategien in zwei Gruppen teilen: Die, die nichts mehr hören – also Stille wahrnehmen – und die, die sich bemühen, nicht mehr hinzuhören. (Es gibt ein paar Leute, die sich noch von jeder neuen Krise in Alarmzustand versetzen lassen, doch ihr Anteil ist klein und wird täglich kleiner.)

Ich wollte in diesem Jahr zum »Zwischenstand« sehr genau erforschen, woher sie kommt, diese gruselige Stille. Und dann wollte ich natürlich nach möglichen Wegen suchen, diese Fake-Stille zu überwinden, denn ich will nicht in dieser gruseligen »Zwischenstation« verharren.

Das Manuskript des Zwischenstands ist dieses Jahr deutlich ausführlicher geworden als in den vergangenen Jahren, und also habe ich es als eine Art Broschüre (oder: »straffes Buch«) mit 84 Seiten herausgegeben. Es heißt: »Hört nicht auf« (Es bleibt Ihnen überlassen, ob Sie meinen Namen als Teil des Titels lesen, wie man es auch beim T-Shirt zum Buch machen könnte…)

Dieser neue Text beginnt so:

Was für eine Stille! Eine gefährliche Stille. Eine aggressive Stille. Es ist die lauteste Stille, die ich jemals hörte. (»Hört nicht auf«)

Der Rest jenes Textes ist dann eine so ausführliche wie sorgfältige Ausarbeitung erstens der möglichen Ursachen dieser wahrgenommenen Stille, und zweitens der möglichen Wege aus dieser Stille heraus. Wenn Sie nicht dazu kommen, »Hört nicht auf« zu lesen (es ist aktuell nur bei amazon.de verfügbar), können Sie einfach hier mitlesen, denn ich werde in den kommenden Tagen einige Schlüsselgedanken daraus hier aufgreifen.

Ja, ich höre in diesen Tagen immer wieder den Gedanken, dass wir uns gründlich verfahren haben. Wir wissen nicht, ob aktuelle Krisen wirklich gefährlich sind oder nur aus Profitgründen aufgeblasen werden, wir wissen nicht, was stimmt und was nicht – zu oft wurden wir dreist angelogen –  und also wollen wir es alles nicht mehr hören. Wir wissen, dass da in Wahrheit großer Lärm ist, doch wir beschließen, nicht mehr hinzuhören.

Ich glaube durchaus, dass diese künstliche »Stille« zwar im Moment beruhigend und sogar notwendig sein kann. Mittelfristig aber plädiere ich dafür, dass wir uns bald wieder aufraffen, dass wir bald wieder einen neuen Geist des Machens und Veränderns entwickeln, dass wir wieder neu anfangen.

Ja, das ist es, was ich uns heute zurufen will, als diesjährigen »Zwischenstand« und zum Anlass der Vollendung meines 48. Erdenjahres: Hört nicht auf!

Hört nicht auf schwätzende »Experten«, wenn sie eurem Gewissen und eurem Verstand widersprechen.

Hört nicht auf, immer wieder neu anzufangen.

Hört nicht auf, zu hoffen.

Hört nicht auf!

Weiterschreiben, Wegner!

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