Dushan-Wegner

11.09.2023

Die Gartenbesitzer

von Dushan Wegner, Lesezeit 3 Minuten, Bild: »Warum so leer?«
Freut euch, wenn und falls es euch heute in Deutschland (noch) gut geht. Doch wähnt euch nicht in der Illusion, dass es für immer so weitergehen muss. Wir leben in geborgten Jahren.
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Dieser Essay ist Teil eines Triptychons, die anderen beiden Texte sind »Die Gruppen« und »Die Zerrissenen«.

Ich beglückwünsche jeden, der sich einer feinen Wohnstatt im Grünen erfreut, dessen Kinder in eine gute Schule gehen und dessen beruflicher Alltag erträglich, ja vielleicht sogar angenehm, einträglich und inspirierend ist.

Doch machen wir uns nichts vor! Für die Deutschen in Deutschland gilt womöglich bereits: Dies sind geborgte Jahre.

Luther sagte einst, wenn er wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde er heute ein Apfelbäumchen pflanzen.

Einige Gartenbesitzer werden ihm zustimmen, dass Gartenarbeit wirklich eine würdige Tätigkeit für den letzten Tag wäre.

Ich selbst würde wohl eher noch mal mit Menschen, die mir lieb und wichtig sind, quatschen wollen. Einen letzten Versuch starten, die Conditio humana zu verstehen, ein letztes und damit hoffentlich krönendes Mal unsere relevanten Strukturen nachziehen, die Ordnung unserer Kreise.

Doch dies ist nicht wörtlich der letzte Tag Deutschlands, es sind vielmehr die letzten Jahrzehnte. Es sind geborgte Jahre.

Dass es dir gut geht, heißt nicht, dass es allen in Deutschland so gut geht – nicht einmal allen, die »schon länger« hier sind und dazu »alles richtig gemacht« haben.

Man kann unter den Deutschen und deren Verhältnis zur Realität (mindestens) vier verschiedene Gruppen ausmachen (wie ich auch im begleitenden Essay »Die Gruppen« erkläre). Wenn Sie heute über Ihren Garten, Ihr Tal oder Ihre schöne und ruhige Altstadt blicken können, dann gehören Sie zur ersten dieser Gruppen – noch.

Sicher, Sie ahnen, dass es auch anders kommen könnte, dass es anderswo in Deutschland bereits ganz anders ist. Dass alle Zeichen darauf hindeuten, dass und wie es unschön werden kann für alle im Land.

Doch Sie hoffen aufs Wunder, ob Sie diese Hoffnung aussprechen oder durch ihre täglichen Handlungen implizieren.

Ich sage: Ja, arbeitet für das Wunder, das geschehen soll! Hofft darauf, dass dieser teuflisch tödlichen Maschine aus Staatsfunk, Mainstream und Propaganda endlich Einhalt geboten wird.

Arbeitet für die Wiederauferstehung der Vernunft, und hofft nur darauf, wofür ihr auch kämpft – welche Berechtigung sollte Hoffnung sonst haben? Welches Fundament, welche Substanz?

Hoffe und arbeite, und dann sage mit Leonard Cohen: »Ich warte auf das Wunder!« (Und dazu siehe »Warteraum 254«.)

Doch bereite dich zugleich für den Fall vor, dass das Wunder eben doch nicht eintritt. (Überhaupt sind Wunder in der Zeit allgegenwärtiger Smartphone-Kameras auffällig selten geworden.)

Und bedenke, dass seit Jahrtausenden gilt: »Carpe Diem«. Pflücke jeden Tag, denn er kommt nur einmal.

Pflege, was du besitzt und verantwortest – doch lasse es innerlich los.

Die vornehmste Aufgabe deines Eigentums besteht darin, den Rahmen zu bilden, in welchem du und die kommende Generation klüger werden können. Das wäre auch der Fall, wenn Deutschland noch viele hundert Jahre weiterlebte. Umso mehr gilt es, wenn und weil wir in »geborgten Jahren« leben.

Am Ende gewinnt immer die Realität, und mit einiger Wahrscheinlichkeit sind »geborgte Jahre« unsere Realität.

Du kannst und solltest für dich selbst beschließen (und dies keinesfalls von Propaganda oder Werbung für dich entscheiden lassen!), was der Fall sein muss, damit du sagen kannst, dass du am Ende dein Leben »gewonnen« hast.

Ich will auch weiter versuchen, jeden Tag klüger schlafen zu gehen, als ich erwachte. Wenn wir wirklich nur in »geborgten Jahren« leben und uns wenig Zeit bleibt, dann ist es deswegen nicht weniger wichtig, täglich klüger zu werden – es wird viel dringender!

Weiterschreiben, Wegner!

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