Es ist eine Party. Ich sage Ihnen, es ist eine Fete, ein Fest, eine wilde Feier, und wir hier, wir sind die Gäste.
Wir wurden auf diese Party nicht eingeladen, man fragte uns nicht, man warf uns vielmehr direkt hinein ins Partygeschehen. Im Kreißsaal zog man uns aus unserer Mutter Schoß heraus, und man sagte: So, dies ist jetzt die Party, auf der du mitfeiern wirst – und wehe, du feierst falsch!
Nun wurden einige von uns schon als Partylöwen geboren, und jede öffentliche Feier ist denen ein natürliches Habitat. Doch es gibt auch die Mauerblümchen, die Introvertierten, die sich lieber mit einem Buch verkriechen, die sich lieber allein daheim im Sessel oder unter ihrer Bettdecke verstecken, denn jede Menschenansammlung mit Pflichtfröhlichkeit ist ihnen aufs Neue eine Hölle.
Weil wir Menschen derart unterschiedlich sind, sind wir im Leben unterschiedlich erfolgreich. Ja, Unterschiedlichkeit ist zu begrüßen und zu preisen, das haben wir gelernt, doch man kann nicht sinnvoll bestreiten, dass wer sich auf einer Party wohlfühlt, den Party-Abend eher erfolgreich nennen wird.
Dem einen Menschen bedeutet Erfolg, viel Geld anzusammeln, sehr viel mehr Geld als er zum komfortablen Leben braucht. Dem anderen bedeutet Erfolg, große Kunst und bleibende Werke zu erschaffen. Wieder anderen Menschen ist es genug Erfolg im Leben, eine Familie mit Kindern und Enkelkindern ihr eigen zu nennen.
Was auch immer wir als Erfolg empfinden, um es zu erreichen, muss der Erfolgssuchende, bildlich gesprochen, zuerst die Party-Regeln verstehen.
Die Menschheit hält einen reichen Vorrat an Ratgebern parat, als Bücher und als Menschen, die uns die Party-Regeln der ganz großen Party erklären wollen. Ich verwende hier den Ausdruck »großer Vorrat«, und ich verwende bewusst nicht die Formulierung, wir hätten »keinen Mangel«. Ähnlich wie bei der Nahrung ist es auch bei Ratgebern denkbar, zugleich zu viel und zu wenig zu haben – zu viel leere Kalorien und zu wenige Nährstoffe. Man hat jedoch, um Weisheit zu finden, eben keinen anderen Weg, als sich durch den Berg vorhandener Ratschläge zu wühlen.
Psychologen wollen uns die natürlichen Regeln der großen Party erklären. Herrscher, Politiker und Religionsgründer wollen der Party ihre eigenen Regeln aufdrücken – und wenn diese Regeln gut sind, wenn sie diese Party für alle Beteiligten erfolgreicher machen, dann sind wir ihnen dankbar. Unternehmer bieten an, die notwendigen Party-Zutaten zu liefern. Wir alle aber versuchen, innerhalb der jeweils gültigen Party-Regeln mindestens zu überleben, im guten Fall aber sogar etwas Spaß zu haben!
Ich bin ein Freund alter wie neuer Weisheitslehren, die uns die »Party-Regeln« erklären möchten. Ich darf etwa den neuen Klassiker von Ryan Holiday empfehlen: »The Obstacle is the Way«, und in der deutschen Übersetzung »Dein Hindernis ist Dein Weg«.
Unsere Suche nach Erkenntnis wurde mit dem Umbau eines Schiffes verglichen: Während wir als Passagiere auf genau diesem Schiff auf hoher See unterwegs sind, hämmern und sägen wir an den Planken eben dieses Schiffes. Man könnte unser Leben mit dem Abend eines Partygastes beschreiben, der die ungeschriebenen Regeln der Party herausfinden will – während er als Teilnehmer eben dieser Party bestehen soll.
Bei all diesem Grübeln über die Party-Regeln könnten wir vergessen, dass das Leben eben eine Party ist, eine Feier, eine Festlichkeit, sprich: eine fröhliche Angelegenheit!
Der erste Sinn einer Party sollte doch sein, dass die Teilnehmer »eine gute Zeit« haben, oder nicht?
Die zwei Erfolgsfaktoren einer Party sind erstens die Planung und zweitens die Partygäste. Es sind vier mathematische Konstellationen denkbar: Gute Planung, aber mies gelaunte Gäste, gute Planung und gut gelaunte Gäste, schlechte Planung, aber dennoch gut gelaunte Gäste, zuletzt natürlich schlechte Planung und schlecht gelaunte Gäste.
Ich habe alle vier Varianten erlebt. Ich war bei aufwändigen Partys, die auch tatsächlich ein Ereignis für die persönlichen Geschichtsbücher aller Beteiligten waren. Ich habe auch Feiern erlebt, die trotz großen Aufwands langweilig, kalt und ohne Stimmung blieben. Und zu Jugendzeiten haben wir es (hoffentlich) alle erlebt, dass eine Party laut und spektakulär und großartig wurde, doch tatsächlich bestand die »Planung« nur aus einem kurzen Trip zum Kiosk, und statt Band oder DJ spielte man die Hits des Tages auf einer alten, klapprigen Stereoanlage.
Wenn die Gäste »gut drauf« sind, wird die Party ein Erfolg, selbst wenn die Verpflegung nur aus einer Kiste Bier und zwei Tüten Chips besteht – und wenn die Gäste »schlecht drauf« sind, reißen auch ein Star-DJ und ein Luxus-Buffet es kaum heraus. – Ob unsere »Lebensparty« ein Erfolg wird, das hängt ganz wesentlich davon ab, ob wir selbst »gut drauf« sind, ob wir bereit sind, die Party als eben solche anzugehen.
Ich schreibe diesen Text »zwischen den Jahren« 2021 und 2022. Ich grübele täglich neu darüber, ob man sich in diesen Zeiten noch »gute Vorsätze« machen soll. Letztens schlug ich vor, dass wir uns fürs neue Jahr vornehmen, uns in »klugen Reaktionen« zu üben.
Ich will heute auf einer weiteren Ebene einen »guten Vorsatz« fürs neue Jahr vorschlagen: Wir könnten versuchen, die Welt und unser Leben darin als eine Party zu deuten.
Ja, ich weiß, vieles wirkt heute »wenig partyhaft«. Doch dass sich einige Partygäste sehr merkwürdig benehmen, dass einige die Kontrolle über die Party übernehmen und die Musik bestimmen wollen, dass einige das Buffet leer fressen wollen und nichts für die anderen übrig lassen, dass einige von uns diese Party für einen Maskenball halten und sich immerzu verstellen, all das macht diese Party nicht weniger zur Party – es macht sie nur »herausfordernder«!
Einst verstanden wir uns darin, ordentlich Spaß zu haben, mit nichts als ein paar Getränken vom Kiosk und etwas Musik aus der Stereoanlage – und die Kaschemmen, in denen wir feierten, waren oft alles andere als feierlich! Und doch haben wir gefeiert, waren dankbar und froh! Haben wir das Feiern verlernt?
Das Leben ist eine Party. Ich sage Ihnen, unsere Zeit auf dieser Erde ist eine Fete und ein Fest. Wir haben nicht gewählt, als Gäste in diese Party geworfen zu werden. Die meisten von uns werden nicht freiwillig wieder gehen – und einige wenige von uns haben eine derart miese Zeit auf dieser Party, dass sie versuchen werden, aus eigener Initiative »die Party zu verlassen«. Und eine Party ist es doch, also können wir genauso gut versuchen, etwas Spaß zu haben!
Ja, das Leben ist eine Party, und wenn Regierungen aus diesen oder jenen Gründen uns unsere Partys verbieten, verbieten sie das Leben selbst. Ich glaube nicht, dass es überhaupt möglich ist, Partys ganz zu verbieten – solange und weil Menschen leben, werden sie die Partys eben heimlich feiern.
Ich verstehe, dass in diesen Zeiten manchem von uns wenig feierlich zumute ist – gerade dann und deshalb ist es notwendig, in sich den letzten Funken an »Party-Stimmung« zu finden, ihn neu entfachen zu lassen – und sich schlicht darüber zu freuen, dass wir sind!
Das Leben ist eine Party, es ist qua Definition die beste und größte Party, die ihr besuchen werdet, lasst also diese Party eure beste Party werden! Wir sprachen von »Party-Regeln«, und mir scheint, dass die erste Party-Regeln lauten muss: Du sollst Spaß haben!
Auch das kann mein guter Vorsatz fürs kommende Jahr sein – ach was, für jeden neuen Tag! Ich will mir dessen bewusst werden, dass dieses Leben eben nicht nur Pflicht ist – ich will das Leben (auch) als Party deuten.
Dass wir am Leben sind, dass wir bis hierhin überlebt haben, dass wir gegen alle Unwahrscheinlichkeit doch etwas Glück und sogar Sinn finden können, ich finde, das ist definitiv eine Party wert!