Dushan-Wegner

19.06.2021

Eine andere Gegenwart

von Dushan Wegner, Lesezeit 9 Minuten, Foto von Zach Vessels
In Berlin verschweigt man, dass es Linke sind, die den Staat attackieren. Medien verschweigen derweil Bidens schlimmen Zustand. Einst war offene Debatte und harte Ehrlichkeit ein Kennzeichen des Westens, heute ist Leugnung das neue Normal.
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Manche von uns erinnern sich an das Jahr 1999. Wir erinnern uns an Monate und Wochen, bevor es 2000 wurde. Die Computer liefen weiter, die Welt endete nicht. Alles lief weiter. Der kleine Teufel in uns, der insgeheim Spaß an einer kathartischen Katastrophe hätte, er blieb unbefriedigt. Es war nur eine Zahl, die ausgetauscht wurde, nur eine Zahl.

Es ist zwei Jahrzehnte später. Der Westen wird erobert und unterworfen, ohne dass ein einziger Panzer rollt. Der Sinn des Krieges sind Sieg und Macht, nicht der Kampf selbst. Wenn der Sklave sich selbst die Fesseln anlegt, musst du ihn nicht niederkämpfen. Der Westen legt sich selbst Fesseln an, wirft sich selbst in den Staub.

In der Einleitung zum Essay »Die Gentleman-Strategie« habe ich vor einem Jahr geschrieben: »Wie besiegt man ein Land? Mit Panzern und Bomben? Vielleicht. – Billiger ist aber Moral.«

Die sogenannte »Moral« wäre eine Strategie, den Westen dazu zu bringen, die eigenen Adern zu öffnen, doch sie wäre nicht die einzige.

»Egal aus welcher Richtung«

Wenn einer 1999 durch ein magisches Teleskop in die Zukunft geblickt hätte, was hätte er zu sehen erwartet? Zwei aktuelle Ereignisse sind wie ein magisches Teleskop, das uns die Zukunft zeigt. Eine dieser Meldungen wird recht weit berichtet. Die andere Meldung aber geschah zwar öffentlich, doch jene Institutionen, welche Öffentlichkeit »herstellen«, würden diese Bilder lieber unsichtbar machen.

Die erste der beiden Meldungen betrifft, wieder mal, den »Failed State Berlin«. Wenn »Rechtsstaat« bedeutet, dass Politik, Behörden und die Mehrheit der Bürger am selben Strang ziehen, um Recht und Ordnung durchzusetzen – und es ihnen meist gelingt, dann sind Teile von Berlin unzweideutig nicht mehr »rechtsstaatlich«.

Wir hörten und lasen jüngst von den neuesten »Bürgerkrieg-Spielen« zwischen Linken und Polizei (Stichwort »Rigaer 94«, ich schrieb davon im Essay »Pech gehabt«). (Frage am Rande: Ob die »Hausbesetzer« in der Rigaer Straße alle brav ihren GEZ-Propagandabeitrag zahlen? Warum wirft der verfluchte Staatsfunk denn nicht jene Linken in den Schuldenkerker wie den politischen Gefangenen Georg Thiel (siehe etwa nzz.ch, 28.5.2021)?  Ist es gar denkbar, dass einige Staatsfunker sich den Linksextremen extra verbunden fühlen?)

Am 2. Mai 2020 formulierte ich: »Gewalt, egal aus welcher Richtung« ist Code für »Täter waren wieder mal welche von den ›Guten‹«. (@dushanwegner, 2.5.2020)

Eine praktische Verwendung dieses »Codes« wurde im Nachgang des neuesten Ausbruchs linker Gewalt in Berlin vorgeführt – und zwar von einer Ebene der Politik, die »ernste Politik« und nicht ein Haufen linker Spinner zu sein behauptet.

Die FDP-Fraktion reichte (so welt.de 18.6.2021) in Berlin eine Resolution ein, in der sie die »linksextremistische Gewalt« verurteilte. Die CDU- und SPD-Fraktionen unterstützten diesen Antrag der FDP.

Die Grünen und die umbenannte Mauermord-Partei jedoch strichen alles heraus, was »linksextreme Gewalt« bezeichnete. Man formulierte: »Wir werden weder dieses Verhalten noch dessen Relativierungen akzeptieren«. Es klingt, als hätte mein Tweet vom Mai 2020 sie inspiriert, doch realiter war es meine damalige Formulierung, welche die fortlaufende linke Realitätsleugnung aufgriff.

Das Weltbild von Linken ist auf Lügen gebaut. Eine der linken Lügen will die Tatsache ausblenden, dass Gewalt häufig von Linken ausgeht. (Eine Ideologie, die auf faktisch falschen Prämissen aufbaut, kann nicht »argumentieren«. Ideologen können nur mit Emotionen manipulieren. Eine der »linken Emotionen« ist Machtgefühl durch Gewalt. Eine weitere von Linken eingesetzte Emotion ist die Angst vor linker Gewalt. Die Angst vor linker Gewalt kann in der Lust an der eigenen Unterwerfung münden, wodurch der sich Unterwerfende »mächtig« wird – womit sich dieser Emotions-Zirkel schließt und neu beginnt.)

Und da wäre eine weitere Meldung. Diese erreicht uns aus dem Ausland – wenn sie uns erreicht (was Staatsfunk und Konzernmedien bis jetzt zu verhindern wussten).

Im Essay vom 13.6.2021 habe ich vom G7-Gipfel geschrieben. Ich notierte, wie der »US-Präsident« Joe Biden verwirrt durch die Szene schlurfte und stellenweise von seinen Kollegen de facto ignoriert wurde.

Es sind inzwischen neue Videobilder aufgetaucht, und sie lassen uns das Blut in den Adern um weitere Grade kühler werden. Und ja, diese Bilder werden etwa von »RT« verbreitet (und in den USA von freien, konservativen US-Medien).

(Notiz am Rande: »RT« heißt »Russian Television«. RT wurde auf Initiative der Regierung Russland gegründet und sendet in vielen Sprachen außerhalb Russlands. RT ließe sich insofern als Pendant etwa zur Deutschen Welle bezeichnen, als RT im Ausland die Interessen russischer Politik zu vertreten scheint. Genau dadurch aber wäre RT das Gegenteil der Deutschen Welle, da die deutsche Regierungspolitik unter Merkel sich oft genug aggressiv gegen die Interessen Deutschlands und das Wohl des deutschen Volkes zu richten scheint. Die RT-Paradoxie ist heute: Wenn RT in Deutschland oder in den USA die Schwächen der Regierungen unter Biden oder Merkel zeigt, während die westlichen Staats- und Konzernmedien diese überpinseln, könnte RT dadurch das »politische Immunsystem« der Gesellschaften und so den Westen selbst stärken.)

Ja, es ist jener russische Sender RT, der im Internet die Videobilder von Biden auf dem G7-Gipfel zeigt, die man in westlichen Staats- und Konzernmedien nicht zeigt. Wir sehen einen Verwirrten, der Staaten verwechselt (RT via YouTube@RNCResearch, 13.6.2021). Wir sehen einen Verwirrten, der sich von Putin herumkommandieren lässt, Journalisten fortzuscheuchen (RT via YouTube). Wir sehen ein glasig blöde blickendes Wrack, das von Boris Johnson immer wieder via eindeutige Geste zum Schweigen gebracht wird, wie der peinliche Onkel auf der Familienfeier (9gag.com, 18.6.2021 – ich zitiere eine in Hongkong ansässige Spaß-Website – die ernsthafte, eiskalte Wahrheit muss sich heute wieder hinter der Clownsmaske verstecken).

Lange vor der Farce, die sie in den USA 2020 die »Wahl« nannten, war der Welt klar, dass Biden geistig nicht mehr »da« ist. Für die TV-Debatten wurde er erstaunlich gut »eingestellt« und die Moderatoren halfen ihm, doch dieses »Einstellen« scheint nicht mehr zu funktionieren.

Die Berliner Leugnung, die linksextreme Gewalt eben das zu nennen, und die Weigerung der westlichen Politik, den traurigen Zustand der Sumpf-Marionette an der Spitze der USA zu benennen, beides ist eine Leugnung der Realität.

Krankheiten des Körpers sind nicht die einzige Situation, in welcher eine Leugnung der Realität tödlich enden kann.

Das zäheste Sitzfleisch

Die »Stärke« (man beachte die Anführungszeichen) der Diktatur ist es, dass Entscheidungen rasch und ohne lähmende Debatte durchgesetzt werden. Dies kann zugleich ihre größte Schwäche sein, wie diverse Hungersnöte und hundert Millionen Tote in den diversen kommunistischen Experimenten bezeugen.

Eine wesentliche »Schwäche« der Demokratie aber ist es, dass Entscheidungen eben demokratisch stattfinden – sprich: nicht die klügste Erkenntnis, sondern das zäheste Sitzfleisch setzen sich durch.

Die große Stärke des Westens aber hing ebenfalls mit seiner größten Schwäche zusammen: Dass Entscheidungen (und die ihnen zugrunde liegenden Fakten!) gefühlt endlos und dazu öffentlich debattiert wurden, es sicherte zugleich, dass Entscheidungen eben auf Fakten basieren konnten, welche öffentlich überprüft und korrigiert worden waren.

Wäre Watergate heute herausgekommen? Ich habe große Zweifel. Die Washington Post gehört heute dem reichsten Mann der Welt, und er hat Interessen. Wahrheit hat keinen eigenen Wert mehr und dient immer nur einem politischen Zweck – selbst wenn sie, wie gegen den bei den Globalisten ungeliebten weil demokratischen Trump, erfunden werden muss.

Die globale Gewichtung von Macht und kulturellem Einfluss kippt dieser Jahre. Autoritäre Staaten lernen, ihre größte Schwäche in Zaum zu halten, sprich: Maßnahmen berücksichtigen die Fakten und wahrscheinlichen Folgen. Zugleich wird ein Zeithorizont berücksichtigt, der in üblichen Demokratien unvorstellbar ist: Ein demokratischer Politiker denkt systembedingt maximal bis zur nächsten Wahl (oft allerhöchstens bis zur nächsten Umfrage). Chinas Pläne reichen teils weit über die Lebenserwartung aktueller Entscheidungsträger hinaus.

Während Diktaturen lernen, ihre größte Schwäche zu kontrollieren, verlernt der Westen eine seiner zentralen Stärken: Entscheidungen werden nicht realitätsbasiert getroffen. Relevante Fakten zu benennen wird öffentlich verboten (»politische Korrektheit« ist nur eine Spielart des verordneten Wegschauens).

In Berlin wird offiziell verschwiegen, wer es ist, der den Staat und seine Ordnung offen angreift. Westliche Politik und Medien versuchen, den desolaten Zustand des Wracks im Weißen Haus zu verschweigen. (Ach, es wird so manches verschwiegen, geleugnet und erst dann zugegeben, wenn die Wahrheit aus allen Ritzen quillt.)

Keiner total unnütz

Heute, zwei Jahrzehnte nach 2000, frage ich mich, wie die Welt in weiteren zwei Jahrzehnten aussehen wird.

So mir solche Lebenszeit geschenkt ist, werde ich dann 67 Jahre alt sein. Wenn die gefühlte Zeit seit 2000 ein Maßstab ist, wird sich die Spanne zwischen jetzt und dann wieder nur wie wenige Atemzüge lang anfühlen. Meine Kinder werden in einem Alter sein… ach, man wird nervös, es auszurechnen.

Es wäre verblüffend, wenn der Westen in 20 Jahren die kulturelle oder wirtschaftliche Dominanz ausübt, die ihn einst so hell strahlen ließ. Der Westen lügt sich in die eigene Tasche. Wir wurden blind für die eigene, alte Weisheit – wie wir auch für die Realität selbst blind werden.

Wir sind wie einer, der ein Leben lang arbeitete und Geld sparte, doch dann werden ihm die Bilder auf den Scheinen langweilig. Er verbrennt all das Geld, das er sich mühsam vom Mund abgespart hatte. Die Nachbarn klatschen ihm zu, jubeln ob des Feuers, und er freut sich über den Applaus. Wie kann etwas falsch und dumm und suizidal sein, wofür man doch so laut gelobt wird?

Eine flapsige Redeweise besagt, keiner sei total unnütz, da er noch immer den anderen als warnendes Beispiel dienen kann.

Die außerwestliche Welt hat sich längst jene Aspekte des Westens zum Vorbild genommen, die der Machterlangung nützlich sind. Man lehrt in Asien und der arabischen Welt nach Vorbild westlicher Universitäten (und mit in Europa und den USA ausgebildetem Personal). Man erfindet neue Technologien, auf den wissenschaftlichen Methoden des Westens aufbauend. (Und wir wollen gar nicht von den »Partnerschaften« reden, die für die Hoffnung auf ein paar Renminbi westliches Knowhow nach China transferieren.)

Für billig erachtet

Man mag es kaum glauben, doch es soll wohl Zeiten gegeben haben, da schauten Bürger auf die »Großen« über ihnen, und versuchten von ihnen zu lernen. Heute könnte man von deren persönlichen Gerissenheit lernen wollen, wenn man sein Gewissen für billig erachtet, doch »Größe« lernt man von diesen wenig.

Heute wäre es zu empfehlen, sich und seinem Kind zu raten: Werde nicht wie jene! Sei weise, und ›weise‹, das bedeutet, die Dinge in all ihren Zusammenhängen zu verstehen. Sei klug, und ›klug‹ bedeutet, so zu handeln, dass auch die späten Folgen deiner Handlung dir lieb sein können. Sei wahrhaftig und sage stets die Wahrheit, wo du nicht schweigen willst. Niemals aber, wirklich niemals belüge dich selbst.

Die Stärke eines Volkes ruht auf Weisheit, Klugheit und der Wahrhaftigkeit in eigener Sache. Die Schwäche eines Landes ist seine Blindheit, seine Dummheit und die Verlogenheit in eigener Sache.

Was für Volk und Land gilt, das gilt nicht minder für den Einzelnen! Ich darf als Ihr treuer Essayist Ihnen und uns allen denselben Rat vorlegen, den ich mir selbst gebe: Ich will alles in meiner Kraft Stehende tun, alle Zusammenhänge zu verstehen – und nichts zu leugnen, nur weil es mir unbehaglich sein könnte. Ich will den Mut sammeln, so zu handeln, dass die Folgen mir in zehn oder gar zwanzig Jahren lieb sein können. Vor allem aber will ich mir gegenüber ehrlich sein, selbst wenn es bitter schmecken könnte.

Haben die sich verdient

Wenn ich aber meine weiseste Weisheit leistete, meine klügste Klugheit und die mir ehrlichste Ehrlichkeit, dann gilt es nur einen weiteren Schritt zu tun: Darauf vertrauen, dass die Würfel fallen, wie und wohin sie fallen sollen, und dem Moment alle Freude abzuringen, die wir diesem Moment abzuringen vermögen.

Plane, als ob die nächsten zwanzig Jahre ganz in deiner Hand wären. Sei nüchtern genug, zu wissen, dass du nicht einmal sicher weißt, was in zwanzig Minuten der Fall sein wird. Suche die Freude in diesem Tag und in diesem Augenblick mit den Menschen, die jetzt deine Nächsten sind. Eine andere Gegenwart als diese Gegenwart hast auch du nicht!

Sei weise. Sei klug. Sei wahrhaftig. Wenn all das erledigt ist, dann setz dich in die Sonne und sei. Du hast es dir verdient! Wenn sie dich aber fragen, was du da in der Sonne tust, dann antwortete ihnen: »Ich bin.« (Das wird diese Leute so schön verwirren, und etwas Verwirrung haben die sich verdient.)

Weiterschreiben, Wegner!

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