Dushan-Wegner

06.06.2020

Antifa, Überwachung und unsere neuen Chroniken

von Dushan Wegner, Lesezeit 8 Minuten, Foto von Joshua Fuller
Antifa-Mob vandalisiert Geschäfte von Migranten. Justizministerin (Hessen) will in privaten Chats schnüffeln, ob jemand etwas Illegales sagt. Die deutsche Demokratie verrottet, von innen – wieder! – und diesmal sind wir »live dabei«. Wow.
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Vor Jahren sagte jemand zu mir (es war ein Prominenter, und kein Politiker): »Herr Wegner, schreiben Sie darüber!« – »Warum?«, fragte ich zurück: »Warum soll ich darüber schreiben?«

»Herr Wegner«, sagte jener, »Sie sind nicht nur Essayist, Sie sind ein Chronist!«

Ich gebe zu: Ich war nicht allzu begeistert von der Zuschreibung damals. »Chronist«, das klingt nach altem Mann mit Bart, der am Schreibtisch mitschreibt, was andere erleben – ich schüttelte den Kopf, kraulte meinen Bart, streckte meinen schmerzenden Rücken, ich probierte, welche Brille heute am wenigsten unscharf ist – nein, Chronist wollte ich doch nicht sein!

Ich fragte mich: Braucht es heute überhaupt Chronisten? Wird nicht heute sowieso alles alle Zeit aus allen denkbaren Perspektiven dokumentiert, gefilmt, getwittert, gefacebooked?

»Typisch Diktatur«

2018, als die Gegner demokratischer Entscheidungen (die Herrn Soros nicht passen) in London gegen die Befreiung Großbritanniens aus der EU-Knechtschaft demonstrierten, schrieb ich den Essay »Ich glaube den meisten Großdemos heute nicht – hier ist der Grund«. Einen Demokraten (also im alten, gehaltvollen Wortsinn) muss es schmerzhaft stechen, wenn zuletzt »Demonstrationen« zu Propaganda-Veranstaltungen für das Anliegen der Regierung wurden (siehe »5 Mark und Bratwurst – wenn das System zur Demonstration ruft«).

In den vergangenen Tagen »demonstrieren« die Terror-Banden der Antifa, eine Schneise der Verwüstung und des Leids hinterlassend, in den USA wie nun auch in Deutschland. Es war wenig überraschend und doch schockierend, wie viele Politiker und Journalisten sich mit dem Terror der Antifa-Banden zu solidarisieren schienen (notiert im Essay vom 1.6.2020).

Entgegen aller Lügen von Politikern und am Elend reich werdenden Wohlfahrtsfunktionären besteht der Großteil der Einwanderer nicht aus »Ärzten und Ingenieuren«, sondern oft aus Menschen ohne Qualifikation, die sie, um einen Claudia-Roth-Ausdruck anzuwenden, »verwertbar« machen würde. (Und eine kleine, aber vorhandene Gruppe wäre zwar qualifiziert, scheitert aber an der Anerkennungsbürokratie – ich kenne mehrere Qualifizierte, die über Jahre hinweg die Arbeit von Ungelernten erledigten.) Wer als Ungelernter dennoch echte Verantwortung übernehmen, legal bleiben, seine Community stärken und bei all dem vielleicht sogar Geld verdienen möchte, der konnte bislang ein Geschäft gründen – bislang.

Letzte Nacht zog der Antifa-Mob, wie angekündigt, unter anderem durch Berlin-Neukölln – und auch dort griff er die Ladengeschäfte an, im angeblichen Kampf gegen Rassismus (für ein Video siehe etwa @mxkell, 5.6.2020). Dies sind fürwahr Zeiten orwellscher Begriffsumdrehung. Krieg ist Frieden, Lüge ist Wahrheit, und wenn weiße Schlägerbanden die Geschäfte von Migranten vandalisieren, dann gilt das heute als »Anti-Faschismus«. In den USA haben Migranten von linken Spinnern zunehmend die Nase voll (siehe etwa @dushanwegner, 6.6.2020), und sie lernen schnell, dass sich Linke nicht um Gnade anflehen lassen (im Gegenteil – die Unterwerfung ihrer Opfer reizt diese Leute noch mehr), und also bewaffnen sie sich selbst gegen linke Mobs, ob mit Schusswaffen oder auch mal mit Motorsägen.

Und in Deutschland? In Deutschland werden den Bürgern die Waffen genommen, sich gegen den von Staatsfunk und Propaganda aufgeheizten linken Mob zu verteidigen. Die Polizei wird schon die Bürger schützen, heißt es. Nun, in Köln, der Stadt von »Köln Hauptbahnhof«, hat die Polizei vor den angekündigten Antifa-Ausschreitungen vorsorglich angekündigt, dass es keine Videoaufzeichnungen geben wird (kein Scherz: @polizei_nrw_k, 5.6.2020) – sprich: Wer nach dem Anschlag schnell genug wegläuft, kommt wahrscheinlich ungeschoren davon – wobei schon vor den Corona-Verordnungen das Vermummungsverbot gefühlt eher selten durchgesetzt wurden, wenn es sich um Antifa-Banden handelte, die gegen die Opposition agierten.

Bei Monty Python würde es an dieser Stelle heißen: »And now for something completely different!« – Doch, halt, falsch! Nicht der Humor ist an dieser Stelle falsch, nein, ganz ohne Lachen geht es gerade heute nicht, oh nein, etwas anderes ist falsch, das mit dem »completely different«, dass es nun vollständig anders werden würde: Wir wechseln die Nachricht, doch die Stoßrichtung bleibt – und manche befürchten: auch die Motivation der Handelnden.

Zu den nicht unumstrittenen Straftatbeständen – zumindest in der tatsächlichen Verfolgung – gehört in Deutschland die »Volksverhetzung«. (In Grünen-Kreisen könnte auch das Verbot von Pädophilie und harten Drogen als »umstritten« gelten.) In Zeiten der totalen Durchpolitisierung der Gesellschaft muss man fürchten, dass auch der Straftatbestand der Volksverhetzung zum parteiischen und politischen Instrument wird. (Im Essay vom 4.6.2020 notiere ich, wie man etwa Deutsche gerichtsfest als »Köterrasse« verunglimpfen darf, ohne dass es als Volksverhetzung geahndet wird, während Vergleichbares in umgekehrter Stoßrichtung einen schnell feststellen ließe, wie der eigene Magen es mit dem Gefängnisessen hält. Wie aber bewertet man einen Staat, in dem das Recht für eine Gruppe gilt und für eine andere offenbar nicht?)

Nun war es bislang problematisch genug, dass die eine Seite der Debatte ohne Einschränkung auf die andere draufschlagen durfte, während die andere schon bei einem unvorsichtigen Räuspern fürchtete, mit einem Fuß im Kerker zu stehen, zusammen mit Räubern, Mördern und Verweigerern der Propagandagebühr – nun will immerhin die Hessische Justizministerin nichts weniger, als die Volksverhetzung auch in privaten Chats zu verfolgen (n-tv.de, 6.5.2020).

Stellen wir uns für einen kurzen Augenblick vor, wie man es in Deutschland kommentieren würde, wenn in China, Russland oder Nord-Korea ein wichtiger Politiker fordern würden, private Gespräche von Bürgern darauf abzuhören, ob sie etwa Verbotenes sagen und sie dafür in den Knast zu bekommen. »Typisch Diktatur«, würden wir sagen. Nun – dies ist Deutschland unter dem Staatsfunk und seiner Genossin Kanzlerin.

Dass er Chronist ist

Nein, ich wollte nie Chronist sein. Zusammenzutragen und neu zu organisieren, was andere schon auf andere Art zusammengetragen und geordnet hatten – um das zu legitimieren, dafür bräuchte es eine Autorität und Endgültigkeit, die ich mir niemals anmaßen würde.

Ich setzte mich damals, als mir jener Prominente das sagte, aus fast denselben Gründen an den Tisch, aus dem ich mich heute an den Tisch setze: Jeden Tag ein Vademekum zu finden, eine Medizin des Geistes, ganz im alten Geist der neuen Zeiten: eine Impfung gegen das Irrewerden. – Die Kunst ist, am Irrsinn nicht selbst irre zu werden!

Jedoch, genausowenig wie ein Mann durch Wunsch und Wille festlegen kann, er sei eine Frau, ebensowenig kann ein Chronist, der Chroniken führt, kraft seines Wortes leugnen, dass er Chronist sei.

Ich wollte und will eigentlich nur meine Versuche festhalten, am Irrsinn nicht irre zu werden. Schwarze Wolken grüner Dummheit ziehen sich vor die Sonne der Vernunft, und so suche ich für mich nach einem Licht, einem Flackern, hoffend, dass es mehr ist als Irrlichter über dem Sumpf, mehr als selbstentzündete, bald verlöschende Gasflämmchen aus verrottendem Organischen, verzweifelte Geister der Verstorbenen, die sinnlos um das Heil unserer Seelen kämpften, eine Sinnlosigkeit, die erst wir in unserer Dummheit zur solchen werden lassen.

Brav mitzuschreiben, das war mir zu wenig und zu viel zugleich – auch weil es viele andere taten und nicht wenige gewiss besser. Ich wollte festhalten, wie ich es sah, und ich fand, dass viele Tausend es lesen wollten – nein, nicht Millionen, in keiner Hinsicht – und so schreibe ich mit, seit bald achthundert Essays nun (siehe /liste/), und gegen alle Absicht stelle ich fest: Ich war und bin also doch ein Chronist geworden, wenn auch ein Chronist des Blicks durch die bunten Bleiglasfenster meiner inneren Dorfkirche auf die Welt, deren Feuer, Fehler und Fahnsinn zuletzt bedrohlich frech an meinem eigenen Kirchendach zu lecken wagen.

Die Handelnden anzuklagen

Es hilft nicht, nicht der Zufriedenheit der Seele und nicht dem Selbstbewusstsein, welches es letzten Endes ja ist, das unsere Sätze vorantreibt und unseren Worten ihre Muskelkraft verleiht, es hilft nicht, dass ich mich zum Chronistsein verpflichtet fühle – und doch die Aufgabe für unmöglich halte.

Schreibe ich nun einen gewohnt ausführlichen Text über ein Negativum, über ein Nichtseiendes, über die Fragen, warum ich gegen manchen Anschein kein Chronist sein will? Nein, nicht ganz. Leider nicht.

Die allermeisten meiner Texte enthalten ja nicht nur die Nachricht (ich bin doch kein Chronist), sondern davor und danach und dazwischen eine Deutung, ein Herausschlagen aus dem Felsen der Beiläufigkeit, den Schmerz lokalisierend und dann einen Balsam anbietend, und ich tat die Arbeit des Deuters stets aus dem dringenden Gefühl der Notwendigkeit heraus.

Jedoch – und das, ja, das schockt mich (ein wenig, aber nicht nicht): Es genügt inzwischen ja bald, die Ereignisse selbst zu notieren, ohne sie weiter zu entblättern, und jedes Kind, das nicht vollständig von den Lügen der Propaganda und den rotierenden Augen der Staatsfunkschlange hypnotisiert ist, sieht die Scham des Königs in all seiner so erbärmlichen wie bösen Nacktheit.

Ich wollte nicht Chronist sein, wohl auch weil ich meinte, dass es Entlarvung braucht, Ausdeutung und Offenlegung – nun, spätestens wenn linke Antifa-Banden unter dem Applaus der »Guten und Gerechten« marodierend durch Ausländerviertel ziehen, wenn Politiker ohne sofortigen Skandal und Rücktritt dazu aufrufen, selbst private Diskussionen auf potentiell Verbotenes zu überwachen, spätestens dann werden die Arbeit eines Chronisten und die des gewissensbehafteten Anklägers, Richters und Bewährungshelfers (sprich: des Essayisten) zur selben Aufgabe.

Dies sind Zeiten, in denen das Geschehen zu protokollieren bedeutet, die Handelnden anzuklagen. (Eine Anklage vorm Gericht der Moral, des Anstands und der Ethik im ältesten Sinne – selbstredend.)

Im Jahr 480 vor Christus

Wir alle, Sie, ich, und jeder, der sein Gehirn für mehr verwendet, als den Schädel, der die Sonnenbrille hält, vorm Kollabieren zu bewahren, wir alle werden dieser Tage von Deutern und Mahnern zu halbpanischen Chronisten.

Einst – im Jahr 480 vor Christus, um präzise zu sein – einst führte Leonidas einige Tausend Griechen gegen die schier endlosen Truppen Persiens an. Wir hoffen, dass es uns besser gehen wird – zumal wir mit wenig mehr als Worten und dem Appell an Ethik und Demokratie bewaffnet sind, unsere Gegner aber kämpfen mit den dreckigsten der Mittel. Wir sind brave Chronisten, wir stehen aber gegen bezahlte Lügner und Leugner, gegen die neuen Wahrsager und Wahrheitsarchitekten am großen Hof des Globalismus.

Wir sind an einem Punkt angekommen, da das Mitschreiben dessen, was in unseren Straßen und an unserer Seele passiert, bereits die Anklage in sich trägt.

Vor Jahren sagte jemand zu mir: »Herr Wegner, schreiben Sie darüber!«, und: »Sie sind ein Chronist!«

Inzwischen, Jahre später, beginne ich nicht nur ihm zuzustimmen. Inzwischen gehe ich weiter: Wir alle sind Chronisten dessen was heute passiert.

Man wird uns fragen, wie es dazu kommen konnte. Man wird uns fragen, ob wir überhaupt mitbekamen, was damals – heute! – geschah.

Zumindest darauf sollten wir eine Antwort wissen, zumindest darauf.

Weiterschreiben, Wegner!

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