Dushan-Wegner

28.03.2021

Der Lockdown und dein Fotoalbum

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Foto von Laura Fuhrman
Spahn will mehr »richtiges Herunterfahren« und Giffey freut sich über die nächste steuerfinanzierte Propaganda-Maßnahme. Ist es Zufall, dass die Angriffe auf unsere Grundwerte von zuverlässig umstrittenen Ministern kommen?
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Wann haben Sie zuletzt in Ihrem Fotoalbum geblättert? – Abhängig von Ihrem Alter und Ihren Lebensumständen ist es gut möglich, dass Sie antworten: »Welches Fotoalbum?«

Und selbst wenn wir einige Fotoalben unser eigenen nennen, dann stehen die Chancen gut, dass es Alben »von früher« sind. Alte Hochzeiten darin, alte Urlaube, altes Kinderlachen.

Wer lässt denn noch Fotos entwickeln? Wer kauft Papieralben, dazu Ecken oder Kleber, um eine Auswahl der besten Bilder einzukleben? (Fast) niemand (mehr).

Sicher, wir fotografieren mehr denn je, doch kann man die Smartphone-Schnappschüsse noch Fotos nennen? Photos gar? Wir können jederzeit unseren Mitmenschen alle unsere Fotos auf unseren Smartphones zeigen – ja, manche von uns zeigen ihre Fotos sogar der gesamtem Welt via Social Media – wozu also bräuchte es noch Alben aus Papier?

Und doch, und doch – was wenn die Fotoalben eine Funktion hatten, die über die Archivierung von Bildern hinausging, und die uns verloren zu gehen droht?

Richtiges Herunterfahren

Apropos »Verlorengehen«: Der deutsche Gesundheitsminister wünscht sich aktuell »noch einmal zehn, 14 Tage richtiges Herunterfahren unserer Kontakte und Mobilität« (welt.de, 27.3.2021).

Ein Treffen der Familie im »großen Kreis« »geht halt dieses Jahr noch nicht« sagt er. Ein Zyniker würde vermuten, dass Treffen mit Parteispendern und anderen Politikerfinanzierern auch weiterhin »gehen«. Wer glaubt denn noch, dass es der Politik wirklich nur um die Gesundheit der Deutschen geht? »Hauptmann tritt aus CDU aus – Ex-MdB soll Million Euro für Maskengeschäft erhalten haben«, lesen wir aktuell (welt.de, 26.3.2021), und wir wundern uns schon seit einiger Zeit nicht mehr.

Man seufzt – und man möchte die alten Fotoalben hervorziehen, einfach um nostalgisch in Erinnerungen zu schwelgen, und sich zurück zu erinnern, »wie es früher war«.

Der Machtrausch der Merkelregierung mit dem Virus als Vorwand ist nicht die einzige Meldung, welche unsere bereits begonnene Zukunft prägen wird. Im Essay vom 27.11.2020 notierte ich den Einstieg Deutschlands in einen Zustand, den ich »Propagandastaat« nenne. Wir verhandeln heute nicht mehr, ob es so ist – wir notieren heute den Fortschritt einer bereits seit Jahren laufenden Umwandlung.

Der neueste Vorstoß

Der nächste Schritt der Umwandlung Deutschlands in den umfassenden orwellschen Propagandastaat soll die Einrichtung einer »Bundesstiftung Gleichstellung« sein (nzz.ch, 28.3.2021), wieder einer Initiative aus dem berüchtigten Familienministerium.

Das deutsche Familienministerium fungiert länger schon als ein Quasi-Propagandaministerium, das mit immer größeren, hunderte Millionen großen Propagandabudgets das Denken der Deutschen in regierungsgenehme Bahnen pressen soll; vergleiche etwa die Essays »George Orwell 2016 ›Ministerium für Liebe‹« vom 2.7.2016 oder »Flexibel demokratisch« vom 25.1.2018 – und der neueste Vorstoß der Propagandatruppen soll eben eine »Bundesstiftung Gleichstellung« sein (die  avisierten Millionenbeträge – 3 Mio. für 2021 – findet man auf der Website des Quasi-Propagandaministeriums, bmfsfj.de).

Es sei nur kurz notiert, warum das Vorhaben nicht einmal »gut gemeint« ist: Die vom Grundgesetz im Artikel 3 festgeschriebene Gleichberechtigung ist etwas sehr anderes als die Gleichstellung. Das eine bedeutet, dass jeder Mensch dieselben Rechte hat – das andere bedeutet, dass Menschen vom Staat gleich »gestellt« werden, unabhängig von ihrer Leistung.

Der Argumente gegen die zwangsweise »Gleichstellung« sind viele, von der offensichtlichen Ungerechtigkeit bis zu den Lügen in den Prämissen (man zeige auch nur eine deutsche Firma, die Frauen tatsächlich bei gleicher Qualifikation und Arbeit schlechter bezahlt) bis zur Demotivation beider Geschlechter (beide Geschlechter kommen durch Zwangs-Gleichstellung aus unterschiedlicher Richtung zum selben Schluss: »es lohnt sich nicht, wenn ich mich anstrenge«). – All die logischen und ethischen Probleme sind bekannt, warum wird es also vorangetrieben?

Quasi-übliche Gründe

Ist es eigentlich ein Zufall, dass an der Spitze zweier heute offen gegen demokratische Werte agierenden Ministerien, des Gesundheits- und des Familienministeriums, jeweils Minister von schillerndem Ruf sitzen? An der Spitze des Lockdownministeriums tritt der Immobilienprofi Spahn auf, an der Spitze des Propagandaministeriums eine Frau Dr. Giffey, die sich aus den für Politiker inzwischen quasi-üblichen Gründen nicht mehr »Dr.« nennen will.

Man fragt sich natürlich, und man fragt sich immer wieder, warum Deutschland solche Schweinereien über sich ergehen lässt. Warum wehren sich die Deutschen nicht? Warum kommen so fragwürdige Gestalten mit dieser Demontage unserer alten Werte durch?

Es hat etwas mit Fotoalben zu tun.

Tausende Bilder, kein Album

Damals, als Familien sich noch zusammensetzten, um gemeinsam das eigene Fotoalbum zu betrachten, formulierten sie darin auch die eigene Geschichte und damit ihre eigene Identität.

Die Fotos im Album waren aber keineswegs beliebig oder gar alle, wie digitale Fotosammlungen heute meist alle Fotos sind. (Ja, es gibt eine »Album«-Funktion, doch wer nutzt sie wirklich?)

Jeder Klick auf den Auslöser bedeutete Kosten, und nach 36 Bildern musste der Film zur Entwicklung gebracht werden. Eine Auswahl der Bilder wurde als Papierfoto bestellt, und davon wiederum klebte man eine Auswahl in ein eigens gekauftes, oft nicht ganz billiges Album.

Das Fotoalbum war weit, weit mehr als nur »alle meine Fotos«. Das Fotoalbum war die kuratierte Familiengeschichte, die manifestierte Selbstdefinition. Fotos waren keine gedankenlose Nebensache, Fotos und Fotoalben waren eine echte Investition in die persönliche Erinnerungskultur.

Die über Jahre, Jahrzehnte und teils Generationen hinweg gepflegten Fotoalben dokumentierten und formten buchstäblich das Bild, das die Familie von sich selbst hatte.

So wie der Ausweis das Lichtbild der Person enthält und damit festhält, wer diese Person ist, so war das Album eine Art von Lichtbild der persönlichen und gemeinsamen Geschichte.

Und heute?

Heute haben wir zigtausend Bilder, aber kein Album.

»Wir wissen es nicht.«

Wie können Gestalten wie Merkel, Spahn oder Giffey mit all dem Mist durchkommen? Die Antwort ist schlicht: Wir wissen nicht (mehr), wer wir sind. Wir teilen kein gemeinsames Gefühl mehr. Unsere Geschichte wird von der Propaganda geschrieben – und der ist es sehr wichtig, dass wir kein geteiltes, gemeinsames Konzept von uns selbst haben, außer jenem, das uns eben diese Propaganda vorschreibt. Wir haben, metaphorisch gesprochen, kein eigenes »Fotoalbum« unserer selbst, zumindest keines, in welchem wir uns wirklich erkennen.

Wenn die Regierung uns etwas antut, und wir sagen wollten, »Wir wollen das nicht!«, dann könnte die Regierung trocken antworten: »Wer spricht?«, und wir müssten antworten: »Wir wissen es nicht.«

Wir haben kein eigenes »Album« mehr, und die Propaganda will uns ein neues, ein künstliches Album vorgeben – und zwar eines, das bis in die Zukunft reicht, und das zugleich in unser Denken und Fühlen hineinreicht – und wehe dem, der das neue, von der Propaganda vorgegebene künstliche Album nicht als für ihn gültig akzeptiert.

Hundert Fotos, oder zehn

Wagen wir doch eine charmante Übung, und üben wir es zumindest in Gedanken: Wenn Sie für sich selbst, vielleicht auch für Ihre Familie, exakt hundert Fotos aussuchen sollten, welche Ihre Geschichte und damit Ihre Identität erfassen und umfassen sollen, welche Ihrer Fotos würden Sie auswählen? Und wenn man die Zahl auf zehn Fotos reduzierte? Gar nur auf drei?

Dieses Land weiß nicht mehr, wer es ist, und deshalb kann es nicht kraftvoll dagegenhalten, und sagen: »Wir wollen das nicht!«

Weiß ich denn, als Einzelner, wer ich bin? Metaphorisch gesprochen: Weiß ich, wo meine Fotoalben sind?

Es könnte für die kommenden Ostertage ein lohnendes Projekt sein, tatsächlich die Fotos herauszusuchen, die unser Leben stellvertretend beschreiben.

In diesem Geiste also: Bevor du uns sagst, was du willst, oder was du nicht willst, sag uns erst, wer es ist, der da spricht – oder zeig uns dein Fotoalbum! 

Weiterschreiben, Wegner!

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