Dushan-Wegner

30.01.2021

Fake News, so oder so

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten, Foto von Photoholgic
Jede Nachricht, wirklich JEDE ist heute »Fake News«: Entweder die Nachricht ist klassisch gelogen. Oder sie lügt durch Weglassen. Oder sie berichtet über Fake-Politik, dann ist sie Fake News so wie Nachrichten über Sport eben »Sports News« sind.
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Wenn ich Sie fragte, was eine »Fake News« ist, dann würden Sie wahrscheinlich zuerst das Wort noch einmal in seiner englischen Aussprache wiederholen – etwa: »feyk nius« – und dann würden Sie vielleicht eine Übersetzung anbieten, etwa »gefälschte News« oder, wenn Sie mutig sind, vielleicht sogar »Lügenpresse«. Und dann würden wir beide merken, dass es das nicht trifft. Fake News ist mehr als das. Fake News ist etwas anderes. Fake News sind etwas eigenes – und sie sind, metaphorisch gesprochen, die Tapeten unserer kollektiven Zimmereinrichtung, der Wandbelag der Neuzeit, die wir alle uns heute ungefragt teilen.

Nein, eine Fake News muss keine Fälschung sein – manchmal ist sie sogar eng betrachtet (mehr oder weniger) sachlich richtig. Ja, eine Fake News muss nicht einmal sein, um Fake News zu sein, und das ist meines Erachtens sogar der größte Teil unserer Nachrichten (klingt paradox, ist aber schnell aufgeklärt: man kann auch lügen durch Weglassen).

Und doch, neben dem mangelnden Wahrheitsgehalt, ob dieser nun durch Falschaussagen oder Verschweigen hergestellt ist, ist da noch mehr, so meine ich, was die Fake News zur solchen macht.

Betrachten wir einmal, zum Vergleich und zum tieferen Verständnis, drei wohl vollständig wahre, aktuelle »Nachrichten«!

Zuerst eine Nachricht, die in dieser Zeit fast schon eine Nebensächlichkeit ist, gewissermaßen zum Aufwärmen: Eine Politikerin der umbenannten SED hat in Brandenburg den (nicht nur) in deutschen Parlamenten an den Vize-Präsidenten des Landtags gerichteten Gruß verweigert, weil dieser wir-wissen-schon-welcher Partei angehört (welt.de, 28.1.2021). Die Sitzung wurde unterbrochen, es ist ein Skandälchen, was die Verantwortlichen etwas ratlos dastehen lässt. Es zwingt eine grundlegende Frage ans Tageslicht: Wie lange kann man in Deutschland so tun, als stünde das von der Propaganda geschürte »gefühlte Recht« nicht schon länger gegen das offizielle Recht und gegen die (einstige?) Ordnung? Diese Frage ist die eigentliche Nachricht – die andere eigentliche Nachricht (und der eigentliche Skandal) bleibt weiterhin die Frage, warum die Partei der Mauermorde und Foltergefängnisse überhaupt irgendwas in Deutschland zu sagen hat. Aber gut, dass die Sozialisten es nicht so mit der Demokratie haben, das wissen wir schon länger – die eigentlichen Meldungen des Tages drehen sich natürlich alle um Covid und Impfstoffe.

Die EU hat aktuell ihren Vertrag mit einem Impfstoff-Hersteller online gestellt (PDF via ec.europa.eu), und wie es sich für jemanden gehört, der nichts zu verbergen hat, sind zahlreiche Passagen geschwärzt und unlesbar gemacht. Die Blogger von sciencefiles.org (29.1.2021) stellen eine Reihe von Merkwürdigkeiten am Dokument fest, etwa dass einzelne Seiten als Bild statt als Text eingefügt wurden, was auf nachträgliche Bearbeitung über die Schwärzung hinaus schließen lassen könnte. Es fühlt sich alles so fake an (bis hin zur Fake-Meinungsfreiheit, in der man »alles sagen kann«, aber manches nur einmal; siehe @APatzwahl, 29.1.2021), man regt sich gar nicht mehr auf. (Erinnern Sie mich bitte, auf welchem Wahlzettel Frau Doktor von der Leyen draufstand?)

Es fühlt sich heute so vieles so fake an – selbst dann, wenn es (inzwischen) stimmt. Vor einiger Zeit etwa machten sich in Deutschland in traditioneller Kalter-Krieg-Manier der Staatsfunk und politiknahe Zeitungen über den russischen Covid-Impstoff lustig. »Putin betreibt üble Impfstoff-Propaganda«, ätzte sueddeutsche.de, 11.8.2020; »Der Möchtegernimpfstoff« höhnte zeit.de, 11.8.2020 (für noch mehr Headlines siehe @argonerd, 28.1.2021). Nun, aktuell wird berichtet, dass EU und Merkel als Ausweg aus ihrer eigenen Unfähigkeit in Russland anfragen, ob man den russischen Impfstoff »Sputnik V« vielleicht bitte auch in Deutschland herstellen dürfte (siehe etwa t-online.de, 21.1.2021 oder welt.de, 28.1.2021). Im März 2020 schon schrieb ich den Text »Corona-Virus? »… alle erstmal durchatmen«!« über die Beschwichtigungen des deutschen Politik-Staatsfunk-Komplexes, der auch in der absehbaren Corona-Gefahr zuerst nur eine »rechte Verschwörungstheorie« sah, um dann eine 180°-Gradwendung von einem Extrem ins andere vorzunehmen – und dann wieder alle Kritiker als »rechte Verschwörungstheoretiker« zu diffamieren. Eine Politik, deren einzige Konstante eine »machtbewusste Unfähigkeit« ist fühlt sich selbst Fake an, wie eine Fälschung, wie die Imitation von Politik. – Jede Berichterstattung über das Merkelsystem wirkt heute wie Fake News, so wie etwa auch jede Berichterstattung über Sport eben Sports News ist.

Fake News sind exakt die richtigen Nachrichten für diese Zeiten. In den USA beginnen derweil täglich mehr Biden-Wähler ihre Wahlstimme zu bereuen (so sie denn wissen, dass sie für ihn gestimmt haben), weil sogar Linke zu begreifen beginnen, dass sie einem Fake aufgesessen sind, und dass Biden genau das ist, was wir wussten, dass er ist – von einer dementen Marionette der Konzerne nicht zu unterscheiden.

Dies sind Fake-Zeiten und jede Nachricht ist Fake News. (Dieser letzte Satz klingt auch im Englischen gut, finde ich: These are fake times, and in fake times, every news is fake news.)

Wir müssen schlussfolgern, dass heute jede Nachricht eine Fake News ist: Etwas Wahres über die Politik zu sagen ist mindestens insofern Fake News, als es eine Nachricht über Fake ist, vielleicht aber auch insofern, als es von der eigentlichen Nachricht ablenkt, und nicht selten indem es ganz klassisch gelogen ist.

Was also tun? Was also denken, schreiben, glauben?

»All you have to do is write one true sentence«, riet Hemingway den Schreibenden, und damit sich selbst, und damit uns allen, »write the truest sentence you know.« – zu Deutsch etwa: »Alles was du tun musst, ist einen wahren Satz zu schreiben. Schreibe den wahrsten Satz, den du weißt.«

Ich sage dieser Tage weit häufiger als früher den Satz: »Ich weiß es nicht.«

Ich sehe mich heute weit häufiger als früher vor der Aufgabe, zwischen zwei Übeln zu entscheiden.

Weit häufiger als früher höre ich zwei Nachrichten, und habe Zweifel an beiden, und so wähle ich, aufgrund welcher ich handele als ob sie wahr sei.

Dies sind Fake-Zeiten, und alle Nachrichten sind Fake News.

Unsere Aufgabe ist es, in Fake-Zeiten, umgeben von Fake News und der Fake-Politik ausgeliefert, nicht selbst zu »Fake Menschen« zu werden.

Es empfiehlt sich ohnehin, lieber die Klappe zu halten, als öffentlich eine Lüge zu sagen – und das gilt auch uns selbst gegenüber.

Ich erlaube mir, als Refrain gewissermaßen, einen weiteren der großen Worthandwerker aufs Neue zum Zeugen zu zitieren (wie ich es zuerst am 11.11.2019 in »Balkanroute und Hafermilch« tat): Niemals, wirklich niemals, belüge dich selbst. Um es mit den unsterblichen Worten des William Shakespeare zu sagen (Hamlet, 1. Akt, 3. Szene): »This above all: to thine own self be true« – »dies über allem: zu dir selbst sei wahrhaftig«, oder auch: »dir selbst bleibe treu«.

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